Auf den ersten Blick klingt das nach einem ganz großen Durcheinander: C86, Dunedin, Madchester, Wimp Music, Shoegazing, Psychedelia, Happy-Go-Lucky Pop, ein bisschen Garage und jede Menge Indie – was auch immer das ist. In unserer Welt von damals war alles, was wir hörten, Indie, irgendwie. Wir waren selbst Teenager und unsere Koordinaten bestanden vor allem aus den Platten, die im Schulhof weitergereicht wurden, den Konzerten, die wir besucht hatten, und dem Gefühl, dass hinter all diesen Eindrücken eine gemeinsame rebellische Haltung steckte: Das Aufbegehren gegen den Mainstream und gegen glattgebügelte Popmusik sowie die Sehnsucht, sich von den Erwartungen der bürgerlichen Gesellschaft, also unserer Eltern, zu lösen und uns fortan der Kunst zu widmen. Die Musik war unser Kompass in einer Welt voller Möglichkeiten und Zweifel. Pimp my Soul spiegelt dies auf sehr persönliche Weise wider.
Die Ausgangssituation dieser Playlist bildet das Album „Crazy Rhythms“ von den Feelies aus Haledon, New Jersey, das sich damals auf einer meiner Kassetten befand. Von hier aus startet der Ausflug in die Vergangenheit, genauer gesagt in die 80er-Jahre. Auf der B-Seite dieses Tapes befanden sich The Chills aus Dunedin, Neuseeland. Ihr Album „Vehicle“ war der kongeniale Counterpart zu dem übernervösen Meisterwerk der Feelies, die ihren Sound voller Melodie, Melancholie und Dringlichkeit direkt mit dem ersten Album zur vollkommenen Reife brachten. So gut sollten sie nie wieder werden (wie auch? Es ist für mich eins der besten Alben aller Zeiten). In unmittelbarer Nachbarschaft befanden sich Kassetten von Jazz Butcher, Wedding Present, Felt, den Go Betweens und den Sneaky Feelings. Alles andere kam dann nach und nach.
Denn mit dem Alter wuchs die Kassetten-, später dann auch die Plattensammlung, und damit das Bewusstsein für die ästhetischen Linien, die sich durch diese Aufnahmen zogen. Die Feelies verbanden die strukturelle Präzision des Post-Punk mit der nervösen Energie früher Velvet Underground. Ihr Sound markierte den Übergang vom Schwurbelrock der späten 70er zum introspektiven Jangle-Pop der 80er. Auf der anderen Seite des Globus entwickelten The Chills und ihre neuseeländischen Kollegen den sogenannten Dunedin Sound, eine rohe, aber melodisch dichte Spielart des Indie-Pop, die britische Bands wie Felt, Primal Scream oder The Wedding Present parallel in eigene Richtungen weitertrugen. Gemeinsam formulierten sie eine Ästhetik der Unabhängigkeit, in der es weniger um Perfektion als um Haltung und emotionale Direktheit ging. Analoges Equipment wie Mehrspur-Tonbandmaschinen, analoge Mischpulte, Equalizer und andere Effektgeräte prägten nicht nur den Sound, sondern auch die Arbeitsweise im Studio. Diese analogen Produktionsbedingungen und ihre klanglichen Folgen wirken heute wie aus der Zeit gefallen, und sind doch zeitlos schön.
Vieles von dem, was sich auf Pimp my Soul findet, wurde so womöglich noch nicht zusammengedacht. Die etwas mehr als vier Stunden wirken zu meiner großen Überraschung überaus stimmig und sollten im Shuffle gehört werden.
