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goEast – Festival des mittel- und osteuropäischen Films

Das goEast geht in die vierte Runde. Wie jedes Jahr widmet sich das Filmfestival sieben Tage lang dem mittel- und osteuropäischen Film. »Von Mittwoch, den 21. April bis Dienstag, den 27. April 2004 besteht Gelegenheit zu einmaligen Kinoerlebnissen, zum Dialog über die Filme und zur Verständigung über die Themen, die unsere östlichen Nachbarn beschäftigen«, so die Ankündigung. Neben dem offiziellen Wettbewerb gibt es auch dieses Jahr wieder ein Hochschulprogramm, das am Do., 22.04.04 im Rahmen des Hochschulwettbewerbs I Dokumentar- und Experimentalfilme zeigt. Mit im Rennen: »Ball of Fame«. Carsten Fillinger fasst die Geschehnisse des Films wie folgt zusammen: »BALL OF FAME – Jedem seine eigene Upper Class«

Die Reizschwellen im Jahr 2004 sind gestiegen. Kommerzielle Medien schaffen einen täglich neuen Fundus aus Geschmacklosigkeiten, Tabubrüchen und Privatismen, die unsere Wahrnehmung längst vom Alltäglichen auf das Außergewöhnliche gelenkt haben. Der Superlativ zählt, das Perverse, der Freak. Wer in unserer Welt mag sich da für den kollektiv als vorsintflutlich und kurstädtisch abgeurteilten Sport des Minigolf begeistern?

Gregor Maria Schuberts intimer Blick auf die höchst agile Minigolf-Szene Deutschlands ist eine kuriose Reflektion über die Hingabe zu einem Sport, unabhängig von seinem Ruf. Glamour und Distinktion, Ehrgeiz und Sophistication gehen Hand in Hand, wenn wir die ruhmreichen Wettkampfstätten wie Lorsch oder Bad Münder besuchen. Und wenn uns Landesligagrößen und Vizeeuropameister in die Ikonographie und Techniken ihrer suchtgleich verfolgten Disziplin einweihen, weht ein Hauch von medialer Entzauberung über die Betonpisten.

Auch in der Miniaturausgabe des Einlochsports scheinen Mechanismen männlicher Dominanz- und Triebausübung zu funktionieren, finden wir ursprünglichen Instinkt, typisch maskulinen Kitsch und Pathos. »Ball Of Fame«, der Titel der Dokumentation allein weckt spielerisch Assoziationen patriarchischer Rollenmodelle. Oder sind Machismo und Geschlechtlichkeit etwa nicht das typische Ergebnis einer primär männlichen Vorstellungskraft, die in den »Balls« ihre eigene Potenz zu entdecken scheint?

Am Anblick der unzähligen Bälle, die ein Minigolf-Profi sein eigen nennt (oder eben nicht), erfahren wir hier beispielhaft die Grundlagen sozio-kultureller Mythosbildung. Der »Deutschmann 83«, der »Wagner 23« und der »Turbo 7« — alle sind sie, oft nur schwach kaschiert, Euphemismen auf der ewigen Suche nach Ruhm, technischer Überlegenheit beim perfekten Put oder der eleganten, taschenspielerhaften Körperlichkeit eines Dandys. All das freilich »en miniature«, in einer Legowelt der Upper Class. Sie ist, ganz nebenbei, unserer eigenen Position in einer Gesellschaft, die dem bizarren Charme der Reichen und Schönen erliegt, aber auf den Sofas der Mittelklasse lümmelt, oft sehr ähnlich.

Wenn eine andere Kultur vor allem durch den Charakter des Fremden konstituiert wird, dann setzt das die Gegenwart und Analyse der eigenen Kultur voraus. Haben wir denn etwas zu entgegnen, wir, die Nicht-Minigolfer? Oder stehen wir nur abseits, im faden Schein der Bogenlampe? Von Fliegen umschwirrt, mit einer lauwarmen Limonade in der Hand zum Zuschauer degradiert und nie gefragt, ob wir »mitspielen« wollen, fühlen wir uns doch vor allem dies: ohne Bälle. (Carsten Fillinger)

21. bis 27.04.2004 – goEast 2004 – 4. Festival des mittel- und osteuropäischen Films in – Caligari Filmbühne – Marktplatz 9 (hinter der Marktkirche) – Wiesbaden

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