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Die besten Alben 2025 – Plätze 10 bis 7

Rolands Nr. 10:
Glazyhaze – Sonic
(Self Release)

Die Rondo Veneziano des Shoegaze. Man verzeihe mir den Kalauer, aber da sind Glazyhaze halt her und bedienen souverän das Genre, für das wir auf dieser Seite vielleicht die größte Schwäche hegen und also auch in diese nächste Gondel gerne steigen.

So schwankt es sich schön die Gitarrenwellen entlang, Die Band ist jung, man spürt zwar sehr genau,, woran sie sich orientieren, dennoch wird kein Totentanz draus. Traumwandlerisch ja, aber nicht verklärend. Frisches Wasser für alte Kanäle.


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Carstens Nr. 10:
Jason IsbellFoxes in the snow
(Southeastern)

Manchmal, aber nur manchmal, da führt der Weg zur Zukunft über die Rückbesinnung. Jason Isbell ist ein alter Haudegen, Singer-Songwriter aus der amerikanischsten aller Schulen, left-wing, demokratisch, aus Tennessee stammend und mit Bluegrass und Country erzogen. Ach ja, und Schauspieler ist er auch. Für Scorcese zum Beispiel. Wenn es mal wieder authentisch sein soll.

Sein 10. Album hat er im Electric Lady Studio in New York aufgenommen. Und es ist ein Bekenntnis zum Anfang: Nur mit einer 40er-Jahre Martin unter dem Arm singt er Songs über die Zerrissenheit des Alltags in den USA 2025. Und hat einfache, klare und deshalb umso berührender Botschaften parat. Wenn Menschlichkeit, Mut und Miteinander (hab ich das gerade wirklich geschrieben?) einen Neustart bekommen sollten, sieht das vielleicht so aus. Von vorne anfangen, Song für Song. Und erstmal die einfachsten Gefühle klären


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Gregors Nr. 10:
Miki Berenyi Trio – Tripla
(Bella Union)

Ach, wie schön! Lush sind zurück oder zumindest ein kleiner aber wichtiger Teil davon. Miki Berenyi, die ehemalige Sängerin und Gitarristin der 1990er-Jahre-Shoegaze-/Dreampop-Pioniere, steht nun an der Spitze eines neuen, gleichnamigen Trios, begleitet von KJ „Moose“ McKillop und Oliver Cherer.

Als Berenyi im Jahr 2022 ihre Memoiren veröffentlichte, war ihr vermutlich klar, dass Lesungen mit Songwünschen einhergehen würden. Kurz darauf kam es dann auch zu ersten Gigs, aus denen neues Material entsprang. „Tripla“, das Debüt des Miki Berenyi Trios, trägt die Spuren der Zeit, ohne in Nostalgie zu verfallen. Die schimmernden Weiten des Dreampop, da sind sie wieder, mit schönen, satten Synthie-Oberflächen, einer pumpenden Drum Machine, Shoegaze-Gitarrenwänden und der wunderschönen Stimme Berenyis.


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Rolands Nr. 9:
Deradoorian – Ready for Heaven
(Fire Records)

Angel Deradoorian hat den passenden Namen. Himmlisch und beschwörend, mit diesen beiden Attributen wäre die Musik ihres zweiten Albums schon ganz gut beschrieben. Der Albentitel ruft – ganz profan – den Himmel herbei und musikalisch geschieht das, wofür wir eine Lieblingsvokabel haben: „treibend“, heißt, einerseits rhythmisch interessant, andererseits ordentlich ausrollend.

Das erzeugt Sogwirkung und gerade auf Albumlänge zwingt uns diese Mentalistin in Hypnose, einige Zaubertricks inklusive.


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Carstens Nr. 9:
Curtis HardingDepartures & Arrivals: Adventures of Captain Curt
(Anti-)

Ja, das schreit alles nach Gutfinden-Müssen. Diese Covergestaltung! Die verhallten Rare Grooves! Das kleine Tape Echo auf der Stimme! Orgeln! Flatwound-Bass! Motown-Streicher! Und dann auch noch die Stimme. Nicht so ein Poser-Soul mit zuviel Noten pro Wort. Sondern cool, bebend, sexy und hab ich schon cool gesagt? Da kommt gerade ein Minimoog-Solo rein, ich dreh ab.

Das wirkt alles entworfen und durchdacht und von der Kreativdirektion schlüssig inszeniert. Aber wisst ihr was, Freunde der sogenannten Authentizität? Wenn die Direktion echt gut ist, dann kommt so etwas wie „Stranger Things“ dabei raus, oder „Mad Men“. Oder eben so ein rundum funktionierendes Retro-Soul-Album. Ich bin dabei. Und zwar sowas von. Es klingt wie von einer ÄI entworfen. Ästhetischer Intelligenz. Der musste sein.


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Gregors Nr. 9:
Sven Wunder – Daybreak
(Piano Piano)

Dass ich Sven Wunder überhaupt kenne, verdanke ich einer Maschine, denn vor nicht allzu langer Zeit wurde mir die Single „Take a Break” als hörenswert vorgeschlagen. Und ja, das ist sie wirklich! Auch Luxusmarken wie Louis Vuitton und D&G haben das Stück in ihre Kampagnen integriert und so Sven Wunder zu größerer Popularität verholfen. Hier passt er auch gut hin, denn die Eleganz seiner Kompositionen verspricht ein Höchstmaß an Glamour, auch auf „Daybreak“. Es gibt Streicher und Bläser sowie einen sanften, leicht swingenden Groove mit einer deutlichen Referenz an die 70er Jahre.

„Aua“ schreit hier niemand. Böse Zungen nennen es Library Music (ein besseres Wort für Langeweile). Etwas geadelter klingt der Vergleich mit Komponisten wie Ennio Morricone, Henry Mancini und Piero Umiliani. Ich stehe mittendrin, bin einerseits schwer fasziniert und lasse mich gerne von seinem filmischen Klangbild verführen, um mich einen Track später im Fahrstuhl zu wähnen. „Daybreak” ist bereits Wunders fünftes Album. Letztlich erweist es sich als Platzhalter für alles, was dieser Mann bisher veröffentlicht hat. Respekt, dass sich überhaupt jemand an diese Art Musik wagt. Muss man mal gehört haben!


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Rolands Nr. 8:
Hannah Frances – Nested in Tangles
(Fire Talk)

Dieses Jahr war ich auf einem enttäuschenden Konzert der Band Florist, über das ich sonst den Mantel des Schweigens breiten möchte, was aber den eher seltenen Fall hervorbrachte, dass der Vor-Act besser / interessanter ausfiel als die eigentliche Hauptattraktion. In Gestalt von Hannah Frances, mir bis dahin kein Begriff. Der Auftritt lief ganz simpel: sie kam mit Gitarre, sprach zwischendrin schüchtern und sang. Stimme toll, erinnerte mich an Laura Marling.

Was das kurz darauf veröffentlichte Album überraschender machte (da auch die Vorgänger eher reduziert ausfielen), es passiert hier doch einiges mehr bei den Arrangements, den Stimmungen, dem Songwriting und verlässt jede Simplizität. Mein spätester Eintrag in die Tops, könnte noch wachsen.


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Carstens Nr. 8:
Blood Orange – Essex Honey
(RCA / Domino)

Ich verstehe völlig, wenn einem das hier viel zu langweilig ist. Man will ja Singles rausgreifen, Höhepunkte und schwächere Tracks diskutieren und so. Aber bei Essex Honey habe ich mir keinen einzigen Titel gemerkt. Ein Album als Zustand. Nachtmusik. Sehr atmosphärisch, Intimität und Privatheit als Thema. Das hat man von Dev Hynes nun schon immer gehört, trotzdem finde ich er hat eine neue Ebene erreicht.

Man atmet so von Stille zu Hook zu einsamer Harmonika. Springt traumverloren von Postpunk-Bass zu Kevin Parker-Vocals und verliert zeitlich den Faden. Bis die Schönheit dieser Collage dann zu Ende geht. Da stellt man fest, dass Essex Honey ein wenig wie die perfekte Raumtemperatur ist. Drängt sich nicht auf, aber fehlt ungemein, wenn sie weg ist.


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Gregors Nr. 8:
Oneohtrix Point Never – Tranquilizer
(Warp Records)

Die exzellenten Kritiken zu „Tranquilizer“ haben mich schnell neugierig gemacht. Ich dachte, Daniel Lopatin hätte auf seinen zehn vorherigen Oneohtrix-Point-Never-Alben bereits alles erzählt, folglich schwand zuletzt mein Interesse. Seine Alben waren zwar schon immer Klangereignisse, doch der scheinbaren Sättigung zum Trotz knüpft „Tranquilizer“ dort an, wo „Replica“ aus dem Jahr 2011 aufgehört hat. Das Album ist eine glänzende Rückkehr zu alter Form. Die Arrangements basieren diesmal auf einer Reihe kommerzieller Sample-CDs, die er Anfang der 2020er Jahre im Archive gefunden hat – vorgefertigte Sammlungen lizenzfreier Sounds, die in den 90er- und frühen 2000er-Jahren an Musiker und Produzenten verkauft wurden.

Es ruckelt und zuckelt, ständig herrscht chaotische Unordnung, darüber liegen New-Age-Synthesizer, Schnipsel von Streichern, gedämpfte Trompeten, Glockenspiel und Flöten, das Knistern alter Vinylplatten, Satie-artige Klavierfiguren und vieles mehr. Eine schillernde Vielfalt von Klängen und Ereignissen im ständigen Wechsel, immer kommt und geht etwas, alles ist geheimnisvoll, aktiv und passiv zugleich, experimentell und dennoch hörbar. Die Fülle seiner Ideen ist schlicht atemberaubend. Und ja, es ist Musik! Auch wenn man hier mit den üblichen Begriffen wie Melodie, Harmonie oder Rhythmus nicht weit kommt. Vielleicht ist es auch Science Fiction.


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Rolands Nr. 7:
Ada Oda – Pelle d‘Oca
(62 Records)

Unter Sonnenscheinaspekten war dieser Sommer eher naja, da half zur Aufhellung dieses Stückchen Dolce Vita. Tatsächlich und wirklich das Indie-Pendant zu Italo-Pop, jedenfalls für mich. Die Band ist übrigens gar keine italienische, sondern aus Brüssel und soweit ich weiß, war nur die Sängerin italienischer Herkunft. War, denn die Band hat sich sofort nach Veröffentlichung dieses, ihres zweiten Albums aufgelöst.

Sehr traurig, hätte ich supergern live gesehen bei einem Eis am Stiel. Ist, ich meine war, auch keine Gimmickband, wie man vielleicht nach der Konstellation mutmaßen könnte (in meiner Fantasie wäre dies vielleicht ein Trennungsgrund, wenn so wahrgenommen), denn hört Euch das Album an, etwa „Sicurezza Priorità“ (nicht unten verlinkt), den ich eigentlich in die Songliste hätte bringen MÜSSEN, wäre das Jahr nicht so voll gewesen, dass ich mir keine Doppelnennungen bei Songs und Alben erlauben konnte.


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Carstens Nr. 7:
Hatchie – Liquorice
(Secretly Canadian)

Machen wir es kurz: Harriette Pilbeam, Australierin, Gen Y, mit einem Bachelor-Abschluss für die Creative Industry geschult, hat musikliebende Eltern. Die sind wohl ungefähr so alt wie die Autoren dieser Reviews. Es liefen Mazzy Star, Sundays, Siouxsie Sioux… die Cocteau Twins. Also all die Dreampop und Shoegaze-Grundlagen, die heute auf TikTok wieder gefeiert werden.

Ein wenig ist es bei Hatchie und diesem mittlerweile dritten Album wie mit dem neuen Zeichner von Asterix. Dem ist ja gelungen, den Mythos, den Charme und den Zauber des Originals einfach fortzuführen. Nicht als Kopie, sondern als Weitererzählung und Erneuerung. I love it. Selbst Roland, der wie ich „Heaven or Las Vegas“ für eines der tollsten Alben aller Zeiten hält, wird sich diesem Zauber nicht entziehen können.


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Gregors Nr. 7:
Nusantara Beat – Nusantara Beat
(Glitterbeat / Demajors)

In den smaragdgrünen Wellen des indonesischen Archipels, wo die Ozeane ihre alten Lieder flüstern, leuchtet die Seele Nusantaras. Nusantara bezeichnet die Inseln zwischen Asien und Australien, die das Majapahit-Reich einst zu vereinen trachtete, um den Traum von einem geeinten Archipel unter einer Krone zu verwirklichen. Dieser Traum liegt bereits Jahrhunderte zurück. Heute verkörpert Nusantara das Zusammenfließen unzähliger Kulturen zu einer lebendigen Gemeinschaft.

Genau diese Mission verfolgt die niederländische Band Nusantara Beat mit ihrem facettenreichen Sound. Ihr Bassist stammt aus der indonesischen Provinz West-Java und ließ sich in jungen Jahren dauerhaft in den Niederlanden nieder. Alle anderen Mitglieder der Gruppe haben ebenfalls indonesische Wurzeln. Musikalisch orientiert sich Nusantara Beat am Sunda Pop der 1960er Jahre, der sundanesische Traditionen mit Pop, Psychedelia, Surf und Funk zu einem wilden Mix verschmolz.

Auf dem gesamten Album sorgen außerdem Samples balinesischer Gamelan-Instrumente für zusätzliche Abwechslung, zusammen mit den Klängen traditioneller Instrumente wie der Kecapi-Zither, der Kendang-Trommel und balinesischer Gongs. Gesungen wird übrigens auf Indonesisch. Pop als globales Netzwerk von Einflüssen! Genau so stelle ich mir meine Plattensammlung der Zukunft vor.


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