Zum Inhalt springen

Die besten Alben 2025 – Plätze 3 bis 1

Rolands Nr. 3:
Billy Nomates – Metalhorse
(Invada)

Ich mag alles an ihr. Stimmfarbe, Attitude, Witz. Mit diesem Album geht sie nochmal einen Schritt weiter rein in den Pop, gewisse Rotzigkeit natürlich immer noch vorhanden. Ist tatsächlich ihr bestes Album geworden. Was mir besonders daran gefällt, ist die Reduziertheit, ganz konzentriertes Songwriting, effektiv, sich den Vibe der 1980er holend, ohne irgendwelche 1:1-Nachbauten. So stelle ich mir heutige Radiomusik vor, wie sie sein müsste, bin fast überrascht, dass sie nicht längst richtig big ist, aber so funktioniert das ja andererseits auch nie.


::

Carstens Nr. 3:
TOPS – Bury the Key
(Ghostly International)

TOPS sind so eine Band, die man seit Jahren begleitet, ohne dass sie je laut um Aufmerksamkeit bitten. Montreal, früher Arbutus, jetzt Ghostly International – der Karriereweg ist fast schon verdächtig geschmackssicher. Bury the Key ist ihr erstes Album seit einer kleinen Ewigkeit. 

Musikalisch bewegen sie sich weiterhin in diesem weichen Zwischenraum aus Sophistipop, Softrock und leicht auf den staubigen Dachboden gefallene Disco. Auch hier, wie bei anderen Alben dieser Liste viel Westcoast-Gefühl, aber nicht so sonnig, eher Abendlicht. Rhodes, geschmeidige Bassläufe, Gitarren, die nie glänzen wollen, sondern tragen. Jane Pennys Stimme steht wie immer im Zentrum: kühl, kontrolliert, aber nicht abwesend. 

Manchmal fast zu sweet, um wahrhaftig zu sein – aber genau dann schiebt sich ein ein dunkler Akkord rein, ein leicht bitterer Text. Sehr elegant.


::

Gregors Nr. 3:
Little Simz – Lotus
(AWAL Recordings)

So klein ist Little Simz gar nicht mehr. Lange Zeit galt sie als eine der gaaaanz, ganz Großen, die die Zugspitze nur von Bildern kennt. Ein Kritikerliebling eben. Mit ihrem sechsten (!) Album Lotus könnte dieser scheinbare Makel überwunden werden, so habe ich es zumindest mit 20% Sehschärfe vernommen. Die Kritiken zumindest waren eindeutig. Gehört sie nun endlich zum Pantheon des Pop?

Thematisch dreht sich vieles um den Beef mit ihrem ehemaligen Co-Produzenten Inflo und ihre Trennung. Das ist zwar zunächst nicht besonders originell, aber eben Teil des Rap Games. Sie ist und bleibt aber eine hervorragende und fesselnde Geschichtenerzählerin, die musikalische Eleganz und präzise Analyse in mindestens sieben Himmelsrichtungen ausbreiten kann. Tendenz mit diesem Album steigend. Dafür ist auch die radikale Bandbreite an Stilen und Klängen verantwortlich.

Allein ist das natürlich nicht zu machen. Weitere Mitwirkende sind Michael Kiwanuka, Yussuf Dayes, Obongjayar und Rosie Danvers, die die Streicharrangements beisteuert. Gemeinsam mit dem Neuen an Bord, dem Produzenten Miles Clinton James, gelingt 2025 das bisher beste Little-Simz-Album.


::

Rolands Nr. 2:
The Tubs – Cotton Crown
(Trouble in Mind)

Melodisches Gitarrengeschrammel darf niemals sterben und wird in meinem Herzen auf ewig blühen. War ganz lange meine Nr. 1 und ist sicher mein meistgehörtes Album dieses Jahr, es ist aber auch pickepackevoll mit allen möglichen Referenzen von Hüsker Dü über Sundays bis Wedding Present, die vielleicht sowas wie ihre Patenband sind – folglicherweise gehen sie auch gerne mindestens in Wales gemeinsam auf Tour.

Live sind sie sehr nahbar und albern, was sie natürlich auch nochmal die Sympathieskala hochklettern ließ.


::

Carstens Nr. 2:
Baxter Dury – Allbarone
(Heavenly Records)

Endlich wieder ein schlecht gelaunter Engländer. Nach all der Westcoast- Seligkeit, den sanften Innenwelten und achtsamen Befindlichkeiten kommt Baxter Dury rein, mustert den Raum und weiß, dass er hier eigentlich gar nicht sein will. Coole Sau nicht im Fashion-Sinn, sondern im abweisenden Sinn.

Musikalisch ist das so straff wie lange nicht von ihm gehört. Klare, tanzbare Beats, wenig Zierrat, alles sitzt. Darüber dieser familientypische Sprechgesang, der klingt, als hätte jemand den verschwitzten Anzug anbehalten, obwohl die Party längst vorbei ist. Halb Crooner, halb Beobachter, er kommentiert Zustände. Und das ziemlich genüsslich.

Besonders schön teilt er gegen die Londoner Insta-Schickeria aus. „You’re just a bunch of soul-fuckers who rate yourselves“. Herrlich. Überall Aufgeregtheit, Haltung und Geschmackspolizei. Dury steht daneben, rollt die Augen und notiert. Präzise formulierte Müdigkeit. Tut auch mal gut.


::

Gregors Nr. 2:
Geese – Getting Killed
(Partisan Records / Play It Again Sam)

Das Ding hat Wumms, kann man nicht anders sagen. Als eine der aufregendsten neuen oder nicht mehr ganz so neuen Rockbands aus Brooklyn haben sie nun das erreicht, was schon länger im Raum steht: Ihr drittes Studioalbum bringt den internationalen Durchbruch und in der Kritik hagelt es Zehn-von-Zehner. Bei aller musikalischer Raffinesse muss man mit Sänger Cameron Winter anfangen. Seine Stimme liegt konstant 12db über der Mischung. Nölgesang, der sich gleich vor zwei großen Sängern verbeugt: Thom Yorke und David Byrne in einem. Okay, kann er nix zu, aber das, was er daraus macht, ist bemerkenswert. Dazu seine fragmentarische, assoziative Sprache. Trotz einer spürbaren Ernsthaftigkeit für kein Lächeln zu schade (“Yeah, there’s a horse on my back”) und keiner Spitze zu krumm (“I’m getting killed by a pretty good life”).

Die Arrangements sind originell, ohne aufzufallen (für Indierock schon eine Leistung), unvorhersehbar und vertrackt, obwohl die Musik sich im ständigen Fluss befindet (Motto des diesjährigen Polls: Komplexität ist der neue Flow). Und doch ist es auch das Werk einer großen Rhythmusgruppe! Schüttel dich, erst die Hände, dann die Arme, Schultern, Brustkorb, Bauch. Und jetzt: Alle Muskelgruppen auf einmal!

Die Brillanz des Albums ist nicht zu überhören. Die kreative Kraft, das feine Gespür für Melodie, die unverkennbare Selbstsicherheit, die alle großartigen Bands auszeichnet. „Getting Killed” hat das Zeug zum Klassiker. Wir sprechen uns in zehn Jahren wieder.


::

Rolands Nr. 1:
Racing Mount Pleasant – Racing Mount Pleasant
(R&R Digital)

Es wird Zeit, dass bald eine Machtdosesendung mit dem Thema „Die Renaissance des Saxophons bei Indiebands“ kommt. Gerade dieses Jahr poppten sie dann wirklich überall auf: achtköpfige oder noch größere Bands von Musikstudierenden mit mindestens zwei Saxophonen und gerne noch drei Geigen obenauf, dazu nicht selten existenzieller Dringlichkeits-Gesang. Aber: das sind tatsächlich oft auch alles ziemliche gute Bands und alle haben gefühlt dieses Jahr ein Album herausgebracht, sei es die OGs Black Country, New Road oder die fröhlichen Dekonstruktivsten von Caroline oder auch so zwei hervorragende chilenische Bands wie Hesse Kassel und Candelabro. Stellvertretend für diesen Trend und natürlich auch ganz für sich selbst sind jetzt doch Racing Mount Pleasent auf meine Spitze geklommen.

Interessanterweise konnte ich beobachten, dass sie kritikerseits gar nicht sooo gut wegkommen. Wenn man sich aber z. B. usergenerierte Charts auf entsprechenden Seiten wie Rank my music oder Album of the Year anschaut, sieht’s dann schon wieder ganz anders aus, da werden sie mehr oder weniger nur von Geese übertrumpft.

Woran liegt das? ich glaube, weil RMP es eben dann schon sehr gefällig machen, der Gesamtorchestersound scheint mir nochmal mehr auf Glattheit abgestimmt, das mag dann dem Kritikerohr nicht so spannend scheinen, aber stimmungsmäßig kann ich sagen, konnte ich mich in nichts so gut reinfallen lassen wie in dieses wirklich komplett immersive Album.


::

Carstens Nr. 1:
Geese – Getting Killed
(Partisan Records / Play It Again Sam)

Ich stimme ein in die Euphorie. Ja, Geese könnten so was wie die Erneuerer des Rock sein. Ich war schon lange nicht mehr so aufgeregt und emotional als beim ersten Hören dieses Albums. Eine Rückkehr des Rock, von der gesetzte Herren wie ich gerne mal träumen, ist ja nicht die Rückkehr von Gitarrenmusik. Das wäre zu banal. Was diese New Yorker uns da schenken, ist der Mut zum Chaos, zum Übertreiben, zur Unberechenbarkeit und zum hemmungslosen Gefühlsausbruch. 

Bandmusik, die körperlich ist und physisch erlebbar, die aus dem Moment entsteht. Manchmal denke ich an Jagger, an den frühen Springsteen, manchmal an Gregg Alexander. Geese verwursten steifen Art Rock und Folkseligkeit genauso wie Stakkato-Funk und derbe Noise-Elemente. Cameron Winter, der Sänger, überschlägt sich, grunzt, stöhnt, säuselt und bringt unvergessliche Zeilen mit Biss und Humor hervor. Kurz: Geese strotzen vor kreativer, computerloser Energie. Und das steckt (mich) wahnsinnig an.


::

Gregors Nr. 1:
Stereolab – Instant Holograms On Metal Film
(Duophonic Ultra High Frequency Disks / Warp Records)

„Instant Holograms On Metal“ ist ein Album, mit dem wohl niemand gerechnet hat. Zuletzt war Sängerin Lætitia Sadier solo unterwegs und ich dachte, die regelmäßigen Bekanntmachungen von Stereolab in den sozialen Medien würden nur noch dazu dienen, Erinnerungen wachzuhalten. Sie zählen zwar zu den größten Melody Makern der 90er Jahre, haben aber nie den Nachhall erreicht, der ihr Werk im popkulturellen Gedächtnis festgeschrieben hätte. Oder irre ich? Stereolab sind auf jeden Fall nicht die Pixies oder Pavement.

Mit den beiden Vorab-Singles „Aerial Troubles“ und „Melodie is a Wound“ feierten Stereolab im Frühjahr nach 15 Jahren ihr Comeback. Ein paar Wochen später erschien „Instant Holograms on Metal Film“ über ihre Stammlabels Duophonic und Warp. Und es übertrifft jede Erwartung! Böff! Wer eine Alternative zur globalen Apokalypse sucht, wird hier fündig. Das Album geht gnadenlos in Opposition zu all den Motherfuckern da draußen und bleibt dabei so entspannt wie ein Rotkehlchen beim morgendlichen Wurmverzehr.

Der Sound ist nach wie vor unverwechselbar und dennoch neu. Mit endlos ineinandergreifenden Instrumentalparts verbindet die Musik Elemente aus Krautrock, Lounge-Jazz, Psychedelic Pop und meinetwegen Shoegaze. Viele Songs sind länger als sechs Minuten, genug Zeit, um mit Marimba, Trompete, Flöte, Vibraphon, Saxophon, Klarinette und modularen Synthesizern kaleidoskopische Muster epischer Schönheit zu erschaffen. Da zuckt’s schon mal ordentlich im Beckenboden.

„Instant Holograms On Metal Film“ ist anspruchsvolle Musik für anspruchslose Zeiten. Ich freue mich, dass sie wieder da sind. Aus Treue auf Eins!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

achtzehn − 16 =