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Marmoset — Record In Red & Jorma Whittaker — s/t (beide Secretly Canadian)

Das amerikanische Independent-Label Secretly Canadian ist für mich schon seit einigen Jahren eines der herausragenden Labels in Sachen Pop und Rock. Es gibt nur wenige Labels, bei denen man bei Neuveröffentlichungen einfach blind zu greifen kann, ohne vorher einen Ton einer Band oder eines Musikers gehört zu haben. So erstand ich vor gut 2 Jahren das Album »Record In Red« der Band Marmoset aus Indianapolis.

Es ist nicht so, dass man Secretly Canadian-Releases (u.a. Songs:Ohia, Danielson Famile, Don Lennon, Nikki Sudden, Swearing At Motorists) immer auf Anhieb in sein Herz schließt. Was hier veröffentlicht wird, ist nicht unbedingt das, was der mitteleuropäische und allseits interessierte Musikhörer und Popkultur-Zeitschriften-Abonnent unter »hip« und »angesagt« versteht. Die Party findet definitiv wo anders statt.

Als ich Marmosets »Record In Red« die ersten Male hörte, war ich doch etwas irritiert. Psychedelic Pop mit starken Anleihen bei den frühen Pink Floyd, The Cure und diversen Sounds, die man vom New Wave der 80er Jahre kennt. »Was soll denn das jetzt?« ging mir durch den Kopf. Trotzdem landete das Album immer wieder im CD-Player. »Da ist was, das hat was…«. Das anfänglich Befremdliche in Marmosets Musik wich mit mehrmaligem Hören, Melodien schälten sich heraus. Melodien, die sich im Unterbewusstsein einnisten. Man geht zum Bäcker Brötchen holen und man summt eine Marmoset-Melodie vor sich hin, gut gelaunt fange ich den Tag an. Nachdem die Harald-Schmidt-Show vorüber ist, alles gehört und getan ist, geht’s ins Bett, nein, schnell noch mal in die Marmoset-Platte reinhören, dann einschlafen, zufrieden. Musik, die einen »umgibt, ans Herz wächst«. Abgesehen von Marmosets ungewöhnlichem Klangkosmos ist die Stimme von Sänger JORMA WHITTAKER hervorstechend. Eine Stimme, als hätte Syd Barrett auf einer Pink Floyd-USA-Tour Ende der 60er einen bis dato unbekannten Sohn gezeugt, der sich nun stimmlich outet.

Marmoset liegen momentan auf Eis, weil die Bandmitglieder untereinander nicht so gut miteinander klar kommen. JORMA WHITTAKER ist nach Brooklyn/NY gezogen, wie so viele talentierte amerikanische Musiker in der letzten Zeit und hat nun sein erstes Soloalbum veröffentlicht. Ein Album, das da weiter macht, wo Marmoset aufhörten. Jormas Stimme steht mehr im Mittelpunkt, die so lieblich, warm, klar, zärtlich und gleichermaßen souverän und entrückt klingt und vom vielfältigen Beziehungsdurcheinander und anderen persönlichen Dingen erzählt.

Musikalisch ist der Rock dem Singer/Songwriterhaftem gewichen. Die E-Gitarre taucht zwar noch auf, Jormas Pianospiel ist aber oft das voran treibende Element — auf Wiederholung basierend, simpel, minimalistisch. Keine Angst, das ist jetzt kein Elton John auf Appetitzüglern. Das Album hat meist einen reduzierten, aber vollen Bandsound (einzelne Marmoset -Musiker sind ihm behilflich) und verdammt! — wahrscheinlich würde Syd Barrett tatsächlich heute so klingen, hätte er sich damals nicht zu ausführlich mit LSD, Pilzen und ähnlichen bewusstseinserweiternden Substanzen beschäftigt. Denkt man daran, kann einen das schon melancholisch »drauf bringen«. Und Melancholie ist Jorma nicht fremd (»Molly Melancholy«) und war auch schon atmosphärisch ein auffallender Bestandteil von Marmosets Musik. Damit kein falscher Eindruck einsteht — das hier ist kein Wimp-Pop, sondern großer Pop im Kleinen und Verborgenen. Songs mit Melodien, die gleichermaßen an die 60er erinnern und dennoch von ihren Qualitäten zeitlos sind. Ein sehr individuelles Album mehr, das ich im Repeat-Modus stundenlang hören kann, ohne das es mir auf die Nerven geht oder mich langweilt. Und mal ehrlich: von wieviel Alben, die heute veröffentlicht werden, kann man das behaupten? NICKELBACK?! Hahahahahahahhahahahaaaaaaaaaarrgh!!!!

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