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Die besten Alben 2012 – Plätze 3


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Sebastians No. 3:

Archive – With us until you’re dead
(Dangervisit / Cooperative / Universal, VÖ: 31.08.2012)

Seltsam: Alle Persönlichkeiten aus meiner unmittelbaren Umgebung, die sich für Musik interessieren, schätzen With us until you’re dead, aber die seriöse Musikkritik beachtet das Album nicht. Keine Ahnung, woran das liegt! Abwechslungsreiche mal prog-elektro-popig, mal trip-hopig aufbereitete Songideen haben mich das Album dutzende Male hören lassen. Und das für Archive Erstaunliche: Kein Song bläht sich über Maßen auf, so dass das Album als Ganzes funktioniert und damit auch die Existenz dieses Polls (Albumformat noch zeitgemäß?) als berechtigt erscheinen lässt!


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Rolands No. 3:

Ed Tullett – Never Joy
(Equal Vision Records, VÖ: 04.12.2012)

Sollten Sie unseren Podcast hören, könnten Sie diesen jungen Mann bereits kennen. Im April spielten wir nämlich zwei Stücke seines Albums „Never Joy“, das er 2011 selbst unter CC-Lizenz als Pay-what-you-want herausbrachte. Die wurde jetzt remastert und Anfang diesen Monats neu beim Label Equal Vision rausgebracht. Heißt also: giltet auch für 2012.

Ich absolut lie-hie-be diese Platte (und das Cover! Hätte ich gerne n Poster von), hier sind wir jetzt in der Komfortzone derjenigen Alben, die ich dann dieses Jahr auch tatsächlich in ausgiebiger Form gehört habe. Ed Tullett ist gerade mal 19 Jahre jung; er hat gerade irgendeinen von Bon Iver initiierten Musikwettbewerb gewonnen und das kann nun gar nicht erstaunen, denn der ist schon sein sehr, sehr deutliches Vorbild (just take the Fistelgesang). Das ist gut und schlecht, denn die Songs sind hier noch deutlicher Songs, was ja bei Iver immer mehr sich so in Song- und Soundfragmente auflöst (und Ed hat eine EP rausgebracht, die deutlich in diese Richtung geht, find ich aber schade, denn:) ich mag ja vor allem das erste Iver-Album deshalb, weil da die Tracks noch einigermaßen zusammengehalten sind (bzw. zwei der großartigsten Lieder der letzten 10 Jahre enthalten). So kriegt hier bei Ed im Vergleich noch „klassischeres“ Songwritertum, so mit Banjoklimper und allem, aber ich finde eben auch mit viel, viel musikalischem Talent.

Dass nun im Zuge der obigen Veröffentlichung die CC-lizenzierte auf Bandcamp vom Netz genommen und „einfach“ die Lizenz wieder geändert wurde, mögen wir ihm deshalb auch verzeihen. Leider fehlen aber auf der Neuveröffentlichung die Bonustracks, die ganz besondere Knaller waren. Aber auch so lohnt das Album. Sehr!

http://www.youtube.com/watch?v=63qx0LBlPCs

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Gregors No. 3:

Lauer – Philipps
(Running Back / Rough Trade , VÖ: 04.05.2012)

Das erste Mal in einem verlassenen Kino gehört, morgens um fünf und über Boxen, die Breite mal Höhe mal Tiefe Lastergröße hatten. Klang auf jeden Fall sauber und die knapp 700 Besucher, die dort Party, waren bereits Bett (»mit wirkungsvollem Risikomanagement sicher zum Projekterfolg«). Lauer neben mir, der die Tracks bei sich trug und für den Mann am Kehrbesen noch mal in die Anlage schob. Licht war noch aus. Plötzlich begann der Bodenteppich unter meinen Füßen zu schmoren und der Saal brannte vollständig aus. Seitdem die große Album-Konstante, speziell in der Jahresmitte. Wäre das hier die Champions League, Lauer wäre jetzt an Lindstrøm und Prins Thomas vorbeigezogen. Völlig unterschätzt, wenn ihr mich fragt.

Die besten Alben 2012 – Plätze 4


Grzzlbr

Sebastians No. 4:

Grizzly Bear – Shields
(Warp / Rough Trade, VÖ: 14.09.2012)

Auch Grizzly Bear haben sich mit ihrem neuen Album unauslöschlich mit meinem Lebensgefühl in diesem Jahr verwoben, an dessen so genannten Spätsommer ich mich nicht mehr ohne ihre dezent-raffiniert arrangierten, variantenreichen Songs erinnern kann. Keiner schüttelt Kombinationen aus Melancholie und Leichtigkeit so mühelos aus dem Ärmel! Bei akzentuiert eingesetzter Mehrstimmigkeit und viel Akustik-(freilich aber auch E-)Gitarrenklängen schimmern ihre American-Folk-Wurzeln durch und sorgen für eine Art Widererkennungseffekt. Unvergleichlich lässig, wie sie der Seichtigkeit immer wieder durch psychedelische Anwandlungen erfolgreich entflüchten. Was mir bei Veckatimest noch etwas kontingent erschien, ist jetzt einer stillen Größe gewichen!

http://youtu.be/fgohdpgxaXI

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Rolands No. 4:

phon.o – Black Boulder
(50 Weapons / Rough Trade, VÖ: 18.05.2012)

Ich glaube, ich schreibe dann auch jedes Jahr zu den Listen: eh nur Momentaufnahmen, wer weiß, was man alles verpasst hat und später noch kommt. Warum hatte ich zB letztes Jahr nicht das großartige „What?“ von Bodi Bill auf dem Schirm und das Jahr davor Mount Kimbies „Crooks & Lovers“ verpasst, beides Platten, die ich seitdem noch und nöcher gehört habe. Beide seien erwähnt, weil sie gut hierher passen, siehe gleich.

Und letztes Jahr: hatte ich nicht erwähnt, dass mich dieses „Post-Dubstep“-Zeug nicht so recht zu packen wusste? Jetzt, da diese Welle offenbar auch schon wieder rum ist, hat sich dessen Einfluss bei mir doch noch reingeschlichen, indirekt durch die Hintertür eines Nebengenres. Denn ich habe, so kann mans auch darstellen, vor allem exzessiv genau 2 Genres gehört (von einem spreche ich jetzt, das andere folgt auf den vorderen Plätzen). Geradezu manisch und exzessiv also alles was ich so in der UK Bass / Future Garage-Ecke finden konnte (und die Ecke könnte man eben auch nennen: Post-Dubstep, aber in echt zum Tanzen) – auch hier übrigens wieder die Radio-Funktion des Streamingdienstes, oder eben schlicht entsprechend spezialisierte Internet-Spartensender. Das konnte ich einfach so laufen lassen und war unterhalten, hab auch einen Mix meiner absoluten Highlights daraus gemacht, der bei mir hoch und runter lief, den ich nem Freund schenkte, der ihn verlor und mich späterhin geradezu anflehte, ihm eine nochmalige Kopie zu schicken, weil er ihn wieder unbedingt brauche usw. – aber ich schweife ab.

Jedenfalls: phon.o’s Album ist durchaus in dieser Ecke zu verorten, man könnte auch sagen: es ist eine einzige Wundertüte dessen, was man da in der Ecke so alles anstellen kann, ist also dann auch wieder das Gegenteil einer reinen Genreplatte. Sie macht einfach Spaß. Ich las bei Rezensionen, die Platte sei nicht ausreichend innovativ. Da sag ich nur: Innovation my ass (und stimmt auch gar nicht, ätschi). Im zweiten Track taucht übrigens auch noch Pantasz von Bodi Bill (siehe oben) als Sänger auf und so wird mein ungelenker Text zwar auch nicht rund, aber egal, hauptsache Ihr kapiert: Kopfnickerdance bis der Nacken schmerzt, ey!


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Gregors No. 4:

Perfume Genius – Put Your Back N 2 It
(Matador / Beggars Group / Indigo , VÖ: 17.02.2012)

Missbrauch, Gewalt, Alkohol- und Drogenprobleme und homophobe Anmache – die selbsttherapeutische Wirkung von Musik spürt man auch auf »Put Your Back N 2 It«, dem zweiten Longplayer von Mike Hadreas alias Perfume Genius. Das sagt natürlich einiges über die Grundstimmung aus. Traurig-schöne Balladen, die nicht immer auf Anhieb gefallen (sechs, sieben Mal muss man das Album schon hören), deren hohe Intimität und Intensität aber gerade deshalb beeindruckt. Klavier, Gitarre, Drumcomputer und ein bisschen Elektronik. By the way: Den von YouTube als familienfeindlich (»not family safe«) eingestuften Clip zu »Hood« mit Porno-Darsteller Arpad Miklos in der Hauptrolle bitte jetzt anschauen!

Die besten Alben 2012 – Plätze 7 bis 5


Sebastians No. 7:

Die Türen – Abcdefghijklmnopqrstuvwxyz
(Staatsakt / Rough Trade, VÖ: 10.02.2012)

Nach dem grandiosen Vorgänger konnte ich mir kaum vorstellen, dass „Die Türen“ noch einmal etwas veröffentlichen, was mich eine dreiviertel Stunde dauerschmunzeln lässt! Aber weit gefehlt, mein Nerv wird erneut genau getroffen! Textlich scheint weiter alles auf der Höhe zu sein, was kombiniert mit der musikalischen Mischung aus Funk, Disco-Beats, Soul-Gitarren und 08/15-Melodien erneut sehr geistreich erscheint! „Kaffeekränzchen mit Drogen als ultimativer Soundtrack zum Ende der Schwarz/Gelb-Ära“ (oder so ähnlich) habe ich einmal in einer Rezension zu „Abc […]“ als Überschrift gelesen. Das erscheint mir zu treffend, um es hier nicht zu zitieren!

http://youtu.be/YHRD8ZRTmtA

Rolands No. 7:

Bat for Lashes – The Haunted Man
(Parlophone / EMI , VÖ: 12.10.2012)

Natasha Khan macht ihr Bat for Lashes Ding und ich mache darauf meins: ihr Album in die Jahres-Top 10 wählen – so wie bei den beiden ersten, 2007 und 2009 (2009 hatten wir zwar keine offizielle Jahresbilanz, trotzdem). Das ist in meiner Geschmacksgeschichte schon eine außergewöhnliche Konstanz, tatsächlich fällt mir grad niemand ein, der diese Trefferquote erzielte. Fast wäre sie aber mit The Haunted Man nicht reingekommen. Denn beim ersten Hören dachte ich noch: naja, macht sie halt ihr Bat for Lashes Ding. Doch beim weiteren Hören schlichs sichs wieder ein. Verdammt, das Ding ist halt das Ding!


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Gregors No. 7:

Goat – World Music
(Stranded Rekords/Rocket Recordings, VÖ: 24.08.2012)

Manchmal muss man einfach nur zur richtigen Zeit aufs richtige Pedal treten. Goat aus Korpilombolo im tiefsten Nordosten Schwedens haben das gemacht, und schwupps: Wah-Wah is back, Schweineorgel, das ganze Rezept eben. Sie tragen Masken, treten vermummt auf und werden von einer mysteriösen Voodoo-Priesterin angeführt. Dass man damit immer noch oder gerade wieder lecker Kuchen backen kann, zeigt dieses phänomenale Debütalbum. Der Sirenengesang ist Magie: singkreischen, hier und da »na, na, naaa’s« und »oooooooohhhhs«, vom Turm herab brüllen – all das beherrscht sie aus dem Effeff. Erhabenheit steckt da drin und das Selbstbewusstsein eines ungelutschten Lollipops. Schmeißt mit Dreck, Leute, das hier ist die Geschichte der Stunde!


Sebastian No. 6:

Beach House – Bloom
(Cooperative / Universal, VÖ: 11.05.2012)

Wir erinnern uns: 2010 hat uns Beach House das Album beschert, was jedem, der seinen Pony lieber vor den Augen als abgeschnitten trägt, die Platte des Jahres bedeuten musste. Auffällig war dabei, dass kaum ein einzelner Track in der Polllandschaft auftauchte, was schlichtweg darauf zurückzuführen war, dass man sich aus zehn ähnlich grandiosen Songs für keinen einzelnen entscheiden konnte. Wofür also ein neues Album? Die Vorstellung, dass sich der Beach-house-Sound ändert, ist nämlich so absurd, wie wenn man dies von einer Reggae-Band fordern würde. Erstaunlicherweise wurde dann ein Album erstellt, das drei große Hits (Myth, Troublemaker, Wishes) aufweist, und zwar so große, dass ich mich am Jahresende kaum noch an die anderen Lieder erinnern kann. Soundmäßig erscheint wiederum das, was bei „Teen Dream“ noch lo-fiig klang, bisweilen etwas dick aufgetragen. Mich juckt´s aber nicht … Ach ja, was das Cover angeht, steht Bloom bei mir ganz vorne.


Rolands No. 6:

Dntel – Aimlessness
(Pampa Records / Rough Trade, VÖ: 05.06.2012)

2001 kam Dntels „Life of Possibilites“ heraus – was auch schon wieder unglaubliche 11 Jahre her ist. Damals ein ziemlich unterschätztes Album, auch von mir selbst. Es dürfte jedenfalls seitdem – rein was die Häufigkeit des Anhörens betrifft – einen einstelligen Popularitätsplatz in meiner Hörhistorie einnehmen (nur nebenbei: hat eines der besten Alben-Opener, die ich überhaupt kenne – und eins der schönsten Plattencover). Jetzt also mit Jahrzehntlücke wieder ein Album, dass daran anzuschließen weiß. Beim Anhören von diesem stellt sich bei mir eine seltsame synästhetische Erfahrung ein, die für mich mittlerweile als Dntel-typisch gilt: die Musik kommt mir „flach“ vor, was natürlich nicht abwertend gemeint ist, sondern soz. als geometrische Anmutung: so wie z. B. Stimmschlaufen und Restmusik ineinanderpassen / sich verweben, da wandelt man wie auf einem Prachtteppich aus Traumresten.


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Gregors No. 6:

Dan Deacon – America (Domino)
(Domino Records / Goodtogo VÖ: 24.08.2012)

Es gibt Bands, die Momente erschaffen, an die man Hängematten befestigen könnte – mit der Chemie der Euphorie. Arcade Fire können das, The Go! Team können das und Dan Deacon kann das. »America« ist das, was man gemeinhin als originell bezeichnen würde. Tausend Klangbausteine, die alles sein können: eine elektrische Fliegenklatsche, Rudertrommeln, eine Fahrradklingel, Sci-Fi Sounds aus dem 60ern usw. Mitunter mischt sich auch mal ein eigenartig geschlechtsloser Comic-Gesang unter die Sounds, alles geradeso abgemischt, dass sich hier niemand benachteiligt fühlt. Dan Deacon schichtet brillant, nicht vom Anfang bis zum Ende, aber egal.


Sebastians No. 5:

Bear in Heaven – I love you, it’s cool
(Dead Oceans / Cargo, VÖ: 30.03.2012)

Und noch so ein 2010-Nachleger, bei dem es sich aber genau umgekehrt zu Beach House verhält. Legten Bear in Heaven damals den passenden Soundtrack für süße Träume in Rauchschwaden hin, der von zwei großen Songs geprägt wurde, erweist sich I love you, it’s cool, dessen Größe sich mir erst nach vielen Durchgängen erschloss, weniger spektakulär und ohne hervorstechenden Hit. Stattdessen bietet I love you, it’s cool 80er-geprägten Elektropop in Moll, der gerade dadurch überzeugt, dass er nicht mehr sein möchte, sondern bloß Tanzmusik für die, die nicht tanzen möchten!

http://youtu.be/MbSovsg6O54

Rolands No. 5:

Lost in the Trees – A Church That Fits Our Needs
(Anti / Indigo, VÖ: 16.03.2012)

Es darf wahrscheinlich einfach nicht unerwähnt bleiben, dass das an Botticelli erinnernde Cover ein Jugendfoto der Mutter des Sängers zeigt, die sich 2009 umbrachte. Dieses tragische Ereignis wie Leben ist es, um das es in diesem Album geht, als unmittelbare Auseinandersetzung und Verarbeitung. Und auch wenn man diese sehr persönlichen Einflüsse in der Berichterstattung wohl nicht ausblenden kann, und vielleicht über die gegenseitige Wirkung von Schmerz und Schönheit spekulieren mag, so soll es für jetzt egal sein: das ist einfach schöne Musik und fertig.


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Gregors No. 5:

Wild Nothing – Nocturne
(Cooperative Music / Universal, VÖ: 24.08.2012)

Der 21jährige Songwriter Jack Tatum veröffentlichte im Sommer 2010 während seines Abschlussjahres am Blacksburg College im Bundesstaat Virginia mit »Gemini« eine der schönsten Pop-Platten des Jahres, die es so auch in den 80ern hätte geben können. Smiths, The Jazz Butcher, Felt, The Chills – da kommt ein ganzer Zirkus zusammen. Damals hätte man auch schon Dreampop dazu sagen können. Hat man aber nicht. Tatum, inzwischen fertig mit seinem Studium, ist von Blacksburg nach New York gezogen und hat mit »Nocturne« nachgelegt, und auch auf seinem zweiten Album bleibt er seinem Sound treu. Und viel wichtiger: Er hat erneut den richtigen Ton getroffen. My Melody!

Die besten Alben 2012 – Plätze 10 bis 8

Und hier wieder unsere Version des allseitigen Best-Of-Spiels zum Ende des Jahres, letzter Anker für Auflage und Aufmerksamkeit von Musikzeitschriften und -blogs. Um zu wissen, was wir gehört haben und was die anderen gehört haben, warum wir dasselbe hörten und warum wir nicht dasselbe hörten und so weiter und fort.


Sebastians No. 10:

Santigold – Master of my make-believe
(Warner, VÖ: 11.05.2012)

Nachdem mich die letzte Yeah-Yeah-Yeahs-Platte – von einem Hit abgesehen – nicht mehr so interessiert hat, stellt Master of my make-believe für mich sozusagen die zeitgemäße Transformation deren Sounds dar. (Tatsächlich singt Karen O. auf dem Opener ja auch mit.) Mal extrem hitig, mal erträglich nervig zwischen diversen Spielarten maximalpigmentierter und elektronischer Musik switchend, hat Santigold für mich das abwechslungsreichste und zugleich zugänglichste Disco-Album des Jahres erstellt!


Rolands No. 10:

The Aaron Boudreaux Special – Summer Between Somewheres
(Self Release, VÖ: 5.04.2012)

Als Gregor nach der diesjährigen Albenliste fragte, antwortete ich, dass ich dazu nicht in der Lage sei, weil ich schlicht keine 10 Alben ausführlich genug gehört habe. Ich bot halb im Scherz an, stattdessen „Wie Spotify meine Hörgewohnheiten zerstörte“ oder ähnlich zu schreiben (das kommt nun nicht, aber etwas ausführlicher als bei den beiden anderen wirds deshalb trotzdem). Das allmähliche Dahinsiechen des Albums, den Sinn und Zweck von so Zuchtpferdprämierungen haben wir die letzten Jahre jedes Mal kurz problematisiert und angesprochen, machen es aber trotzdem immer mit und weiter, denn andererseits: auch absurder werdende Regeln können Spaß machen.

Tatsache in meinem Fall aber (vereinfachend): ich höre keine Alben mehr, ich höre Streams (Internetradio, Genre-Channels, Dienste à la Spotify). Selbst meine Recherche für den Machtdose-Podcast, die Dreiviertel meines bewussten Musikhörens ausmacht, weil einfach sehr zeitintensiv, gehört dazu (RSS-Feeds-Abgrasen). Und das ganze Podcastdings war ja auch mal so eine bewusste Zuwendung zum Flüssigeren im Sinne von: drücke „Play“ und es ist allein die Musik die spielt und zählt. Dass in meinen Jahresendlisten bisher keine Releases auftauchten, die ich im Podcast hatte, war schon vorher etwas künstlich und wahrscheinlich dann doch irgendwelchen Relevanzkriterien geschuldet, die fürs eigene Hören eigentlich schon gar nicht mehr galten.

Musikjournalismus und Referenzseiten mit Punktirgendwas-Halbsternchen-Bewertungen jedenfalls verlieren so bei mir deutlich ihren Orientierungsnutzen. Im Versuch, meine Top10-Liste pseudomäßig mit Muss-man-gehört-haben-Wissen aufzufüllen, wurde jedenfalls deren genausoige Beliebig- und Gemachtheit nur nochmal allzu bewusst.

Nummer 10 dieses Jahr bei mir deshalb ein Fund, wie er mir irgendwie in die Kopfhörer kam, auch ein bisschen stellvertretend für all die wunderbaren Dinge, die überall rumliegen und angehört werden wollen. Irgendson Typ zieht in irgendsone Stadt und schreibt ein paar Musikstücke drüber, nimmt das mit ein paar Freunden auf, Booklet mit erklärenden Texten dazu, hochgeladen und fertig. Könnt Ihr Euch alle jetzt mal brav anhören, ist nämlich grad mal ne halbe Stunde lang, ganz für umsonst zu haben und für die Musik- und sonstige Welt vielleicht irrelevant wie nur was, aber dafür ganz wunderbar effektiv instrumentierte und impressionistisch arrangierte Musik, wie man sie sich hingetupfter kaum wünschen kann.


Gregors No.10:

Beach House – Bloom
(Cooperative Music / Universal, VÖ: 11.05.2012)

Das Weinerliche von Beach House hat auch 2012 dicke Tränensäcke unter die Augen gelegt, unlängst an einem vereisten Morgen, kurz nach sechs. Da hat’s dann gefunzt und »Bloom« ist auf die 10 gehüpft, gerade so. Für Experten und Übermorgenforscher ist der Beach-House-Sound durch, im Indiezirkus dagegen wird die Band aus Baltimore weiter ihre Kreise ziehen. Man darf trotzdem vorsichtig fragen: Wann wird’s endlich wieder hart?


Sebastian No. 9:

Hans Unstern – The great Hans Unstern swindle
(Staatsakt / Rough Trade, VÖ: 26.10.2012)

Hans Unstern untermalt ein weiteres Mal unerhört perspektivenreiche, mal ironisch-exhibitionistische, mal eher dadaistische Texte voll interessanter (absoluter) Metaphern mit insgesamt leicht kakophonisch Klingendem. Das Ganze präsentiert sich teils wie von einem kleinen Kammerorchester, teils singer-songwriter-, ja folkmäßig. Dazu singt eine extrem nerdige Stimme. Dass bei alldem dennoch ständig musikalisch auch wirklich schöne Momente aufblitzen, versüßte mir sonnenlose Novembertage!


Rolands No. 9:

Au – Both Lights
(Leaf / Indigo, VÖ: 04.05.2012)

Ich befinde mich immer noch im Dilemma: wie bekomme ich denn nur 10 Alben voll, nachdem ich mich durch zig Angesagt-Alben hindurchhörte und nix zündete so wirklich? Dies hier fand sich wie folgt: packe deine bisherige Lieblingsmusik des Jahres beim Streamingdienst deiner Wahl in einen Ordner und drücke die Radiofunktion – und dann kam das und gefiel mir tatsächlich, sogar sehr.

Hat sich nicht letztens Johnny Häusler lustig gemacht über die Schwachheit solcher Algorithmen? Nun, die mögen noch immer nicht so funktionieren, mit wachsender Userbasis und weiterem Austarieren durch Programmierung steht aber zu erwarten, dass sie sich weiter verbessern. Sie gehen jedenfalls z. B. auch schon da recht gut, wo man sich verstärkt Genres u. ä. zuwendet – was durch das Streamhören sowieso schon gefördert wird, meine ich – und man sich noch in die letzten Verzweigungen von Ähnlichkeitsgebieten über so Funktionen hineinbohren kann. Natürlich wird dabei die Auswahl durch undurchsichtige Kriterien vorgegeben, aber wo wäre das jetzt großartig bei anderen, „menschlich“ erzeugten Filtern (also nochmal: Presse-/Bloglandschaften)

Was haben wir also hier? Ein Duo aus Portland, das mir zuvor gar nichts sagte, aber ist jetzt deren drittes Album. Folkstuff irgendwie, aber teilweise mit recht reichem Instrumentenpark, marschiert dann zwar in Minimalschritten, aber stellenweise durchaus im Bombast. Geht doch alles ordentlich abwechslungsreich vonstatten und ich nenne jetzt als Könnte-dir-gefallen-wenn-Referenz, auch, weil mir grad nicht mehr einfällt, einfach Mal Cloud Cult oder Manitoba, als der noch so hieß.


Gregors No. 9:

Jon Talabot – ƒIN
(Permanent Vacation / Groove Attack, VÖ: 27.01.2012)

Ich kann es mir nicht verkneifen und trotzdem muss ich fragen: Spanier? Das Land ist ja nicht gerade das Zentrum des Turnschuhs. Trotzdem: von Handclap bis Hoppelhops alles dabei, was ich an einem guten Album mag, nur nichts Spanisches. Der englische Plattenhändler Rough Trade umschreibt es unterhaltsam nichtssagend: »ƒIN« ist eine Mischung aus Balearic Boogie, French Funk, britischem Bass After-Dark, frühem deutschen Deep House und einer symphonischen Soundtrack-Klanglandschaft italienischer Prägung. In der Summe ist das dann wohl Multi-Euro Dance?


Sebastians No. 8:

Frank Ocean – Channel Orange
(Def Jam / Universal, VÖ: 20.07.2012)

Normaler- respektive kontingenterweise stehe ich nicht so auf R&B. Musste mich aber wegen des Hypes überzeugen und in dieses Album einarbeiten. Was ich entdeckt habe, ist ein faszinierender musikalischer Kosmos, der von elektronischem Gefrickel bis zum traditionellen so genannten Song reicht und dabei ganz große Gefühle offenbart! Ein Glück, dass es diesen Poll gibt, sonst hätte ich mir diese Platte nicht so viel weitere Male zu Gemüte geführt!


Rolands No. 8:

Christian Löffler – A Forest
(Ki Records / Rough Trade, VÖ: 15.06.2012)

Vor zwei Jahren schrieb ich über mein damaliges Nummer 1-Album: „Das einzige, was mich wundert ist, warum es nicht mehr solcher Alben gibt…“ Und jetzt haben wir ihn also, den Nachfolger von Pantha-Du-Princens „Black Noise“. Ich kann mir jedenfalls nicht vorstellen, dass nur irgendeiner auseinanderhalten könnte, welcher Track zu welcher Platte gehört, wenn er sie nicht vorher kannte, so kongruent ist das miteinander. Was ganz wunderbar ist, weil so Klingklang-Techno im Glitzer-Eisregen einfach meins ist. Und – okay, langsam langweile ich wahrscheinlich – perfekte Streammusik, weil: plätschert so schön vor sich hin. Gibt derzeit jedenfalls kaum besseres, als im Morgendunkel damit zur U-Bahn zu stapfen…


Gregors No. 8:

Grimes – Visions
(4AD / Beggars / Indigo, VÖ: 09.03.2012)

Claire Boucher alias Grimes hat so ziemlich alle Folien übereinander gelegt, die man zur Erstellung eines Phantombildes benötigt. Obendrein hatte sie das Glück, dass die Welt dem Großmeister der Re-/Dekontextualisierung Begriffe andichtete, die den Erwartungswert nicht weiter als Wahrscheinlich-keitsmaß definiert. Witch House + Hypnagogic Pop + Visual Kei + Digital Native + Seapunk = Die Neuerfindung von Pop im Jahr 2012. Ein Identkit für die Heiligsprechung mit 25. Ich weiß gar nicht genau, ob ihr auch jemand zugehört hat. Lady Gaga ist ja auch nur zum Gucken da.

In The Jungle

Elliphant – »In The Jungle« directed by Bill Schumacher. Policemen who escort a wildly gesticulate techno child in a trolley, rocking Santas who overrun them right in the middle of the clip and a number of strange interludes – In my opinion, one of the best clips of this season so far.

Top Music Videos – Spring 2012 pt. TWO

Two weeks ago I started with my first review on some selected music videos which were published in the spring. Now we continue with part two…

1. Portugal. The Man – »All Your Light« directed by Dan Brown. The music video review begins once more with a gruesome short. A young boy is walking on a meadow with a bloody bag in his hand. In the following, a scary story around a dirty trailer park begins. By the way: a wonderful song.

2. Jack White – »Sixteen Saltines« directed by AG Rojas. Jack White has released a video for »Sixteen Saltines« filled with flaming cars, self-asphyxiating burnouts, creative drug use, property destruction and plenty of other bizarre occurrences. Needless to say, hard but pretty amazing.

3. Woodkid – »Run Boy Run« directed by Yoann Lemoine. It is difficult to understand the intense work of Yoann Lemoine, the level of passion he has. Stylistically at one with the Iron video, every shot is crafted beautifully. I was a little surprised he did the same again. But it works.

4. Grimes – »Oblivion« directed by Emily Kai Bock. Claire Boucher alias Grimes is planning a video-cycle for all 13 album songs. »If music is the main course, then the video is making my dessert« she says. »Oblivion« shows my weakness for half-empty motocross stadiums, cheerleading and floodlights. Besides, this one is my favourite from »Visions«

5. M.I.A. – »Bad Girls« directed by Romain Gavras. Based on the criticism of M.I.A.’s »Born Free« video two years ago, her situation was not quite as simple. A longtime critics‘ favorite lost her crown. Her symbols were too bold and too stereotyped. Nevertheless, the mood of the fans was at its best. The video has garnered over 10 million views on YouTube and a ton of attention. It shows M.I.A. in a desert location, surrounded by women in leopard bodysuits. Men in white garments stand on water pipes by the side of the road and watch two BMWs doing high-speed stunts. Brilliant!

Top Music Videos – Spring 2012 pt. ONE

The best hits and clips of the last weeks. A selection of my personal highlights.

1. Liars – »No.1 Against The Rush« directed by Todd Cole. The series of creepy short stories still continues. »No.1 Against The Rush« is about a serial killer while performing his work. Very impressive and loaded with gorgeous suspense.

2. Hot Chip – »Night & Day« directed by Peter Serafinowicz. Hot Chip produce significantly better clips than making music. This one could become one of the best dance clips these days. British comedian Peter Serafinowicz directed and choreographed that masterpiece and guest star Reggie Watts plays the leading role in this awesome and very alien-esque scenario.

3. Modeselektor & Thom Yorke – »This« directed by Andrew Jones. Once again Modeselektor in a collaboration with Thom Yorke, on a song from their latest album »Monkeytown«. The clip shows a black-clad puppeteer performing a twisted marionette dance as various toys seem to amp up the angst in the background. Very atmospheric.

4. Benga – »I Will Never Change« directed by Us. Great concept for a video for »I Will Never Change« by Dubstep producer Benga. 960 independent pieces of vinyl have been measured, cut and animated with utmost care to create a real-life model of a waveform. The experiment is fascinating and reminds me more of a scientific research.

5. F.S.K. – »Lady Chatterley« directed by Juno Meinecke und Jonas Spriestersbach.

Lifeless but ON, trolling is the only emotion that is suggesting moderate activity. The clip is a quiet observation of how your body is functioning in front of a computer. Song is taken from the new F.S.K. album »Akt, eine Treppe hinabsteigend«.