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best of 2025

Die besten Alben 2025 – Plätze 3 bis 1

Rolands Nr. 3:
Billy Nomates – Metalhorse
(Invada)

Ich mag alles an ihr. Stimmfarbe, Attitude, Witz. Mit diesem Album geht sie nochmal einen Schritt weiter rein in den Pop, gewisse Rotzigkeit natürlich immer noch vorhanden. Ist tatsächlich ihr bestes Album geworden. Was mir besonders daran gefällt, ist die Reduziertheit, ganz konzentriertes Songwriting, effektiv, sich den Vibe der 1980er holend, ohne irgendwelche 1:1-Nachbauten. So stelle ich mir heutige Radiomusik vor, wie sie sein müsste, bin fast überrascht, dass sie nicht längst richtig big ist, aber so funktioniert das ja andererseits auch nie.


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Carstens Nr. 3:
TOPS – Bury the Key
(Ghostly International)

TOPS sind so eine Band, die man seit Jahren begleitet, ohne dass sie je laut um Aufmerksamkeit bitten. Montreal, früher Arbutus, jetzt Ghostly International – der Karriereweg ist fast schon verdächtig geschmackssicher. Bury the Key ist ihr erstes Album seit einer kleinen Ewigkeit. 

Musikalisch bewegen sie sich weiterhin in diesem weichen Zwischenraum aus Sophistipop, Softrock und leicht auf den staubigen Dachboden gefallene Disco. Auch hier, wie bei anderen Alben dieser Liste viel Westcoast-Gefühl, aber nicht so sonnig, eher Abendlicht. Rhodes, geschmeidige Bassläufe, Gitarren, die nie glänzen wollen, sondern tragen. Jane Pennys Stimme steht wie immer im Zentrum: kühl, kontrolliert, aber nicht abwesend. 

Manchmal fast zu sweet, um wahrhaftig zu sein – aber genau dann schiebt sich ein ein dunkler Akkord rein, ein leicht bitterer Text. Sehr elegant.


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Gregors Nr. 3:
Little Simz – Lotus
(AWAL Recordings)

So klein ist Little Simz gar nicht mehr. Lange Zeit galt sie als eine der gaaaanz, ganz Großen, die die Zugspitze nur von Bildern kennt. Ein Kritikerliebling eben. Mit ihrem sechsten (!) Album Lotus könnte dieser scheinbare Makel überwunden werden, so habe ich es zumindest mit 20% Sehschärfe vernommen. Die Kritiken zumindest waren eindeutig. Gehört sie nun endlich zum Pantheon des Pop?

Thematisch dreht sich vieles um den Beef mit ihrem ehemaligen Co-Produzenten Inflo und ihre Trennung. Das ist zwar zunächst nicht besonders originell, aber eben Teil des Rap Games. Sie ist und bleibt aber eine hervorragende und fesselnde Geschichtenerzählerin, die musikalische Eleganz und präzise Analyse in mindestens sieben Himmelsrichtungen ausbreiten kann. Tendenz mit diesem Album steigend. Dafür ist auch die radikale Bandbreite an Stilen und Klängen verantwortlich.

Allein ist das natürlich nicht zu machen. Weitere Mitwirkende sind Michael Kiwanuka, Yussuf Dayes, Obongjayar und Rosie Danvers, die die Streicharrangements beisteuert. Gemeinsam mit dem Neuen an Bord, dem Produzenten Miles Clinton James, gelingt 2025 das bisher beste Little-Simz-Album.


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Rolands Nr. 2:
The Tubs – Cotton Crown
(Trouble in Mind)

Melodisches Gitarrengeschrammel darf niemals sterben und wird in meinem Herzen auf ewig blühen. War ganz lange meine Nr. 1 und ist sicher mein meistgehörtes Album dieses Jahr, es ist aber auch pickepackevoll mit allen möglichen Referenzen von Hüsker Dü über Sundays bis Wedding Present, die vielleicht sowas wie ihre Patenband sind – folglicherweise gehen sie auch gerne mindestens in Wales gemeinsam auf Tour.

Live sind sie sehr nahbar und albern, was sie natürlich auch nochmal die Sympathieskala hochklettern ließ.


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Carstens Nr. 2:
Baxter Dury – Allbarone
(Heavenly Records)

Endlich wieder ein schlecht gelaunter Engländer. Nach all der Westcoast- Seligkeit, den sanften Innenwelten und achtsamen Befindlichkeiten kommt Baxter Dury rein, mustert den Raum und weiß, dass er hier eigentlich gar nicht sein will. Coole Sau nicht im Fashion-Sinn, sondern im abweisenden Sinn.

Musikalisch ist das so straff wie lange nicht von ihm gehört. Klare, tanzbare Beats, wenig Zierrat, alles sitzt. Darüber dieser familientypische Sprechgesang, der klingt, als hätte jemand den verschwitzten Anzug anbehalten, obwohl die Party längst vorbei ist. Halb Crooner, halb Beobachter, er kommentiert Zustände. Und das ziemlich genüsslich.

Besonders schön teilt er gegen die Londoner Insta-Schickeria aus. „You’re just a bunch of soul-fuckers who rate yourselves“. Herrlich. Überall Aufgeregtheit, Haltung und Geschmackspolizei. Dury steht daneben, rollt die Augen und notiert. Präzise formulierte Müdigkeit. Tut auch mal gut.


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Gregors Nr. 2:
Geese – Getting Killed
(Partisan Records / Play It Again Sam)

Das Ding hat Wumms, kann man nicht anders sagen. Als eine der aufregendsten neuen oder nicht mehr ganz so neuen Rockbands aus Brooklyn haben sie nun das erreicht, was schon länger im Raum steht: Ihr drittes Studioalbum bringt den internationalen Durchbruch und in der Kritik hagelt es Zehn-von-Zehner. Bei aller musikalischer Raffinesse muss man mit Sänger Cameron Winter anfangen. Seine Stimme liegt konstant 12db über der Mischung. Nölgesang, der sich gleich vor zwei großen Sängern verbeugt: Thom Yorke und David Byrne in einem. Okay, kann er nix zu, aber das, was er daraus macht, ist bemerkenswert. Dazu seine fragmentarische, assoziative Sprache. Trotz einer spürbaren Ernsthaftigkeit für kein Lächeln zu schade (“Yeah, there’s a horse on my back”) und keiner Spitze zu krumm (“I’m getting killed by a pretty good life”).

Die Arrangements sind originell, ohne aufzufallen (für Indierock schon eine Leistung), unvorhersehbar und vertrackt, obwohl die Musik sich im ständigen Fluss befindet (Motto des diesjährigen Polls: Komplexität ist der neue Flow). Und doch ist es auch das Werk einer großen Rhythmusgruppe! Schüttel dich, erst die Hände, dann die Arme, Schultern, Brustkorb, Bauch. Und jetzt: Alle Muskelgruppen auf einmal!

Die Brillanz des Albums ist nicht zu überhören. Die kreative Kraft, das feine Gespür für Melodie, die unverkennbare Selbstsicherheit, die alle großartigen Bands auszeichnet. „Getting Killed” hat das Zeug zum Klassiker. Wir sprechen uns in zehn Jahren wieder.


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Rolands Nr. 1:
Racing Mount Pleasant – Racing Mount Pleasant
(R&R Digital)

Es wird Zeit, dass bald eine Machtdosesendung mit dem Thema „Die Renaissance des Saxophons bei Indiebands“ kommt. Gerade dieses Jahr poppten sie dann wirklich überall auf: achtköpfige oder noch größere Bands von Musikstudierenden mit mindestens zwei Saxophonen und gerne noch drei Geigen obenauf, dazu nicht selten existenzieller Dringlichkeits-Gesang. Aber: das sind tatsächlich oft auch alles ziemliche gute Bands und alle haben gefühlt dieses Jahr ein Album herausgebracht, sei es die OGs Black Country, New Road oder die fröhlichen Dekonstruktivsten von Caroline oder auch so zwei hervorragende chilenische Bands wie Hesse Kassel und Candelabro. Stellvertretend für diesen Trend und natürlich auch ganz für sich selbst sind jetzt doch Racing Mount Pleasent auf meine Spitze geklommen.

Interessanterweise konnte ich beobachten, dass sie kritikerseits gar nicht sooo gut wegkommen. Wenn man sich aber z. B. usergenerierte Charts auf entsprechenden Seiten wie Rank my music oder Album of the Year anschaut, sieht’s dann schon wieder ganz anders aus, da werden sie mehr oder weniger nur von Geese übertrumpft.

Woran liegt das? ich glaube, weil RMP es eben dann schon sehr gefällig machen, der Gesamtorchestersound scheint mir nochmal mehr auf Glattheit abgestimmt, das mag dann dem Kritikerohr nicht so spannend scheinen, aber stimmungsmäßig kann ich sagen, konnte ich mich in nichts so gut reinfallen lassen wie in dieses wirklich komplett immersive Album.


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Carstens Nr. 1:
Geese – Getting Killed
(Partisan Records / Play It Again Sam)

Ich stimme ein in die Euphorie. Ja, Geese könnten so was wie die Erneuerer des Rock sein. Ich war schon lange nicht mehr so aufgeregt und emotional als beim ersten Hören dieses Albums. Eine Rückkehr des Rock, von der gesetzte Herren wie ich gerne mal träumen, ist ja nicht die Rückkehr von Gitarrenmusik. Das wäre zu banal. Was diese New Yorker uns da schenken, ist der Mut zum Chaos, zum Übertreiben, zur Unberechenbarkeit und zum hemmungslosen Gefühlsausbruch. 

Bandmusik, die körperlich ist und physisch erlebbar, die aus dem Moment entsteht. Manchmal denke ich an Jagger, an den frühen Springsteen, manchmal an Gregg Alexander. Geese verwursten steifen Art Rock und Folkseligkeit genauso wie Stakkato-Funk und derbe Noise-Elemente. Cameron Winter, der Sänger, überschlägt sich, grunzt, stöhnt, säuselt und bringt unvergessliche Zeilen mit Biss und Humor hervor. Kurz: Geese strotzen vor kreativer, computerloser Energie. Und das steckt (mich) wahnsinnig an.


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Gregors Nr. 1:
Stereolab – Instant Holograms On Metal Film
(Duophonic Ultra High Frequency Disks / Warp Records)

„Instant Holograms On Metal“ ist ein Album, mit dem wohl niemand gerechnet hat. Zuletzt war Sängerin Lætitia Sadier solo unterwegs und ich dachte, die regelmäßigen Bekanntmachungen von Stereolab in den sozialen Medien würden nur noch dazu dienen, Erinnerungen wachzuhalten. Sie zählen zwar zu den größten Melody Makern der 90er Jahre, haben aber nie den Nachhall erreicht, der ihr Werk im popkulturellen Gedächtnis festgeschrieben hätte. Oder irre ich? Stereolab sind auf jeden Fall nicht die Pixies oder Pavement.

Mit den beiden Vorab-Singles „Aerial Troubles“ und „Melodie is a Wound“ feierten Stereolab im Frühjahr nach 15 Jahren ihr Comeback. Ein paar Wochen später erschien „Instant Holograms on Metal Film“ über ihre Stammlabels Duophonic und Warp. Und es übertrifft jede Erwartung! Böff! Wer eine Alternative zur globalen Apokalypse sucht, wird hier fündig. Das Album geht gnadenlos in Opposition zu all den Motherfuckern da draußen und bleibt dabei so entspannt wie ein Rotkehlchen beim morgendlichen Wurmverzehr.

Der Sound ist nach wie vor unverwechselbar und dennoch neu. Mit endlos ineinandergreifenden Instrumentalparts verbindet die Musik Elemente aus Krautrock, Lounge-Jazz, Psychedelic Pop und meinetwegen Shoegaze. Viele Songs sind länger als sechs Minuten, genug Zeit, um mit Marimba, Trompete, Flöte, Vibraphon, Saxophon, Klarinette und modularen Synthesizern kaleidoskopische Muster epischer Schönheit zu erschaffen. Da zuckt’s schon mal ordentlich im Beckenboden.

„Instant Holograms On Metal Film“ ist anspruchsvolle Musik für anspruchslose Zeiten. Ich freue mich, dass sie wieder da sind. Aus Treue auf Eins!

Die besten Alben 2025 – Plätze 6 bis 4

Rolands Nr. 6:
Mei Semones – Animaru
(Bayonet Records)

Ich weiß nicht, ob es Ihnen auch auffällt, aber unsere Charts sind ein einziges Übereinandergelage von allen möglichen Mischmaschs, was nun auch gerade für Mei Semones gilt: sie singt auf japanisch und englisch, zupft Bossa Nova, scattet jazzige Anhauchungen, auf Folkanleihen folgen Indie-Rock-Breaks usw. usf.

Insgesamt ergibt das scheinbare Durcheinander aber ein überraschend stimmiges Bild von hauchzarter, durchlässiger Leichtigkeit.


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Carstens Nr. 6:
Dressed Like Boys – Dressed Like Boys
(Mayway Records)

Jelle Denturck ist Frontmann der so eher okayen belgischen Indie-Rocker DIRK, sehr populär in ihrer Heimat. Mit dem Weezer-Powerpop seines Mutterschiffs hat sein Soloalbum gottlob recht wenig zu tun.

Überraschenderweise ist da ein leiser und durch und durch fähiger Songwriter der allerklassischsten Schule aus der Kiste gehüpft. Und mit klassische Schule meine ich die großen Referenzen der Siebziger: McCartney, Piano-Lennon, Nilsson und vielleicht auch Elton John vor der Stadionphase. Eben aus der Zeit aus der persönliche Gefühle ernst genommen wurden, aber noch nicht Haltung, sondern gesungene Geschichten waren. 

Sein Songwriting ist der eigentliche Trumpf. Strophen, die tragen. Refrains, die aufgehen und nicht schreien müssen. Alles wirkt selbstverständlich, fast unaufgeregt. Kein Zeitgeist-Produkt, kein Kommentar zur Gegenwart, sondern ein selbstbewusstes Bekenntnis zu Strophe und Refrain als einem Kosmos, den man immer noch bereisen darf. Sehr wohltuend.


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Gregors Nr. 6:
Bitchin Bajas – Inland See
(Drag City)

Elektronik, Jazz und Fläche – wer jetzt ein freudiges Juckeln verspürt, muss nicht weiterlesen und kann sich direkt der Musik zuwenden. Ich freue mich wie ein Lebkuchen im Advent, endlich mal wieder Musik aus Chicago! Was haben wir das früher gefeiert! Und dann auch noch via Drag City! (Von wegen Labels haben ausgedient.)

Trotz ihrer 15-jährigen Bandgeschichte hatte ich das Trio bisher nicht auf dem Schirm. Das ist Schwingschwang in bester Machart und eine geradezu fantastische Möglichkeit, das Vergehen der Zeit in einem Zustand der Schwebe zu erleben. Präzise arrangierte Pieptöne und Blubbergeräusche und kosmische Glissandos, die Musik wächst wie Cumuluswolken in die Höhe, verwandelt sich, zerfasert, verdichtet sich wieder, ist ständig in Bewegung und nie endgültig. Spannung und Entspannung. Ihr merkt schon, das alles ist sorgfältig durchdacht und hat viele kleine, aber wirkungsvolle Produktionsdetails. Berauschend schön, wie ich finde, mit kurzen, elektrisierenden Glücksmomenten.


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Rolands Nr. 5:
Say She She – Cut & Rewind
(Drink Sum Wtr)

Seit Gregor sie mir über die vorletzten Jahrescharts nahebrachte, bin ich absolut obsessed und höre alles Neue immer sofort, nach der Art: könnten auch das Telefonbuch singen (stattdessen kloppen sie zwischenzeitlich mal eins der besten Talking-Heads-Cover ever raus, aber ich schweife ab).

Wäre ich schwerreich, würde ich sie mir als persönliche Partyband dauerbuchen. Da kommen sie zweifelsohne her, aber lasst Euch nicht täuschen: das Album ist zwar Disco-Album durch und durch, birgt aber eben doch genug thematische und auch Stimmungs-Abweichungen, da geht’s dann also doch um mehr als nur ums Hotten (also da geht’s schon sehr drum, aber Ihr versteht schon).


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Carstens Nr. 5:
Moscoman – Caviar
(Disco Halal)

Moscoman heißt eigentlich Chen Moscovici, kommt aus Tel Aviv, lebt in Berlin und bewegt sich seit Jahren souverän zwischen Club, Labelarbeit (Disco Halal) und einem klaren Interesse auch an Band-Ästhetiken. Bevor elektronische Musik für ihn zentral wurde, waren da Indie, Rock und Postpunk – und genau das hört man Caviar an. 

Bei aller Konsistenz – natürlich ist wieder so ein Retro-Auto auf dem Cover – ist diesmal der fröhliche Synthpop seines Hits „What do we care“ etwas aufgebrochen, weniger Peak-Time und mehr Spannung. Basslinien mit deutlicher Postpunk-DNA, stoische Grooves, Chorus-Gitarren, dazu Synths, die eher Atmosphäre schaffen als Effekt. New Wave und frühe Achtziger sind immer da, aber ohne Retro-Show. Das Ganze bleibt kühl, leicht melancholisch, manchmal too much, manchmal bewusst spröde. Tanzbar, aber nicht zwingend. Obwohl, eigentlich schon.


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Gregors Nr. 5:
FKA Twigs – Eusexua
(Atlantic / Young)

In der Presse und bei den Fans gilt sie ja als Avantgarde. Mir fehlt ehrlich gesagt das nötige Know-how, um das richtig einzuordnen. Und doch ist da irgendetwas, das mich kaum daran zweifeln lässt.

Der Gesang ist wie auf ihren Alben davor gesetzt, da kommen weder (ihre eigenen) Vocoder noch Autotune gegen an ­– oder Normalsterbliche. Das reicht von hauchzartem Gesäusel bis hin zu Mariah-Carey-ähnlichen Falsetten und dröhnendem Kläffen.

Musikalisch ist „Eusexua Little“ ein Brett für Herz und Verstand. Oder doch vielleicht: Technobrett? (Während sie im gleichen Augenblick von Techno zu House zu Garage zu Drum and Bass wechselt). Das Album beharrt nicht auf starren, durchgehend hämmernden 4/4-Beats, sondern entwickelt eine deutlich freiere und nuanciertere Rhythmik und ist doch aus der gleichen Spinnerei. FKA Twigs konzentriert sich stets auf die Fäden, die uns tanzen, zucken, ruckeln und schreien lassen. Und durch die geschmeidige, experimentelle Verflechtung von Beats, Tönen und Songstrukturen erreicht sie eine ätherische Dichte, die die Grenzen zwischen Körper und Klang nahtlos… „I describe it as a moment before an orgasm“ (FKA Twigs).


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Rolands Nr. 4:
pôt-pot – Warsaw 480km
(Felte)

Eine irische Band aus Lissabon. Ich habe keine Ahnung, wie der Bandname ausgesprochen, dafür aber davon, was hier geboten wird. Gitarre. Und zwar eine auf Reisen. Es ist scheinbar immer dieselbe, die durch die Lieder wandert, aber die bzw. deren Bedingungen ändern sich dauernd, mal geht’s durch Krautrockgestrüpp, dann wieder an die Surfbeach, hier ist mal im Swinging-Sixties Vorort, als nächstes aber wieder hinab in den verrauchten Beatniks-Keller. Ein Trip also, durchaus mit psychedelischem Schwerpunkt, aber die Gitarre, die bleibt dabei glasklar und auf ihrem Weg.


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Carstens Nr. 4:
Whitney – Small Talk
(Secretly Canadian)

Es ist schon interessant, wie dieser Westcoast-Pop-Sound der späten 70er und frühen 80er gerade wieder auftaucht. Damals als weichgespült gescholten, vor ein paar Jahren etwas dämlich als „Yachtrock“ gebrandet, jetzt plötzlich richtig da. War vielleicht nie wirklich weg. Hakenlose Musik für Fahrten ohne Ziel. Passt ja so ins Grundgefühl.

Whitney bewegen sich genau in diesem Koordinatensystem, aber ohne das nervöse Reenactment. Während Young Gun Silverfox eine technisch versierte Steely-Dan-/Doobie-Brothers-Simulation abliefern (inklusive diesem drögem Besserwisser-Studiomucker-Getue) sind Whitney weniger perfekt, weniger geschniegelt, dafür spürbar persönlicher. Es geht nicht nur um Referenzen, sondern auch mal Gefühle.

Sänger Julien Ehrlich hat so einen Hauch von Peter Cetera, manchmal blinzelt sogar der frühe John Denver ums Eck. Indie-Soft Rock der das Herz erwärmt, ganz ohne Angeber-Akkordwechsel.


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Gregors Nr. 4:
Peki Momés – Peki Momés
(Mocambo)

Ich mag es, wenn viel Buntwäsche in der Waschmaschine landet. Im Schleudergang entstehen dann meist wunderschäne Farbspiele, die sich durch das Türglas bewundern lassen. Der Waschsalon als Treffpunkt für alle möglichen Farben und Menschen. Peki Momés gleichnamiges Album ist ähnlich vielfältig verspielt und eignet sich perfekt für eine Laundry-Party. Tolle Arrangements in glitzerglattem Avant-Popzauber. Man sagt, das Ganze nennt sich Turkish City Pop.

Peki Momés wohnt in Leipzig, hat türkische Wurzeln und keine musikalische Vorbildung, dafür aber ein Team, das die Lücken zuspielt. Wo wir nahtlos beim zweiten Punkt wären, der mich zwar nicht überrascht, mich aber umso mehr begeistert. Türkisch ist eine unglaublich schöne Singsprache. Unfassbar. Ihr Gesang klingt ölig-locker wie eine gut geschmierte Lambretta und ist so was wie das Feinwaschmittel des Albums.

Den Grundton setzen die 1960er Jahre. Das Internet der Dinge offenbart eine faszinierende Schichtung weiterer Einflüsse: Anadolu Rock, City Pop – jenes urbane „Big City Feeling“ aus Japans Wirtschaftsboom-Ära der 70er und 80er mit Jazz- und R&B-Nuancen –, Psychedelia, Disco und Funk. Schwer in Ordnung, was da auf Albumlänge passiert.

Die besten Alben 2025 – Plätze 10 bis 7

Rolands Nr. 10:
Glazyhaze – Sonic
(Self Release)

Die Rondo Veneziano des Shoegaze. Man verzeihe mir den Kalauer, aber da sind Glazyhaze halt her und bedienen souverän das Genre, für das wir auf dieser Seite vielleicht die größte Schwäche hegen und also auch in diese nächste Gondel gerne steigen.

So schwankt es sich schön die Gitarrenwellen entlang, Die Band ist jung, man spürt zwar sehr genau,, woran sie sich orientieren, dennoch wird kein Totentanz draus. Traumwandlerisch ja, aber nicht verklärend. Frisches Wasser für alte Kanäle.


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Carstens Nr. 10:
Jason IsbellFoxes in the snow
(Southeastern)

Manchmal, aber nur manchmal, da führt der Weg zur Zukunft über die Rückbesinnung. Jason Isbell ist ein alter Haudegen, Singer-Songwriter aus der amerikanischsten aller Schulen, left-wing, demokratisch, aus Tennessee stammend und mit Bluegrass und Country erzogen. Ach ja, und Schauspieler ist er auch. Für Scorcese zum Beispiel. Wenn es mal wieder authentisch sein soll.

Sein 10. Album hat er im Electric Lady Studio in New York aufgenommen. Und es ist ein Bekenntnis zum Anfang: Nur mit einer 40er-Jahre Martin unter dem Arm singt er Songs über die Zerrissenheit des Alltags in den USA 2025. Und hat einfache, klare und deshalb umso berührender Botschaften parat. Wenn Menschlichkeit, Mut und Miteinander (hab ich das gerade wirklich geschrieben?) einen Neustart bekommen sollten, sieht das vielleicht so aus. Von vorne anfangen, Song für Song. Und erstmal die einfachsten Gefühle klären


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Gregors Nr. 10:
Miki Berenyi Trio – Tripla
(Bella Union)

Ach, wie schön! Lush sind zurück oder zumindest ein kleiner aber wichtiger Teil davon. Miki Berenyi, die ehemalige Sängerin und Gitarristin der 1990er-Jahre-Shoegaze-/Dreampop-Pioniere, steht nun an der Spitze eines neuen, gleichnamigen Trios, begleitet von KJ „Moose“ McKillop und Oliver Cherer.

Als Berenyi im Jahr 2022 ihre Memoiren veröffentlichte, war ihr vermutlich klar, dass Lesungen mit Songwünschen einhergehen würden. Kurz darauf kam es dann auch zu ersten Gigs, aus denen neues Material entsprang. „Tripla“, das Debüt des Miki Berenyi Trios, trägt die Spuren der Zeit, ohne in Nostalgie zu verfallen. Die schimmernden Weiten des Dreampop, da sind sie wieder, mit schönen, satten Synthie-Oberflächen, einer pumpenden Drum Machine, Shoegaze-Gitarrenwänden und der wunderschönen Stimme Berenyis.


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Rolands Nr. 9:
Deradoorian – Ready for Heaven
(Fire Records)

Angel Deradoorian hat den passenden Namen. Himmlisch und beschwörend, mit diesen beiden Attributen wäre die Musik ihres zweiten Albums schon ganz gut beschrieben. Der Albentitel ruft – ganz profan – den Himmel herbei und musikalisch geschieht das, wofür wir eine Lieblingsvokabel haben: „treibend“, heißt, einerseits rhythmisch interessant, andererseits ordentlich ausrollend.

Das erzeugt Sogwirkung und gerade auf Albumlänge zwingt uns diese Mentalistin in Hypnose, einige Zaubertricks inklusive.


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Carstens Nr. 9:
Curtis HardingDepartures & Arrivals: Adventures of Captain Curt
(Anti-)

Ja, das schreit alles nach Gutfinden-Müssen. Diese Covergestaltung! Die verhallten Rare Grooves! Das kleine Tape Echo auf der Stimme! Orgeln! Flatwound-Bass! Motown-Streicher! Und dann auch noch die Stimme. Nicht so ein Poser-Soul mit zuviel Noten pro Wort. Sondern cool, bebend, sexy und hab ich schon cool gesagt? Da kommt gerade ein Minimoog-Solo rein, ich dreh ab.

Das wirkt alles entworfen und durchdacht und von der Kreativdirektion schlüssig inszeniert. Aber wisst ihr was, Freunde der sogenannten Authentizität? Wenn die Direktion echt gut ist, dann kommt so etwas wie „Stranger Things“ dabei raus, oder „Mad Men“. Oder eben so ein rundum funktionierendes Retro-Soul-Album. Ich bin dabei. Und zwar sowas von. Es klingt wie von einer ÄI entworfen. Ästhetischer Intelligenz. Der musste sein.


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Gregors Nr. 9:
Sven Wunder – Daybreak
(Piano Piano)

Dass ich Sven Wunder überhaupt kenne, verdanke ich einer Maschine, denn vor nicht allzu langer Zeit wurde mir die Single „Take a Break” als hörenswert vorgeschlagen. Und ja, das ist sie wirklich! Auch Luxusmarken wie Louis Vuitton und D&G haben das Stück in ihre Kampagnen integriert und so Sven Wunder zu größerer Popularität verholfen. Hier passt er auch gut hin, denn die Eleganz seiner Kompositionen verspricht ein Höchstmaß an Glamour, auch auf „Daybreak“. Es gibt Streicher und Bläser sowie einen sanften, leicht swingenden Groove mit einer deutlichen Referenz an die 70er Jahre.

„Aua“ schreit hier niemand. Böse Zungen nennen es Library Music (ein besseres Wort für Langeweile). Etwas geadelter klingt der Vergleich mit Komponisten wie Ennio Morricone, Henry Mancini und Piero Umiliani. Ich stehe mittendrin, bin einerseits schwer fasziniert und lasse mich gerne von seinem filmischen Klangbild verführen, um mich einen Track später im Fahrstuhl zu wähnen. „Daybreak” ist bereits Wunders fünftes Album. Letztlich erweist es sich als Platzhalter für alles, was dieser Mann bisher veröffentlicht hat. Respekt, dass sich überhaupt jemand an diese Art Musik wagt. Muss man mal gehört haben!


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Rolands Nr. 8:
Hannah Frances – Nested in Tangles
(Fire Talk)

Dieses Jahr war ich auf einem enttäuschenden Konzert der Band Florist, über das ich sonst den Mantel des Schweigens breiten möchte, was aber den eher seltenen Fall hervorbrachte, dass der Vor-Act besser / interessanter ausfiel als die eigentliche Hauptattraktion. In Gestalt von Hannah Frances, mir bis dahin kein Begriff. Der Auftritt lief ganz simpel: sie kam mit Gitarre, sprach zwischendrin schüchtern und sang. Stimme toll, erinnerte mich an Laura Marling.

Was das kurz darauf veröffentlichte Album überraschender machte (da auch die Vorgänger eher reduziert ausfielen), es passiert hier doch einiges mehr bei den Arrangements, den Stimmungen, dem Songwriting und verlässt jede Simplizität. Mein spätester Eintrag in die Tops, könnte noch wachsen.


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Carstens Nr. 8:
Blood Orange – Essex Honey
(RCA / Domino)

Ich verstehe völlig, wenn einem das hier viel zu langweilig ist. Man will ja Singles rausgreifen, Höhepunkte und schwächere Tracks diskutieren und so. Aber bei Essex Honey habe ich mir keinen einzigen Titel gemerkt. Ein Album als Zustand. Nachtmusik. Sehr atmosphärisch, Intimität und Privatheit als Thema. Das hat man von Dev Hynes nun schon immer gehört, trotzdem finde ich er hat eine neue Ebene erreicht.

Man atmet so von Stille zu Hook zu einsamer Harmonika. Springt traumverloren von Postpunk-Bass zu Kevin Parker-Vocals und verliert zeitlich den Faden. Bis die Schönheit dieser Collage dann zu Ende geht. Da stellt man fest, dass Essex Honey ein wenig wie die perfekte Raumtemperatur ist. Drängt sich nicht auf, aber fehlt ungemein, wenn sie weg ist.


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Gregors Nr. 8:
Oneohtrix Point Never – Tranquilizer
(Warp Records)

Die exzellenten Kritiken zu „Tranquilizer“ haben mich schnell neugierig gemacht. Ich dachte, Daniel Lopatin hätte auf seinen zehn vorherigen Oneohtrix-Point-Never-Alben bereits alles erzählt, folglich schwand zuletzt mein Interesse. Seine Alben waren zwar schon immer Klangereignisse, doch der scheinbaren Sättigung zum Trotz knüpft „Tranquilizer“ dort an, wo „Replica“ aus dem Jahr 2011 aufgehört hat. Das Album ist eine glänzende Rückkehr zu alter Form. Die Arrangements basieren diesmal auf einer Reihe kommerzieller Sample-CDs, die er Anfang der 2020er Jahre im Archive gefunden hat – vorgefertigte Sammlungen lizenzfreier Sounds, die in den 90er- und frühen 2000er-Jahren an Musiker und Produzenten verkauft wurden.

Es ruckelt und zuckelt, ständig herrscht chaotische Unordnung, darüber liegen New-Age-Synthesizer, Schnipsel von Streichern, gedämpfte Trompeten, Glockenspiel und Flöten, das Knistern alter Vinylplatten, Satie-artige Klavierfiguren und vieles mehr. Eine schillernde Vielfalt von Klängen und Ereignissen im ständigen Wechsel, immer kommt und geht etwas, alles ist geheimnisvoll, aktiv und passiv zugleich, experimentell und dennoch hörbar. Die Fülle seiner Ideen ist schlicht atemberaubend. Und ja, es ist Musik! Auch wenn man hier mit den üblichen Begriffen wie Melodie, Harmonie oder Rhythmus nicht weit kommt. Vielleicht ist es auch Science Fiction.


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Rolands Nr. 7:
Ada Oda – Pelle d‘Oca
(62 Records)

Unter Sonnenscheinaspekten war dieser Sommer eher naja, da half zur Aufhellung dieses Stückchen Dolce Vita. Tatsächlich und wirklich das Indie-Pendant zu Italo-Pop, jedenfalls für mich. Die Band ist übrigens gar keine italienische, sondern aus Brüssel und soweit ich weiß, war nur die Sängerin italienischer Herkunft. War, denn die Band hat sich sofort nach Veröffentlichung dieses, ihres zweiten Albums aufgelöst.

Sehr traurig, hätte ich supergern live gesehen bei einem Eis am Stiel. Ist, ich meine war, auch keine Gimmickband, wie man vielleicht nach der Konstellation mutmaßen könnte (in meiner Fantasie wäre dies vielleicht ein Trennungsgrund, wenn so wahrgenommen), denn hört Euch das Album an, etwa „Sicurezza Priorità“ (nicht unten verlinkt), den ich eigentlich in die Songliste hätte bringen MÜSSEN, wäre das Jahr nicht so voll gewesen, dass ich mir keine Doppelnennungen bei Songs und Alben erlauben konnte.


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Carstens Nr. 7:
Hatchie – Liquorice
(Secretly Canadian)

Machen wir es kurz: Harriette Pilbeam, Australierin, Gen Y, mit einem Bachelor-Abschluss für die Creative Industry geschult, hat musikliebende Eltern. Die sind wohl ungefähr so alt wie die Autoren dieser Reviews. Es liefen Mazzy Star, Sundays, Siouxsie Sioux… die Cocteau Twins. Also all die Dreampop und Shoegaze-Grundlagen, die heute auf TikTok wieder gefeiert werden.

Ein wenig ist es bei Hatchie und diesem mittlerweile dritten Album wie mit dem neuen Zeichner von Asterix. Dem ist ja gelungen, den Mythos, den Charme und den Zauber des Originals einfach fortzuführen. Nicht als Kopie, sondern als Weitererzählung und Erneuerung. I love it. Selbst Roland, der wie ich „Heaven or Las Vegas“ für eines der tollsten Alben aller Zeiten hält, wird sich diesem Zauber nicht entziehen können.


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Gregors Nr. 7:
Nusantara Beat – Nusantara Beat
(Glitterbeat / Demajors)

In den smaragdgrünen Wellen des indonesischen Archipels, wo die Ozeane ihre alten Lieder flüstern, leuchtet die Seele Nusantaras. Nusantara bezeichnet die Inseln zwischen Asien und Australien, die das Majapahit-Reich einst zu vereinen trachtete, um den Traum von einem geeinten Archipel unter einer Krone zu verwirklichen. Dieser Traum liegt bereits Jahrhunderte zurück. Heute verkörpert Nusantara das Zusammenfließen unzähliger Kulturen zu einer lebendigen Gemeinschaft.

Genau diese Mission verfolgt die niederländische Band Nusantara Beat mit ihrem facettenreichen Sound. Ihr Bassist stammt aus der indonesischen Provinz West-Java und ließ sich in jungen Jahren dauerhaft in den Niederlanden nieder. Alle anderen Mitglieder der Gruppe haben ebenfalls indonesische Wurzeln. Musikalisch orientiert sich Nusantara Beat am Sunda Pop der 1960er Jahre, der sundanesische Traditionen mit Pop, Psychedelia, Surf und Funk zu einem wilden Mix verschmolz.

Auf dem gesamten Album sorgen außerdem Samples balinesischer Gamelan-Instrumente für zusätzliche Abwechslung, zusammen mit den Klängen traditioneller Instrumente wie der Kecapi-Zither, der Kendang-Trommel und balinesischer Gongs. Gesungen wird übrigens auf Indonesisch. Pop als globales Netzwerk von Einflüssen! Genau so stelle ich mir meine Plattensammlung der Zukunft vor.


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Die besten Tracks 2025

Dieses Jahr machen wir es einfach mal andersrum und fangen mit unseren Lieblingssongs an, bevor das Alben-Ranking kommt (das aber auch bald…) Einfach, weil wir beim Auswählen schon so viel Spaß hatten und einfach, weil sie nun jetzt schon fertig vorliegen.

Hier jetzt also 45 herausragend gute Stücke aus diesem Jahr, von uns wohlweislich ausgewählt, auf verschiedenen Plattformen zusammengestellt und in hoffentlich spannungsreiche Reihenfolge gebracht: