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The Cinematic Orchestra – Every Day (Ninja Tune)

„To me this album provides an opportunity to measure the openness of the critical mass.“ (Gilles Peterson) Welch‘ wunderbare Idee, die Mr. Peterson, überaus bekannter britischer Radiomoderator und weitgereister DJ, im Vorwort zum neuen Album des CINEMATIC ORCHESTRA uns da offeriert? Musik, nicht nur des Hörgenusses wegen, nein, Musik als Wegbereiter neuer Klanghorizonte, eine Lerneinheit in musikalischer Emanzipation. Begründet ist diese Hoffnung im Wirken von Jason Swinscoe, 30jähriger Schotte, Ex-Kunststudent, Ex-Auslandsbooker bei Ninja Tune und Kopf des CINEMATIC ORCHESTRA.

Swinscoe, der vor einigen Jahren noch als Bassist einer american-styled-Hardcoreband tätig war, verbindet nunmehr Jazz, Filmmusik und Elektronik in selten erreichter Stimmigkeit. Viele Berührungspunkte wären hier zu nennen: Digitales Gezirpe, Piano, Streicher und relaxte Bläsersätze, Drumcomputer und Jazzbesen harmonieren in perfekter Symbiose. Hier ist das Ganze wirklich einmal mehr als die Summe seiner Teile. Beginnend mit einem Harfensolo (!) darf sich über 60 Minuten Atmosphäre entfalten, Raum und Zeit scheinen losgelöst von von allen Reglementierungen. An der Schnittstelle zwischen MILES DAVIS, HENRI MANCINI und der NINJA TUNE-Szene von London entwickelt sich ein musikalisches Pararlelluniversum voller Wärme, Tiefe und (gelegentlicher) Ausbrüche. Wie schon auf dem 1999 datierten Debütalbum
‚Motion‘ gelingt es Swinscoe aus analog eingespielten Tonspuren digitale Meisterwerke zu formen. Alle Instrumente werden von Jazzmusikern eingespielt, deren Tonspuren im Computer in kleinste Teile zerlegt, neu arrangiert und wieder zusammengefügt werden, eine Vorgehensweise, die ebenso ungewöhnlich wie erfolgreich ist. Genresprengende Musik von der Festplatte, laszive Eleganz, so analog und unvermittelt klingend, als würde man ein Konzert in einer verrauchten Jazzkneipe miterleben.
FONTELLA BASS, spätestens seit ihrem Hit ‚Rescue me‘ von 1965 im kollektiven Gedächnis der Soulgemeinde, verleiht mit ihrem Gesang dem Album zusätzliche Intensität. Wem ‚All that you give‘ keine wohligen Schauer über den Rücken jagt, muß ein Eisklotz sein (oder taub). Als Gegenpart hierzu rezitiert der englische Rapper ROOTS MANUVA ungleich zurückhaltender, aber nicht weniger beeindruckend. Seine Stärke liegt eher in den gehaltvollen Texten (so zu hören auf seinem neuen Album ‚Dub comes save me‘). Swinscoe und die seinen haben etwas geschaffen, das den Jazz vergangener Dekaden mit dem elektronischen Jetzt versöhnt, mehr noch, es entstand musikalisches Neuland. Dem Label NINJA TUNE gebürt der Dank für ihre Bereitschaft diesen Weg zu begleiten. Keine Eintagsfliege, denn mit dem Freejazzer CHRIS BOWDEN und seinen Interpretationen zu 4HERO-Stücken steht die nächste ungewöhnliche Veröffentlichung schon ins Haus. Und wenn das CINEMATIC ORCHESTRA nicht gerade bei Jazzfestivals oder anderen Konzerten aktiv ist, dann sitzt man im londoner Club namens ‚Loop‘, vertont dort live alte und neuere Filme. Der nächste große Wurf ?
„Give the people a choice and they might surprise you.“ (Gilles Peterson)
Ihr wollt ihn doch wohl nicht enttäuschen …
(Michael)

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