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Panorama

teeth and smile

Zehn, in loser Reihenfolge aufgelistete Scheinbarbehauptungen (oder: kurz gefasste Langzeitbeobachtungen): Japaner haben schiefe Zähne. In Tokyo gibt es mehr Regenschirme als Regentropfen. Nicht jeder Japaner arbeitet rund um die Uhr, aber: die Japaner arbeiten rund um die Uhr. Japanische Fußgänger warten bei rot (und vergeuden dabei etwa ein Lebensjahr). Gäbe es Tokyo nicht, es gäbe auch keine Haute Couture. Japan ist wechselfeucht und randtropisch. Von 0 für unfreundlich bis 10 für sehr freundlich bekommen Japaner die 10. In Tokyo mangelt es nicht an: Leuchtreklamen, »Hair-Design-Läden«, Warenangeboten, Handys, Verkehrsleitkegel, Getränkeautomaten und – Japanern. Japan ist billig (wenn man will, auch teuer). Japaner sind sehr deutsch.

teeth and smile
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Pop is an attitude, it’s not a style

Meist geht ja Scheiße aussehen und scheiß Musik machen beim Älterwerden Hand in Hand. New Order bilden da eine Ausnahme. Wahrscheinlich ist niemandem klar, wie das Äußerliche zum Klanglichen gekommen ist. Jedenfalls gehören New Order zu den größten Popbands der Gegenwart, so dahin gequatscht. Die, die es auch im Stadion bringen. Heute ist mir die Band (nicht ganz zufällig) über den Weg gelaufen. Mein Fuji Rock 2005.

New Order - HMV Tokyo
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die Katzen

Katzenweibchen Ich weiß nicht genau, was es ist. Wir nennen sie nur »die Katzen«. Ihr bevorzugtes Verbreitungsgebiet ist Shibuya. Äußere Merkmale: Fußmattenhaare, monochromierter Kopf, Höhensonnenendstufenbräune, die Katzenmännchen tragen Trikotshirts, maschinenzerissene Jeans, Nietengürtel und fersenfreie, spitze Schuhe. Die Katzenweibchen unterscheiden sich kaum von ihren männlichen Artgenossen: Stöckelschuhe aus Plastik, weißer Lippenstift, silberlackierte Fingernägel, Handyschmuck und funky Buntwäsche, viel neon. Es gibt Tausende, an manchen Tagen auch mehr. Dem Empfinden nach handelt es sich hierbei um eine asiatische Prollvariante, die Enzyklopädik spricht vom Ganguro, vom »face-black«, in der Hardcorevariante vom Yamanba. Selbst nach drei Wochen kann ich mich nicht wirklich an sie gewöhnen. Die Japaner übrigens auch nicht. Ich selbst habe das kamerascheue Rudeltier nicht besser vor die Linse bekommen; hier gibt es einen weiterführenden Bericht samt Fotogallerie.

Uhrzeigersinn

Heute das (Schulter-) Tattoooo einer Frau gesehen. Eine Uhr, die stand. Auf fünf vor zwölf.

Earthquake rocks Japan

Harajuku Station Eigentlich war ich auf einem guten Weg. Habe mir den Spielort hart erarbeitet und war auf ein schönes Live-Konzert gespannt. Nur leider bin ich in ein Erdbeben geraten. Und mit mir einige andere. Ich wollte gerade ins 20.000 Volt, stand am Bahnsteig der Yamanote Line, als plötzlich kein Zug mehr fuhr. Die ersten fünfundvierzig Minuten habe ich mich meinem Schicksal ergeben, ohne Interesse für den Grund dieses Stopps zu zeigen. Immerhin lag ein langer Abend mit vier japanischen Punkbands vor mir, wie sich bei meiner Recherche herausgestellt hat. Allmählich hat mich natürlich doch die Unruhe ergriffen, da die nervtötende Verzögerung auf Kosten meines Vergnügens gehen sollte (»The quake led to the stoppage of some bullet train services«). Ich entschied mich, die Situation zu ergründen, und schließlich erfuhr ich, dass es im Großraum Tokyo ein Erdbeben der Stärke 5,7 gab. Als es dann auch unter meinen Füßen zu hämmern begann, bekam ich es kurzzeitig mit der Angst zu tun. Plötzlich war ich mitten drin, im Thema, habe mir im Folgenden alle möglichen Untergangsszenarien ausgemalt. Mittlerweile waren knapp zwei Stunden vergangen. Bin dann zu Fuß nach Hause gegangen, später dann zum Karaoke. Die Punks haben wohl ohne mich angefangen.

Kraut rockt

Röstzwiebeln & Co Die Esskultur der deutschen ist erbärmlich. Zu dieser Erkenntnis kam ich während meiner ersten Besuche in Tokyos gigantischen Kaufhäusern, die für gewöhnlich im untersten Stockwerk ihre Lebensmittelabteilung unterhalten, später dann auch in den vielen sensationellen Restaurants, die mich hier praktisch überall umgeben. Um so weniger überrascht war ich, als ich in einem Supermarkt feststellen musste, welche Vorstellung man hier von uns hat bzw. bekommt (fassungslos war ich allemal). Da hier gerade das Deutschlandjahr ist, taucht relativ oft deutsche Exportware auf (man kennt das ja von uns: Italienwoche, Frankreichwoche, Spanienwoche, etc.). Neben Weißwein, Becks und Sauerkraut finden sich da Röstzwiebeln (!), Croutons (!), Salatfix-Fertigsoßen (!), Essiggurken und Kartoffelbrei. Rezepte liegen keine bei.

Baden gehen

Die tiefe kulturelle Kluft zwischen Japan und Deutschland ist dann am deutlichsten zu spüren, wenn man sich in diesem nassen, schweisstreibenden 33-Millionen-Einwohner-Metroplex auf die Suche nach einem Freibad begibt und am Ende keins findet (auf ähnliche Gedanken dürften Japaner kommen, die in Deutschland eine öffentliche Toilette suchen).