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Juli 2009

Die Ideen der anderen

Künstler, Konsumenten und die Musikbranche. Die in den Medien geführte Debatte über Internet-Piraterie, diesmal mit einem interessanten Beitrag im Tagesspiegel: »Die Ideen der anderen – Internet-Piraten gegen Copyright-Magnaten: kleine Einführung in die Ideologie des digitalen Freibeutertums« von Jens Mühling

[…] Zwei Fronten stehen sich gegenüber. Auf der einen Seite: Musikkonzerne, Filmstudios, Verlage und andere Unternehmen, die ihr Geld […] mit den Ideen anderer Menschen verdienen. Auf der anderen Seite: Millionen von Internetnutzern, die dieses Geschäftsmodell systematisch untergraben. Es ist ein asymmetrischer, unübersichtlicher Krieg. Ausgelöst hat ihn ein technologischer Entwicklungssprung, der den Unterhaltungskonzernen zunächst als Königsweg der Profitmaximierung erscheinen musste: die Digitalisierung. Sie hat es ermöglicht, Kulturerzeugnisse mit minimalem Kostenaufwand in verkaufsfähige Einheiten zu stückeln, sie unbegrenzt zu vervielfältigen und ohne herkömmliche Logistik rund um den Erdball zu verteilen. Die Unterhaltungsindustrie hat die Entwicklung dieser Technologie vorangetrieben – und sich damit ihr eigenes Grab geschaufelt.

Inzwischen nämlich stellt sich die Frage, wer eigentlich eine Industrie braucht, deren Produktionsleistung jeder Laptop beherrscht. Ist das Rohmaterial eines Kulturerzeugnisses erst einmal in Umlauf gebracht, kann es heute jeder Internetnutzer am Computer in ein konsumfähiges Produkt verwandeln. Wenn sich aber der industrielle Arbeitsaufwand der Verteilung und Vervielfältigung auf wenige Mausklicks beschränkt – warum soll dann der Konsument Geld für eine Leistung bezahlen, die er selbst erbringen kann? Mag dem einen oder anderen Internetpiraten unwohl beim Gedanken an die Künstler sein, die hinter dem Kulturprodukt stehen, so ist ihm die Daseinsberechtigung einer kulturveräußernden Industrie kaum zu vermitteln.

(Erschienen im gedruckten Tagesspiegel vom 30.06.2009)

Secret Chiefs 3

Neulich in meinem Postfach: »Als ich mitbekommen habe, dass die Secret Chiefs 3 aus San Francisco zum ersten Mal in ihrem 14-jährigen Bestehen auf Europatour gehen, dachte ich „wow, aber schade, dass sie nicht in Deutschland spielen“. Daher begann ich, alle möglichen Veranstalter anzuhauen, aber keiner kannte die Band und wollte sie buchen. Das Nachtleben ist eingesprungen und stellt den Saal. Ich stehe jetzt als Veranstalter alleine auf weiter Flur und versuche das Konzert ein wenig unter die Leute zu bringen, denn das ist echt gutes Zeug.«

Mit diesen Worten enden die Worte dieses Hilfeschreis. Ich kannte die Secret Chiefs 3 übrigens auch nicht. Das hat sich geändert. Dank MySpace natürlich. Jetzt gibt es nach zwei grösseren Anläufen also endlich die erste Europa-Tour. Mit dabei: ein Koffer voller Empfehlungen. Der Gitarrist und Multiinstrumentalist Trey Spruance beispielsweise komponierte bei der Faith No More-Platte »King For A Day… Fool For A Lifetime« die Gitarrenparts, ist Gründungsmitglied von Mr. Bungle und hat bei diversen John Zorn-Projekten (Cobra, Masada, etc.) sowie bei Melt Banana, Otto von Schirach, Eyvind Kang und Asva seine Finger mit im Spiel gehabt. Außerdem betreibt er das Label Web of Mimicry, das sich neben Mike Pattons-Label Ipecac zu einem Hort schick-schräger Musik gemausert hat. Weitere Mitglieder der Secret Chiefs sind u.a. Ches Smith (Xiu Xiu, Marc Ribot’s Ceramic Dog), Shahzad Ismaili (Tom Waits, Graham Haynes, Laurie Anderson) und Timb Harris (Estradasphere). Die Musik der Secret Chiefs 3 ist ein Mix aus Surf, türkischem 70er-Psychedelic-Rock, nahöstlicher und indischer Folklore, Elektronika, Easy Listening, Filmmusik à la Ennio Morricone und Death Metal/Grindcore/Avantgarde-Jazz.

Sweet Skulls

Die Kunstwelt von David Sykes. Der Totenkopf ist vor allem eins nicht: geschmacklos. Und hier geht’s zu seinem Portfolio.

 David Sykes Photography
Sweet skulls – Feb 24th 2009

David Sykes Photography
Light breakfast – Jun 18th 2009

The Dreamer . . . Made For Love

José James Es war das beste Jazz Konzert aller Zeiten. Zumindest in Frankfurt, im Enzo und 2008. Nach dem Auftritt waren sich alle einig, etwas Besonderes gesehen und gehört zu haben. Das lässt sich nicht toppen. Den Spätgeborenen, Zweiflern und Ewiggestrigen bleibt es jetzt selbst überlassen, am Donnerstag darauf zu hoffen, dass der legendäre 12. Januar 2008 sich wiederholt. Dann nämlich gastiert José James zum zweiten Mal in der Stadt und es ist das vorerst einzige Konzert des New Yorker Ausnahmetalents in Deutschland. Jan Hagenkötter und Michael Rütten (jazznotjazz) haben den Mann in die Stadt geholt. Ihre letzte gemeinsame Veranstaltung vor der Sommerpause. Noch einmal richtig schwitzen, bevor es in den Urlaub geht.

gms: Welche Erinnerung hast du an ihn und sein legendäres Konzert im Enzo?
Jan Hagenkötter: Bei seinem letzten Auftritt stand José James knapp drei Stunden auf der Bühne, davon mindestens 30 Minuten ohne Begleitband. Nur er mit seiner Stimme. Großartig! Es gibt nicht viele Musiker, die so nah am Publikum dran sind, mit dieser Ausstrahlung und einer klasse Band im Rücken!

gms:
Sein Quartett gilt als brillant.
J.H.: Das kann ich nur bestätigen. Er hat eine europäische und eine amerikanische Band, mit der er spielt. Morgen steht er mit Gideon Van Gelder (Piano), Richard Spaven (Drums) und Glenn Gaddum (Bass) auf der Bühne. Alle drei gestandene Jazzmusiker aus UK und Holland. Deep!

gms: Ohne Gilles Peterson wäre José James womöglich nie entdeckt worden. Zwischenzeitlich hat er seinen Job sogar an den Nagel gehängt, weil der Erfolg ausblieb. Warum hat man es heute so schwer?
J.H.: Jazz erfordert, dass man zuhören kann. Das ist in unserer heutigen Zeit mit der »nebenbei«- und »mal kurz reingezappt«-Mentalität schwieriger geworden. Nicht nur für Jugendliche. Man kann es auch an sich selbst beobachten. Das Publikum wird auf Konzerten schneller unruhig. Das ist schade. Bei José James muss man sich fallen lassen. Da steckt viel Soul drin und manchmal spürt man sogar eine gewisse Spiritualität. Es kann auch nicht schaden, eine gewisse Hörerfahrung mitzubringen, um sich öffnen zu können. Jazz bedeutet auch ein Stück Freiheit. Dafür hilft es, die Geschichte des Jazz zu betrachten und vor allem: Jazz zu hören! Ich bin, wie viele andere meiner Generation, über die Fusion mit Clubmusik Anfang der 90er zum Jazz gekommen. Klar hilft es auch, wenn man eine musikalische Ausbildung hat, um z.B. die Feinheiten des Solospiels besser zu antizipieren. Aber im Falle von Vocal Jazz ist das nicht so schwierig.

Wegen der großen Nachfrage sei hiermit noch mal gesagt, dass es auch Karten an der Abendkasse geben wird. Der Vorverkauf sei trotzdem empfohlen! Das Konzert beginnt um 22:00 Uhr, Einlass ist ab 21 Uhr!

José James Quartett (MySpace)
»The Dreamer . . . Made For Love«
an exclusive club appearance of THE jazz voice of today!
Donnerstag, 02.07.2009 · Sinkkasten · Frankfurt