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September 2005

Podcast Sunday Service

Der Sunday Service stellt neurdings seine Sendung ins Netz. Den Stream gab es ohnehin schon länger, jetzt gibt es Deutschlands beliebteste Lokalradiosendung auch als Podcast.

Monsters

Letztens auf dem Monsters of Spex gewesen. Meine Rückkehr ins Festival-Geschäft nach mehr als fünf Jahren. Der Kölner Jugendpark war da genau das Richtige: geniales Line-Up, kaum, aber genug Zuschauer, konzentrierter Festivalablauf, kein Tattoostechen und auch keine ostarabischen Falafelbuden. Understatement, soweit das Auge reicht. Dafür Bands, die gut aufgelegt waren. Schöner geht es eigentlich kaum. Der genaue Ablauf:

Freitag, 26. August 2005: The Go! Team, Hot Hot Heat, The Arcade Fire, Dinosaur Jr.

Samstag, 27. August 2005: Hund am Strand, Benjamin Diamond, Annie, Hard-Fi, Tomte, Maximo Park, Saint Etienne

Hot Hot Heat • Köln • Freitag, 26. August 2005 Hot Hot Heat– Brillantes Festival-Schedule. Alle Bands stehen an diesem WE etwa gleich lang auf der Bühne. Die Veranstalter scheinen sich bei der Zusammenstellung etwas gedacht zu haben. Macht ja auch eigentlich kaum Sinn, Dinosaur Jr. länger spielen zu lassen als Hot Hot Heat oder Hard-Fi. Gefühlte Headliner sind sie ohnehin alle. Hot Hot Heat spielen am frühen Abend. Um mich herum kaum Gedrängel und perfektes Festspielwetter. Dass Sänger Steve Bays auf Photos häufig den Dandy mimt, gereicht ihm auf der Bühne kaum zum Nachteil. Im Gegenteil: Orangeroter Lockenkopf, schmuckes Tweed Jacket und entkrampfte Gesangsposen wirken sympathisch. Euphorie schallt aus den Boxen, denn nichts anderes steckt in den Songs der Kanadier. Hot Hot Heat sind Hymnenschreiber. Keine einfachen Hymnen, auch keine für die Massen, dennoch werden sie Musikgeschichte schreiben. Ihr neues Album »Elevator« lässt keine andere Schlussfolgerung zu.

Arcade Fire • Köln • Freitag, 26. August 2005 Arcade Fire – Ein einziges Lied kenne ich von Arcade Fire. Nicht gerade viel, um mit hohen Erwartungen vor die Bühne zu treten. Die ersten Takte der Musik verstummen hinter dem, was ich sehe: Ein gutes Duzend Musiker macht sich da auf der Bühne breit, Geiger, Trommler und Sänger tummeln sich neben Gitarre, Bass & Schlagzeug. Meine erste Assoziation: Ihr Aussehen ist der Horror, eine Mischung aus den Zeugen Jehovas und der Kelly Family. Es dauert allerdings nicht lange, bis diese Unstimmigkeiten abgelegt sind und ich in die Harmonielehre der Songs eintauche, die im Laufe der Zeit den schönsten musikalischen Rausch heraufbeschwören, den ich in diesem Jahr hatte. Eingängig, ohne einfältig zu sein, und perfekt aufeinander abgestimmt. Nach drei Songs bin ich bereit, ihrer Sekte beizutreten. »Rebellion (lies)« und »Wake up« sind Killlertracks, so viel steht fest. Süße, kleine Melodiemonster. Konzert des Jahres! Auf Album nicht ganz so stark, wie sich am Wochenanfang herausstellen soll.

Dinosaur Jr. • Köln • Freitag, 26. August 2005 Dinosaur Jr. – Handwerker. Alte Männer, die ihre Gitarren traktieren. Soli und geschundene Effektgeräte – schlechte Laune. Bei aller Freundlichkeit, die mir bisher auf dem Festival entgegenschlug, geradezu erholsam, den langhaarigen Muffel Mascis auf der Bühne zu sehen. Ab und an zeigt sich auch sein Gesicht hinter der Schleiermähne. Von Glamour keine Spur. Stattdessen Trainingsjacke und Outstyle-Shirts. Mascis stimmt nach fast jedem Lied seine Gitarre. Sekundenstunden, die das Geschehen in Episoden zerlegen. Nach guter Stimmung ist ihm offensichtlich nicht. Es macht dennoch Spaß, all diese Brüche zu ertragen und sich mit Schmutz bewerfen zu lassen. Großen Spaß sogar. Dieses Konzert ist ein Klassiker, vollgepumpt mit Nostalgie und entzückenden Empfindsamkeiten. Für Thirtymaybes. Barlow und Murphy stehen übrigens auch auf der Bühne. Man tut ihnen großes Unrecht, sie hier nicht zu erwähnen. Mascis ist nun mal der Dominus der Band.

Annie • Köln • Samstag, 27. August 2005 Annie – Pop. Gemacht für große Bühnen. Kylie Minogue soll ihr musikalisch nahe stehen. Dämpft natürlich im Vorfeld meine Erwartungen. Songs kannte ich keine von ihr und das gute Pressefeedback der letzten Monate habe ich bisher ignoriert. Annie kommt aber nach wenigen Takten zu ihrem Recht. Der Vergleich hinkt, und zwar gewaltig. Mein Freund und Festivalbegleiter Sebastian räumt bereitwillig ein, dass sein Spott sie fälschlich traf. Fortan sind wir beide auf Pop. Timo Kaukolampi vom finnischen Elektro-Duo Op:l Bastards und Teilproduzent des letzten Albums, startet in seinem Maschinenpark die Beats, während Annie eher verschüchtert gegen die Helligkeit der Nachmittagssonne ansingt, die so gar nicht zu der Musik passen will. Später wird sich herausstellen, dass St. Etienne die falschen Headliner waren. Diese Ehre gebührt in Zukunft der Norwegerin. Steht zu hoffen. Hit und Konzert-Höhepunkt: »Helpless for love«. Wird vielleicht mein erster Ringtone.

Hard-Fi • Köln • Samstag, 27. August 2005 Hard-Fi – Bereits das zweite Konzert der Kindsproleten aus Staines/UK innerhalb weniger Wochen. Schon beim ersten Mal war irgendwie klar, dass da angehende Superstars vor mir stehen, sagen wir mal in der Kategorie Supergrass. »Hard to beat« wird ganz sicher die Hymne des Jahres, und auch die anderen Songs des Albums haben Hitpotential. Man verbringt während des Auftritts viel Zeit damit, über England nachzudenken, über ihre Poptradition und darüber, wie viel besser es ihnen gehen muss damit. Hard-Fi sind der Prototyp dieser Klischees. Ihre Gesten und Posen sind angeborene Britpoprituale, die den Jungzwanzigern den perfekten Rahmen verpassen. Wayne Rooney schießt einem durch den Kopf. Der hässliche Angelsachse – schüchtern, asozial, gewaltbereit. Herrlich. Gitarrist Ross Phillips etwa, der über das komplette Konzert hinweg sein Kaugummi mit Bier versetzt, oder Bassist Kai Stephens, dem ohne jeden Zweifel die Provinz ins Gesicht geschrieben ist. Der blauäugige Sänger Richard Archer ist Sympathieträger der Band. Und der kommende Mädchenschwarm. Irgendwann wird an die Stelle seines korrekten Woolworth-Stylings gehobene Schneiderkunst treten. Leider. Fazit: Klasse gemacht, Jungs!

Maximo Park • Köln • Samstag, 27. August 2005 Maximo Park – Maximo Park. Hits. Glamour & Sophistication. Der Auftritt festigt meinen Eindruck, es hier mit der vielleicht besten englischen Band der Gegenwart zu tun zu haben. »Apply some pressure«, »Going missing« und »Limassol« sorgen für die bisher beste Festivalstimmung. Manche im Publikum tanzen sogar. Und mit dem Fuß wippen tun sie nun fast alle. Am Ende des Auftritts weiß keiner so genau, wie’s weiter gehen soll. Laut Maximo Park sind alle Lieder gespielt, Zugaben hat es keine mehr. Sind halt noch nicht so lange zusammen. Die Band zieht ab und jeder versteht. Das Fest ist vorbei, der Headliner St. Etienne Makulatur. Sänger Paul Smith liegt am Ende dieses Wochenendes in der Sympathieskala vorne. »Netter Kerl« sagt dieses Lächeln. Und nett sind sie alle, das Publikum, die Bands und der überforderte thailändische Bratwurstverkäufer mit dem langen, grauen Bart. Großartiges Festival.

Eikman Mixes

Ganz hervorragender Minimalhouse-Mix von Eikman: High Rise Hotel, man beachte die Kommentare dort mit dem Hinweis zu zwei weiteren Mixen von ihm, die ich mir noch nicht angehört habe, aber gerade runterlade, weil das Line-Up schon einiges verspricht.