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Donna Regina – Late + Apparat – Duplex

Man könnte meinen, dass sich die Aufregung um Donna Regina noch nicht richtig gelegt hat, das gibt es schon den nächsten Longplayer von der Femme fatale und ihren männlichen Mitstreitern, dem Arrangeur und (Multi)-Instrumentalisten Günther Janssen plus Sample- und Sound-Beisteuerer Steffen Irlinger. Um es vorweg zu nehmen: Es macht immer noch Sinn, nach all den Jahren fleißiger Musikproduktion weitere Platten von Donna Regina zu veröffentlichen, Platten, die Pop austragen wie Frauen vor 200 Jahren ihre Babys. Donna Reginas neues Klangbad fußt dabei auf bekannten Rezepten. Die konsequente Verhärtung bereits austrainierter Ideen ist das Resultat unermüdlichen Ausforschens des musikalischen Spektrums elektronischer Tonwerkzeuge. Vieles davon ist Fläche, unterwirft sich dem klaren Gesang der Frontfrau. Analoge Einsprengsel konterkarieren allerdings in schöner Regelmäßigkeit die elektronischen Sounds und stellen den ambienten Konventionen das klassische Einzelspiel, wie wir es aus anderen Genres kennen, gegenüber: mal Xylophon, mal Western-Gitarre, mal Piano, immer schön analog.

Die Suche nach den feinen Unterschieden zu seinen Vorgänger-Alben ist den Experten vorenthalten, die Details zu unterscheiden im Stande sind. Der unkundige Rest sollte Untersuchungen dieser Art gar nicht erst anstellen, da das Oeuvre der Band schon jetzt knapp über 80 veröffentlichte Songs umfasst und der Überblick allmählich verloren geht. Denn das Ehepaar werkelt bereits seit über zehn Jahren an einem weichmütigen Pop, dessen Stimmung allzu oft in Wehmut verfällt. »Late« ist aber nicht als Drohung an den bevorstehenden Herbst zu verstehen, sich seiner Stimmung zu unterwerfen, vielmehr ist Donnas Liebesbeweis in Text und Ton einer feinen Zuversicht gewichen, die bisweilen spitzbübisch das Farbenspiel verblühter Feld, Wald und Wiesen-Panoramen romantisch anschwärmt – eine Zustandsbeschreibung, die letztlich dem Typ »Melancholie« seine wahre Größe unter den menschlichen Gefühlsregungen verleiht (wo sonst, wenn nicht in der Musik, kann ein Gefühl so gut gepriesen werden?)

Drückende Vier-Viertel-Takte gibt’s schließlich auch. Sie liefern die notwendige Dynamik, geben der Musik die irritierende Wankelmütigkeit, aus der letztlich die Stetigkeit der Verhältnisse unter den aneinander gereihten Songs resultiert. Schlafwandeln und Seilhüpfen sind beim Hören von »Late« die empfohlenen Beschäftigungsfelder, ihnen nachzugehen der Schlüssel zum (Hör)Erfolg. Spätgeborene und Junggebliebene erwartet auf diesem Album ein Melodientanz, der elf einfache Promenaden aneinander reiht. Wer Lust hat, summend durch den Park zu spazieren, schnappt sich einen Walkman und lässt seine Stimmritze schwingen.

Ins gleiche formale Horn bläst Apparat alias Sascha Ring aus Berlin. Seine beiden Pole liegen genauso zwischen Akustik und Elektronik, auch wenn E A klar beherrscht. Für Mouse On Marsianer und aphextwinsche Pauschalreisen-Anhänger nach KlingKlong hält »Duplex« so ziemlich jede Stimmung bereit, die moderne elektronische Musik auf Körper und Geist ausüben kann. Sie funktioniert nämlich so ziemlich überall auf der Welt, nur der Dancefloor kann einpacken. Mit ihr kann man durch Marzahn spazieren und erblickt in den schalen Wänden deutschdemokratischer Fehlentwicklung sechs Zimmer/Küche/Bad. Oder um in Hessen zu bleiben: die Resultate der verfehlten Sanierungsarbeiten des Dicken Buschs bekommen durch Songs wie »Contradiction« oder „Warm Signals“ die Patina der Frankfurter Paulskirche (das polychrome Verkaufsgebäude von Ikea hätte demzufolge wahrscheinlich die Wirkung eines LSD-Trips).

»Duplex« ist bereits das dritte Album des Musikers unter diesem Namen. Der Infozettel fasst das ambivalente Verhältnis der beiden Vorgänger zum neusten Streich wie folgt zusammen: »Ging es bei „Multifunktionsebene“ und „Trrrial and Eror“ vor allem um autonom erzeugte Fehlerhaftigkeit, Systemabstürze und Zufälligkeiten, ist „Duplex“ fast ein metaphysischer, beinahe eso-technischer Review einer schizophrenen Bewusstwerdung zwischen 0 und 1«. Ist zwar blödes Geschwafel, die Worte für sich genommen wecken dagegen schöne Assoziationen. Auf der Homepage nennt Sascha Ring seine wundervolle Formel kryptisch »random algoriddims for human brains«. Zufällig klingt auf diesem Album jedoch gar nichts.

Aber was ist nun mit der Musik? Um es etwas offensiver zu formulieren: »Duplex« ist ein Traum in zartrosa. Oder: »Duplex« ist Gott (und Surrogat Brezelverkäufer). Wahlweise auch: »I love you, Duplex«. Da geht einiges. Dem martialischen Projektnamen stehen blütenreine Peacemaker gegenüber, Songs, die wie Beta-Blocker gegen Bluthochdruck wirken. Mit einer Süße ausgestattet, die bei zu großer Dosierung nach strengen, diätetischen Maßnahmen verlangt. Klarer Fall: Album des Monats!

War mir Shitkatapult bisher hauptsächlich für seine geraden Techno-Releases bekannt, ist mit der aktuellen Platte von Apparat ein neuer Weg eingeschlagen worden, der das Label in’s Undeutbare führt: Shitkatapult steht mehr den je für ein Markenerzeugnis denn für eine eindeutige Musik-Gattung. Und mit/seit »Duplex« ist auf dem Label zukünftig wohl alles möglich.

Donna Regina – Late (Karaoke Kalk) + Apparat – Duplex (Shitkatapult)

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4 Gedanken zu „Donna Regina – Late + Apparat – Duplex“

  1. ich weiß, ein längst toter begriff, den ich mir jetzt aber einfach wiederhole: für „duplex“ lasse ich „konzeptalbum“ gelten, wie’s da in wellen auf- und abtaucht, und dann wieder auftaucht. wunderbar.

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