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[re:jazz] – dito (INFRACom!)

Der in Rüsselsheim lebende Musiker und Komponist Matthias Vogt hat mit [re:jazz] seinen ersten Longplayer in der Tasche. Anläßlich des zehnjährigen Jubiläums des renommierten Frankfurter Labels INFRACom! gab’s unter seiner Regie ein klassisches Jazz-Album, das den Kompositionsideen seiner Labelkollegen einmal gründlich auf den Zahn fühlt. Nathan Haines, Till Brönner, Joy Denalane und Erik Truffaz u.v.a haben ihm mit Rat und Tat zur Seite gestanden. Ein Gespräch mit Matthias Vogt war nicht zu verhindern…

Gregor: Welche Idee steckt hinter [re:jazz]?
Matthias: [re:jazz] ist die infracom-jubiläumsplatte. das frankfurter elektronik-label feiert damit die 100ste veröffentlichung und die labelmacher, jan hagenkötter und namæ leonhard-vaughn, sind gleichzeitig 10 jahre zusammen am werkeln. ein doppeltes jubiläum also. es war beiden aber zu banal ein einfaches greatest hits-album herauszubringen. als sie ein live-konzert meines jazz-trios sahen, wo wir eins der infracom-stücke „verjazzten“ war die idee geboren: ein ganzes album mit
jazz-versionen von infracom-stücken!

Gregor: Eine allzu klare Adaption des Originals wird schnell langweilig. Worin liegt die Schwierigkeit/Herausforderung, Songs neu zu interpretieren?
Matthias: zunächst ist genau das natürlich die herausforderung: die stücke neu zu interpretieren! die entscheidung darüber, welche aspekte betont werden, welche gekürzt oder weggelassen werden; dem original den eigenen stempel aufdrücken und all das. manchmal muss man aber auch den mut haben, das original für sich sprechen zu lassen. diese entscheidungen machen den reiz der sache aus.

Gregor: Insgesamt haben sechzehn Musiker an dem Album mitgearbeitet. Ein Projekt dieser Größenordnung braucht eine starke Hand. Wie sieht deine Arbeit als Komponist aus?
Matthias: starke hand, na ja. ich war der „musical director“ in diesem projekt, hatte die entscheidungsgewalt über die musikalische seite und volles mitspracherecht bei stücke- und gastmusikerauswahl. (deshalb spielen auch viele meiner lieblingsmusiker mit: nathan haines, joy denalane, erik truffaz…) von daher konnte ich [re:jazz] natürlich voll meinen stempel aufdrücken. aber persönlichkeiten wie till brönner, linda carriere, lisa bassenge usw. machen da natürlich voll ihr ding. sollten sie ja auch! da kann man nur einfluss nehmen, indem man ganz auf die musik fokusiert ist und voll darin aufgeht, um die begeisterung für das projekt zu transportieren. und es hat mich natürlich riesig gehyped, diese traummusiker im studio zu sehen, wie sie meine noten spielen!

Gregor: Viele zeitgenössische Musiker gehen den umgekehrten Weg: Auf der Suche nach innovativen Klängen läuft vieles über die Festplatte. Du präsentierst dich auf [re:jazz] als Dogmatiker. In welchem Spannungsfeld liegt deine Arbeit?
Matthias: inwiefern als dogmatiker? klar ist die besetzung der band konsequent akustisch, und das hat dann vielleicht musikalisch eine gewisse formale strenge. aber ich denke die braucht es, damit [re:jazz] als einheitlich klingendes und gut durchhörbares album rüberkommt. die originale sind stilistisch und klangästhetisch so unterschiedlich, wir fischen in so verschiedenen gewässern und haben so viele einflüsse vereint, dass jedes dogma da auf der strecke bleiben muss. überhaupt ist purismus auf dauer der tod jedes genres.

Gregor: Der Name ist Programm: [re:jazz] gibt die Linie des Albums klar vor. War früher als besser?
Matthias: wann genau ist früher? wenn es ein grundsätzliches missverständnis in der rezipierung elektronischer musik gibt, dann ist das wohl die tatsache, dass diese musik immer „innovativ“ sein muss. ich kann das nicht mehr hören, und elektronische musik ist seit mitte der neunziger auch nicht mehr in dem maße „innovativ“ wie sie es fünf bis zehn jahre davor war. wir gehen nicht zurück, sondern betrachten musik aus einem anderen blickwinkel. und genau das hat zeitgemäßer jazz immer gemacht. „früher war alles besser“ – eine theorie die nie bewiesen wurde – trotzdem, natürlich macht man musik zwangsläufig immer mit beziehung zur vergangenheit. es gibt keine geschichtslose musik. wir mussten uns folgendes fragen: wo setzen wir an? wie klingt unser jazz? machen wir jazz-versionen im geiste z.b. von bill evans, von miles davis oder meinetwegen von esbjörn svenson? nummer für nummer haben wir also eine richtungsentscheidung getroffen. schlussendlich steht aber die hoffnung, dass es ein matthias vogt trio album geworden ist. eine eigene
definition von jazz, eine re-definition von elektronik. re:jazz!

Gregor: Mit Infracom! Records hast du anscheinend genau das richtige Label für dein Projekt gefunden. Ist mit dem vorliegenden Album der Brückenschlag zwischen Club und Akademie hergestellt?
Matthias: nein. geht das? ich freue mich natürlich, wenn die platte im club läuft, oder in der akademie anwendung findet. primär ist re:jazz aber ein album für zuhause. für den kopfhörer oder das wohnzimmer.

Gregor: In welcher Lebenssituation ist die Musik des Albums lebensrettend?
Matthias: wäre natürlich toll, wenn sie das könnte! das album dürfte aber sowohl als seelentröster oder auch als laune-bringer wirken.

Die Tracks:
Quiet Nights (Original by Hacienda)
Cupid & Orlando (Original by Aromabar)
Release your Mind (Original by Soulpatrol)
Swoundosophy (Original by Marshmellows)
People Come Running (Original by Taxi)
Mental Strength (Original by Megashira)
Second Sight (Original by Phoneheads)
Style (Original by Jet Set Productions)
My Love is Higher (Original by Slop Shop)
Torch of Freedom (Original by Cleveland Watkiss)
Arena (Original by Kosma)
The Way I Swing (Original by DJ Matt)
La Mouche Lumiére (Original by Shantel)

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