Zum Inhalt springen

Mia Doi Todd — The Golden State (Sony Music)

Die in L.A. lebende Singer/Songwriterin Mia Doi Todd hat sich in den letzten Jahren in Independentkreisen einen sehr guten Ruf erarbeitet. Bei uns ist sie dem ein oder anderen mit ihrer glasklaren, intensiven Gesangsstimme bereits als Gastsängerin auf den letzten Veröffentlichungen von Folk Implosion, Dntel oder der Beachwood Sparks aufgefallen.
Jetzt ist sie selbst mit einem eigenen Album zum ersten Mal auch bei uns im Plattenladen zu erstehen.

Mia Doi Todd hat es gewagt!: nach 3 auf Independent-Labels veröffentlichten Alben erscheint ihr 4.Album »The Golden State« bei einer großen Majorfirma. Für mich schon oft Anlass, mit reichlich Skepsis eigentlich liebgewonnene Musiker neu zu betrachten. Das Grundproblem: die Musikindustrie ist an aller erster Stelle an der Vermehrung von Geld und Macht interessiert und erst ganz ganz unten auf ihrer Liste (wenn überhaupt) findet man solch kluge Sätze wie: »Den Künstler in seinen musikalischen Bestrebungen die bestmöglichen Bedingungen und Möglichkeiten zur freien Entfaltung seiner Ideen zur Verfügung zu stellen.« Heraus kommt bei der üblichen Praxis im Regelfall ein auf ein bestimmtes Marktsegment vom Labelproduzenten zusammengeschustertes, gesichtloses Produkt ohne Ecken und Kanten, music for the masses und für die Wühltische dieser Welt eben und damit wenigstens für mich eine enttäuschte Hoffnung mehr.

Nicht so bei diesem Album: Produzent Michael Froom bekannt von seiner Zusammenarbeit mit Elvis Costello, Suzanne Vega und Sheryl Crow hat sich Mias Alben wohl genau angehört und verstanden, das man ihre im Grunde auf Akustikgitarre und ihrem Gesang basierenden Folksongs nicht die typischen, klischeebehafteten Sounds verpassen darf. Dass man die Fingerchen weglässt von all zu viel Studiospielerei. Sehr sparsam, behutsam, die Wirkung der sehr eindringlich vorgetragenen Songs unterstützend bereichert er Mias Songs in Intensität und Variabilität.

Herausgekommen ist ein Album mit unglaublich intensiven Songs und Atmosphären, die meisten in Balladenform, dominiert von Mias klassisch trainierter klaren Stimme und ihren poetischen, persönlichen, society-kritischen Texten. Bei Songs wie »Growing Pains«, »Independence Day«, »Like A Knife« bin ich schwerlich in der Lage, mich auf andere Dinge zu konzentrieren. Diese Songs fordern 100%ige Aufmerksamkeit, andächtiges Lauschen ist angesagt. So schön!

Es ist sehr schwer, Mia Doi Todd mit anderen Künstlerinnen zu vergleichen, denn selten so oft wie hier hinken alle Vergleiche. Trotzdem behaupte ich nun mal, dass sie vom Geiste her ähnlich einmalig ist wie Chan Marshall alias Cat Power, dass sie musikalisch einer Joni Mitchell ähnelt, dass sie eine Tori Amos stimmlich als auch textlich wie eine schwerst pubertierende 13jährige Gymnasiastin aussehen lässt, dass sie mit »The Golden State« für mich neben Songs:Ohia’s »Didn’t it rain« das Singer/Songwriter-Album des Jahres vorgelegt hat und last but not least: dass ich überhaupt keine Bedenken habe, dass diese Ausnahmekünstlerin ihren Weg und diesen erfolgreich gehen wird mit oder (was wahrscheinlicher ist) ohne Major-Plattenvertrag.

Schlagwörter: