The House of Fix
Tresor, ein Berliner Label, das bisher hauptsächlich für Techno stand, hat über 200 Releases benötigt, um erstmals meine Aufmerksamkeit zu erlangen. House of Fix ist ein ganz schön schräges Projekt, das bereits Anfang des Jahres veröffentlicht wurde. Ein aufwühlendes Album, dass in voller Länge (cd1 + cd2 = 144 Min.) kaum zu ertragen ist. Wohl dem, der über behutsames Programmieren seines Abspielers diese Musik im richtigen Maße zu genießen weiß. Die Labelmacher bezeichnen die Musik von Jason Leach als »rockin Hardware meets Hip-Hop Software on the dancefloor in the most brilliantly orchestrated crossover clash of Techno, Rock, Electro, Punk, and Wave yet. Trashy, flashy and something entirely new for Tresor fans, not exactly dancefloor Techno but rocking even more.«
Die Sendung vom 27.08.03 im Detail:
01. T.Raumschmiere – Musick (Shitkatapult)
02. Apparat – Contradiction (Shitkatapult)
03. Apparat – Wooden (Shitkatapult)
04. The House Of Fix – Carrion crow »strap-on beaks« (Tresor)
05. The House Of Fix – Madonit (Tresor)
06. The House Of Fix – This is ruckno (Tresor)
07. Salz – I don’t like Kraftwerk (Sound Of Cologne)
08. Beige – Genua (Sound Of Cologne)
09. A Rocket in Dub – Rocket no. 5 (Italic)
10. A Rocket in Dub – Rocket no. 8 (Italic)
11. Donna Regina – Driftwood (Karaoke Kalk)
12. Donna Regina – Passer-by (Karaoke Kalk)
13. Apparat – Schallstrom (Shitkatapult)
14. Kevin Blechdom – oh oh oh oh ah (Chicks On Speed Records)
15. Kevin Blechdom – I am nastay (Chicks On Speed Records)
16. Ween – Happy Colored Marbles (Rough Trade)
17. American Analog Set – Hard to find (Wall Of Sound)


Alben, die hintenherum in’s Ohr kriechen, sind mir die Liebsten. Das Album von Frau Blechdom ist so eins. Banjo, überdrehter Gesang, Selfmade-Software in MAX/MSP und Lyrics zwischen Bad Taste und Protest schmieden aus Sound-Molekülen ein komplett eigenständiges Album irgendwo zwischen Nerv und Freude. Da braucht es schon etliche Anläufe, bis man tickt, wo und wie die Musik zusammenpasst. Die hohe Kunst dieses Albums besteht darin, Abwechslungsreichtum mit vielen kleinen Verrücktheiten zu paaren, ohne sich völlig gegen Hörbares zu sperren. Der Hörer begibt sich dadurch Song für Song auf die Suche nach den versteckten Hits.
Arbeiterlieder – volle Bärte, Wolle, Klassenkampf, contra- und sozio-, Industriemaloche, Gewerkschaftsbünde, Antiästhetik, Protestsong, Kohle und Öl, Stahl und Eisen – die Assoziationskette reißt nicht ab. Widerspenstiges Songwriting, sprich: Volkslieder wider der kapitalistischen Ausbeutung haben in Deutschland wie in anderen Ländern eine lange Tradition. Besungen wurde der harte Arbeitsalltag, aber auch die psychische, soziale und politische Wirklichkeit der beherrschten Klasse wurden lyrisch erfasst: »Die Füße matt, schwarz im Gesicht – Steigen wir ans Tageslicht – Die Sonne blendet, sie scheint so hell – Sie scheint auf eine schlechte Welt.« (Ernst Busch: »Lied der Bergarbeiter«). Legendär ist auch Hans »Spott ist allmächtig« Scheibner mit seiner bissigen Äußerung zu frühindustrieller Produktionsromantik: »Ich mag so gern am Fließband stehn – es bleibt nie stehn und fließt so schön – und alles, was ich mies fand, zerfließt für mich am Fließband – so schön ich das und dies fand, am schönsten ist’s am Fließband.«