Jeder macht es, alle wollen es, keiner glaubt, dass es tatsächlich irgendwas aussagt. Hier sind sie, die Machtdose-Jahrescharts in Album und Single. Ich hatte diesmal die Muse, meine zu kommentieren, während Gregor traditionsgemäß die Liste als solche sprechen lässt. Außerdem habe ich mich ganz gegen meine Gewohnheit zu Platzierungen durchgerungen, obwohl das ein eher gewaltsamer Akt ist.
Geht schon los bei
Nr. 10: The Killers – Hot Fuss (Island Records)
Um die Letztplatzierung schlugen sich mehrere Kandidaten, ich hab die Killers deshalb genommen, weil ich über sie am liebsten was schreiben wollte. Nicht nur haben sie einen der Smash-Hits des Jahres abgeliefert (siehe Singles), sondern auf eine Art auch das bessere Interpol-Album gemacht, die mich mit „Antics“ eher enttäuschten. Außerdem kommt mir die Musik so sympathisch schülerrockartig vor, das macht der fast schon naive Einsatz der Keyboards zum Beispiel, gleichfalls die Texte (eine Ode auf „Indie-Rock“ schreiben, hihihi).
Nr. 9: The Dresden Dolls – dito (Roadrunner)
Haben in einer Art das bessere Fiery Furnaces-Album gemacht, die mich mit „Blueberry Boat“ sehr sehr enttäuschten. Das Image über Brecht und Cabaret und Berlin 20er-Jahre finde ich jetzt eher dämlich, die Musik hat so eine drängende, oft künstlich wirkende Dramatik, fast denkt man an Musicals. Das lässt die Vermutung zu, dass ich irgendwann die Platte unter „peinlich“ abstelle, aber im Moment kann ich nur sagen: seltsam changierendes Klavier, dazwischen so Fastpunk-Härten, alles sehr abwechslungsreich, also spannend, also hält es mich gefangen.
Nr. 8: Mediengruppe Telekommander – Die ganze Kraft einer Kultur (Mute)
Ich kann verstehen, wenn man sie für hinterfotzige Mucker hält, Oberflächensurfer, Pseudo-Konsumschläger. Ungefähr, was man Street-Art vorwerfen kann, fällt mir absurderweise grad ein. Aber die Musik. Macht mir extrem gute Laune. Einfach Spaß. Weiteres, vgl. da.
Nr. 7: Sufjan Stevens – Seven Swans (Sounds Familyre)
Da kann man mal den Schwachsinn von so Jahresrückblicken sehen. Ich jedenfalls, obwohl einigermaßen musikinteressiert, hechele nun ja nicht jeder Erstveröffentlichung hinterher, und weiß ich, was ich großartiges dieses Jahr schon wieder verpasst habe, und vielleicht noch in einem halben Jahr entdecke? – Sufjan Stevens war meine große Entdeckung dieses Jahr (vgl. hier), und „Michigan“ mein eigentliches Album des Jahres, ist aber letztes Jahr erschienen, okay, dies‘ Jahr aufgrund des großen USA-Erfolges als Reissue gleich nochmal auf den deutschen Markt geworfen worden, aber zählt ja dann irgendwie nicht, deshalb Seven Swans, auch ein wunderbares Album, schafft es aber eben nur auf die 7.
Nr. 6: The Go!Team – Thunder, Lightning, Strike (Memphis Industries)
Ich habe gehört, es gibt so Platten mit Partygeräuschen und Menschengemurmel drauf, für einsam Lebende, damit sie sich Gesellschaft akustisch herbeizaubern können. Denen würde ich The Go!Team empfehlen. Die kann man einlegen, Party da, fertig. Gabs schon mal so ähnlich, hieß 2000 The Avalanches, sehr vergleichbar: alles mögliche, was abgeht wird miteinander amalgamisiert, und alle Soundschnipsel kennt man von irgendwoher (bei Go!Team zum Beispiel dieses herrliche Archie-Bell-Riff gemixt mit Rock Steady Crewhaften Shouts)
Nr. 5: The Mysterymen – Everything but an Answer (Disko B)
Hab ich ja erst kürzlich drüber geschrieben. Mehr fällt mir jetzt auch grad nicht ein, läuft sich grad heiß bei mir, weil ich sie eben auch noch nicht so lange habe.
Nr. 4: Madvillain – Madvillainy (Stones Throw)
Auch da hab ich mal was zu verfasst. Auch da ist eigentlich alles gesagt.
Nr. 3: Kante – Zombi (Emi)
Ich gestehe, als Kante irgendwann auftauchte, mochte ich sie nicht: Blumfeld-Epigonen, alle Vorurteile gegen „studentische Musik“ bestätigend, diese dauernden Genitiv-Konstruktionen, und nur die eigene Lebenswelt umkreisend. Eher zweifelnd mal in Zombi reingehört, gleich gemocht. Vor allem die Stücke 2 bis 5. Musikalisch kommt mir das auch besser vor (die Jazzanleihen zum Beispiel). Trotzdem natürlich Selbstmitleidmucke par excellence, aber andererseits: warum auch nicht.
Nr. 2: Lali Puna – Faking the Books (Morr Music)
Auch da: Lali Puna, neenee, is nix. Alles eine Soße, überhaupt breiig. Aber diesmal haben sie irgendwie Zug (sprich: „Zuch“) reingekriegt. Und übers Jahr sehr oft gehört, und das ist ja wohl Nummer-Eins-Argument für eine Platzierung und plötzlich haben sie sich tatsächlich bis auf die 2 hochgedrückt. Die Platte ist in meiner inneren Albumskatographie mittlerweile sogar in Nachbarschaft zu Notwists „Shrink“ angesiedelt, die immerhin und immer noch in meiner Top3 der Besten aus den letzten 10 Jahren rangiert.
Nr. 1: Joanna Newsom – The Milk-Eyed Mender (Drag City)
Harfenwohlklang, Trotzstimme (einige würden sagen: trotz Stimme), Katzenmusik auch. Und eben so mit Menno!-Stampf-Attitüde. Ein Album zum Durchhangeln und wohligen Reinlegen zugleich.
Fazit: Wie gesagt, so Listen sind der reine Blödsinn. Würde mich jetzt jemand auf die Aussage „Joanna Newsom ist das Album des Jahres“ festlegen wollen, könnte ich dem nicht wirklich recht geben, das liegt alles so nah beieinander und ist gleichzeitig so wenig vergleichbar. Außerdem ist es tatsächlich so, dass es für mich – trotz vieler guter Musik – dieses Jahr einfach kein Album gab, das alle anderen überragt hätte (da noch am ehesten besagtes Sufjan Stevens Album, aber siehe oben), letztes Jahr dafür gleich eindeutige, die aufs Siegertreppchen kamen und die anderen um Längen schlugen.
Noch beliebiger wird es bei den Singles. Ich meine, wen interessieren den jetzt mal im Ernst Singles? Irgendwelche Plattenfirmen-Entscheidungen, oft wird der Hit gewählt, keineswegs immer. Deshalb ist die folgende Liste auch so eine Mischung aus „Radiohit / VivaMtv-Hit“, „will noch andere gute Bands nennen“, „war zufällig Single und fand ich auf der Platte tatsächlich am Besten“, „Gehst irgendwohin, läuft dauernd und ist auch klasse fürs Weggehen“. Konkreter: TV on the Radios – Staring at the Sun finde ich ziemlich okay, ich schätze aber viel mehr den Opener auf der Platte, die Nummer 1 von Blazin Squad ist tatsächlich eins meiner Lieblingstracks des Jahres, irgendsoeine Jungstruppe aus England, die sonst ganz gräßliches machen, aber das Ding ist einfach excellent produziert.
Es gibt da noch so viele andere einzelne Tracks, die ich noch viel viel lieber mochte als irgendwelche Singles, die es aber weder in die Albumcharts noch wegen der Vorgabe, muss als Single rausgekommen sein, geschafft haben, um nur mal zwei zu nennen: Bark Psychosis – Rose oder das 10-Minuten-Geilomatding „Waste“ von Archive. Nunja, es folgt die Singleliste:
10 Blaque – I’m good
9 Chumbawamba – On Ebay
8 Scissor Sisters – Comfortably Numb
7 TV on the Radio – Staring at the Sun
6 Kings of Convenience – Missread
5 Die sterne – Was ist hier los?
4 The streets – Blinded by the lights
3 The killers – Somebody told me
2 Jens Friebe – Gespenster
1 Blazin Squad – Flip Reverse
Soooo. Das wars von mir. Es folgt Gregors Liste, der wahrscheinlich genausolange darüber schwadronieren könnte, aber wir wollen Euch ja nicht quälen:
ALBEN
Restiform Bodies – Newbliette (subversiv*rec)
!!! – Louden up now (Warp)
Chronomad – Sokut (Alien Transistor)
Poto & Cabengo – dito (Karaoke Kalk)
TV On The Radio – Desperate youth, blood thirsty babes (4AD/Touch & Go)
Tortoise – It’s all around you (Thrill Jockey)
Mediengruppe Telekommander – Die ganze Kraft einer Kultur (Mute/Enduro)
Le Tigre – This Island (Universal/Chicks on Speed Records)
Von Spar – Die uneingeschränkte Freiheit der privaten Initiative (‚L’Age D’or)
King Khan & his Shrines – MR. Supernatural (Hazelwood Records)
SINGLES
Soft Pink Truth – Homo-Sexual [The Angry Samoans] (Soundslike)
März – Blaue Fäden (Karaoke Kalk)
Mysterymen – Waiting (Disko B)
McEnroe – Dumb it down (Vertical Form)
Mouse On Mars – Evoke an object (Sonig)
Das Bierbeben – No Future No Past (Shitkatapult)
Murcof – Memoria (The Leaf Label)
Neulander – Sex, God + Money (Disko B)
Nouvelle Vague – Too drunk to fuck (Peacefrog)
The Rapture – Alabama Sunshine (DFA Records)
Und jetzt seid Ihr dran!
OK, nach persönlicher Aufforderung von Gregor und nachdem ich ja gesehen hab wie das hier also letztendlich so rüberkommt also auch meine Platten/Tracks des Jahres 2004. In no particular order.
Gegrüsst seids vom Christian Strobel
Longplayer:
FSK meets Anthony „Shake“ Shakir – First take then shake
Ricardo Villalobos – The Au Harem d’archimede
Plastikman – Closer
Michaela Melian – Baden-Baden
2raumwohnung – Es wird morgen
V.A. – Pop Ambient 2005
Murcof – Utopia
Mia – Stille Post
Dash Dude – The Television Saga
The Streets – A grand don’t come for free
Tracks:
The Streets – Blinded by the lights
Plastikman – I don’t know
Pankananda – Auf seiner Veranda ep.
Sten – Eccentric
MU – Paris Hilton
Richard Davis – Bring me closer
Scissor Sisters – Comfortably Numb
Superpitcher – Happiness
FSK meets Anthony „Shake“ Shakir – Swing to Bob
jens Friebe – Gespenster
Außerdem fand ich den Remix von Frank Martinique von „Von Spar“ – Schockwellen letztes Jahr super und …
… bin schon gespannt was das Jahr 2005 so bringt.
Bald kommt ja die neue LP von J.Köhncke!
sechs alben die mir momentan einfallen:
bark psychosis-codename: dustsucker
kings of convenience-riot on an empty street
sonic youth-sonic nurse
David Thomas & Two Pale Boys-18 Monkeys on a Dead Man’s Chest
lambchop-c’mon/no you c’mon
tortoise-it’s all around you
Ich bin zufällig über Deinen, schon etwas älteren, Jahresrückblick gestolpert. Sehr amüsant zu lesen. ;-)
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