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Vashti Bunyan — Just Another Diamond Day

Das Ptolemaic Terrascope ist ein englisches Musikmagazin, das sich nun schon seit mehr als 13 Jahren mit überwiegend »psychedelischer Musik« von gestern und heute, will sagen der etwas anderen Art von Pop, Rock, Folk, Ambient beschäftigt und so etwa dreimal pro Jahr in unregelmäßigen Abständen erscheint. Das Schöne am PT ist, dass es sich diesen »Fanzine-Charakter« bewahrt hat, d.h. ein Heft von Fans für Fans, losgelöst von Hypes, Trends u. popkulturtypischer Schnelllebigkeit. Dabei immer kompetent, fundiert und mit einer Leidenschaft, Begeisterung und Entdeckungslust an dieser Musik und nicht am Abarbeiten der eigenen Profilneurosen interessiert. Für mich bedeutet das pro Ausgabe wochenlang höchst interessanten Lesestoff zu haben und mich auf musikalische Entdeckungsreise zu begeben. So habe ich schon viele mir mittlerweile sehr ans Herz gewachsene Bands u. Musiker entdecken können, von denen ich sonst nie erfahren hätte.

Seit einiger Zeit liegt jeder Ausgabe ein Tonträger bei, zunächst waren es Singles, mittlerweile Compilation-CDs mit Tracks der in den jeweiligen Ausgaben besprochenen Musikern. Auf einer dieser Compilations befand sich auch ein Song von Vashti Bunyan, der mit seiner nahezu außerirdischen Schönheit auf der CD herausragte. Eine verzweifelte Suche nach mehr wurde irgendwann erfolglos abgebrochen — okay! gibt es nur England — schweineteuer — selbst dort nur schwer zu bekommen. Letztes Jahr kam dann ein neues Piano Magic-Album heraus (»Writers Without Homes«, 4AD Records; Modern Indiepop vom Allerfeinsten!!) und zu meiner Überraschung singt eine gewisse Vashti Bunyan auf einem der Songs — das Entdeckungsfeuer wurde neu entfacht. Letztendlich hat mir ein Freund (Danke, Andreas!) das hier zu besprechende Album besorgen können. Vashti Bunyans erstmals 1970 erschienenes Album Just Another Diamond Day ist ein damals völlig untergegangener und dann in Vergessenheit geratener Folkpopdiamant.

Sie selbst hat sich nach Veröffentlichung des Albums frustriert und verkannt aus dem Musikbuisness zurückgezogen und lieber zusammen mit ihrem Lebensgefährten, ihrem Hund und dem vom Pferd namens Bess gezogenen Wohnwagen ihren eigenen (Hippie-)Traum von Freiheit, Ungebundenheit und »Unterwegs-und-eins-mit-der-Natur-sein“ gelebt und später eine Familie gegründet und keinen Ton Musik mehr geschrieben. 1997 bekam sie — dann doch schon einige Jährchen sesshaft und dreifache Mutter — Zugang zum Internet und gab einfach aus Neugierde ihren Namen in eine Suchmaschine und war völlig von den Socken von den vielfachen Treffern. Denn über die vergangenen 30 Jahre hat sich eine kleine aber ständig wachsende, enthusiastische Fangemeinde entwickelt, Höchstpreise werden geboten für ein Orginal von »Just Another Diamond Day«, über ihr »Verschwinden« kursierten die unterschiedlichsten Gerüchte. Record Collecter würden Frau u. Kinder verkaufen, um…

So ermuntert nahm sie Kontakt zu Paul Lambden auf, der u.a. alle Veröffentlichungen ihres damaligen Labels aufgekauft hatte. Gemeinsam machten sie sich auf die Suche nach den Masterbändern des Album und fanden sie weitestgehend unbeschädigt in einem Londoner Lagerhaus, wo sie unbemerkt seit über 30 Jahre lagerten. Fast wäre dieses Album doch nicht wieder veröffentlicht worden, denn auf dem Weg von besagtem Lagerhaus zu Lambdens Büro ging ein heftiges Gewitter nieder u. die Bänder wurden nass u. wem auch immer sei dank nur geringfügig beschädigt. Lambden gründete extra für dieses Album ein neues Label namens Spinney, auf dem das Album 2000 erschien und für glückseliges Durchatmen in der Fangemeinde sorgte.

»Just Another…« besteht aus insgesamt 18 Songs, 4 davon sind Extratracks aus ihrer Frühphase 1966-1969. Warum schreibe ich das alles? Wahrscheinlich weil ich immer noch nicht die richtigen Worte finde, um dieses Juwel von einem Album zu beschreiben. »Nick Drake in weiblich« schießt mir durch den Kopf. Diese Folkpopsongs strahlen eine zeitlose Erhabenheit, eine Reinheit, Unschuldigkeit, eine Direktheit aus, die rar gesät ist und den damaligen Freigeist wohl treffend wieder spiegeln. Wie Ihr merkt, ich komme ins heillose Schwafeln…Joe Boyd, mittlerweile legendärer Producer, u.a. von Nick Drakes Alben, schrieb damals über Vashti Bunyan: »Washti’s songs may seem unreal to urbanised listeners but they should listen with open hearts and open minds; I have never known anyone whose music is so completely a reflection of their life and spirit.« (1970 im Booklet zum Album).

Glen Johnson, Mastermind von Piano Magic, hat sie nicht nur für diesen einen Song als Gastsängerin ins Studio eingeladen. Zusammen mit Vashti hat er 2 neue Songs geschrieben, ein neues Studioalbum ist in Planung, halb London will unbedingt daran beteiligt sein. Großes ist zu erwarten… Zum Schluss noch ein Zitat von Glen Johnson, als ich ihn im Rahmen des letztjährigen Live-Auftritts seiner Band in Frankfurt auf Vashti Bunyan ansprach: »Everyone should own a copy of her album.« Dem kann ich mich nur anschließen.

Vashti Bunyan — Just Another Diamond Day
(Spinney/London 2000; Import)

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3 Gedanken zu „Vashti Bunyan — Just Another Diamond Day“

  1. Immer auf der Suche nach spannenden Sachen bin ich Bin über die BrianJonestownMassacre-Seite und dann deinen Artikel auf Vashti Bunyan gestoßen. Habe mir die CD über Amazon günstig und problemlos aus USA kommen lassen. Bin begeistert: Just Another Diamond Day ist die anrührendeste Platte, die ich kenne. Mir gefällt auch Vashtis einfaches, etwas altertümliches Englisch. Möchte mich an dieser Stelle mit einem Tipp revanchieren: We are The Radio, die neue EP der genialen Brian Jonestown Massacre – mit Sarabeth Tuceck (Gesang); das Beste 2005!

  2. Mein Dank an „Punkcow“, der mich auf diese faszinierende Sängerin aufmerksam gemacht hat.
    Diese Musik verdient Aufmerksamkeit, sie spricht direkt in die Seele. Wer Nick Drake, Sandy Danny und Donovan mag, der ist hier richtig.
    Meine Entdeckung 2006- warum nicht schon früher?
    Weitersagen!

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