War neulich auf einem Konzert von Gallon Drunk. Verflucht mich, wenn ich irgendwann mal über all jene schimpfen sollte, die drauf stehen, dass beispielsweise Kiss oder Peter Gabriel während ihres Konzerts voll auf die ollen Hits setzen und damit nur in euren Erinnerungsfetzen pulen wollen. Gleiches haben nämlich Gallon Drunk gemacht. Ich bin voll drauf angesprungen und wurde nostalgisch. Marc Peschke fasst die Eindrücke von der Band, die eigentlich keiner braucht, in der AZ wie folgt zusammen:
Du, die Nacht … und die Musik.
»Gallon Drunk« im Frankfurter Cookys
„Im Rock gibt es viele Derwische, doch der Londoner James Johnston ist einer der wildesten von ihnen. Seit etwa zehn Jahren rumpelt er mit seiner Band »Gallon Drunk«, grollt, stöhnt, fleht, seufzt und schwitzt Rock’n’Roll-Schweiß. »Gallon Drunk« war Anfang der neunziger Jahre eines der heißesten Versprechen der Rockmusik: vier Musiker in schwarzen Satinhemden, gut geölten Haaren und geschürzten Lippen, die verstanden hatten, daß es auch darum ging, auf der Bühne gut auszusehen. Und auch nach zehn Jahren sieht Johnston beinahe genauso aus, wie in dieser legendären Montagnacht im Winter 1992, von der manche noch heute erzählen. Als »Gallon Drunk« hier im Cookys zeigten, wie gefährlich Rock zu klingen hat.
Die Zutaten sind immer noch dieselben wie zur Zeit des Albums »You, The Night … And The Music«: Ein polternder Baß, ein hart durchgeschlagenes Schlagzeug, das Rasseln der Maracas, dieses teuflische Perkussionsinstrument, daß man in Deutschland immer noch fade »Rumba-Rassel« nennt. Dazu kommt der Leibhaftige höchstpersönlich: James Johnston sieht nicht so aus, als würde er sich langweilen: Tief beugt er sich über seine Gitarre, läßt die dunklen Haare ins Gesicht fallen, bläst mit geschwollenen Adern in die Mundharmonika, spielt gleich zwei Orgeln gleichzeitig, zischt wie eine Schlange ins Mikrophon – mehr geht nicht.
Daß Johnston trotzdem wütend ist, liegt vor allem daran, daß kaum einer den Weg ins Cookys gefunden hat – für eine Band, die lässige Arroganz wie kaum eine zweite kultiviert ein Schlag ins Gesicht. Johnston kann es kaum fassen, daß sich keiner mehr für »Gallon Drunk« interessiert – und seine Gitarre bekommt Schläge dafür: Unglaublich rüde geht Johnston mit seinen Instrumenten um, wirft sie mit nachlässiger Geste auf den Boden, zerrt am Mikrofonständer. Was zählt ist nur die Musik: Fast alles aus der Frühzeit spielen »Gallon Drunk«, das düstere »Clear Eyes« etwa – oder, mit flirrenden Gitarrenfeedbacks, »Some Cause Fire«, das vielleicht beste Stück dieser Zeit.
Johnstons Musik gehört zum Kraftvollsten, was die englische Rockmusik in der vergangenen Dekade hervorgebracht hat, die Band vereint die rotzige Punkattitüde der »Clash« mit dem Bewegungsdrang der Souljahre, Jon Spencers Bluesfieber mit Nick Caves dunkler, suggestiver Aura. So viel ist zu hören von der Wiederkehr der Rockmusik, die Bands wie die »Liars« oder die »Strokes« populär gemacht haben. Doch wenn »Gallon Drunk« im Club um die Ecke spielen, kommt niemand. Ganz am Ende des langen Konzerts sieht man Johnston in einer Ecke sitzen, müde und nachdenklich eine Zigarette rauchen. Derweil verkaufen seine Musiker ein paar T-Shirts.“ (Mark Peschke)