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V.A. – Wälder

»Wir sind spät dran! Das gesamte Internet & ein Großteil der Musikpresse hat schon seine Bewertungen abgegeben, nur wir hinken hinterher«. Unsere Worte aus zwo sechs. Dieses Jahr legen wir noch eine Schippe drauf und geben unsere Jahresbilanz 2008 erst Mitte Januar bekannt. Zuvor wollen wir noch den Gewinner unserer Mixtapeverlosung #3 mit dem großen Preis der Kommentierer beschenken. Stephan Loichinger traf vor fast genau einem Jahr das Losglück. Sein Thema: »Ich habe mich nach Rücksprache mit einer Vertrauten für das Thema der nächsten Mixtape-CD entschieden. Es ist ein schönes, auch ein anspruchsvolles und reiches Thema, wie ich finde. es ist: BÄUME.« Aus BÄUME haben wir »Wälder« gemacht – »Ein Netz der Töne über den Wipfeln der Bäume«, unser bisher bester Wurf seit der Gründung des Machtdose-Mixtape-Preises bei freier Themenwahl. Nach anfänglichen Schwierigkeiten und fehlender Begeisterung standen wir am Ende doch alle Flamme. Stephan erhält nun die Edel-CD-Ausgabe. Und jeder, der bei der baldigen Jahresbilanz mitmacht und uns dort in den Kommentaren mit seiner eigenen Bestenliste beehrt, bekommt ihn ebenfalls als Präsent überreicht – für die Festplatte – und hat gleichzeitig die Chance, ausgelost zu werden für das Thema des nächstjährigen Geschenksamplers. Business as usual! (Die bisherigen Preise: Duette und Federal Republic Of. Credits: Danke an Charlotte und Sebbl für eure Tipps und Janis für die Übersetzungshilfe)

Wälder - Ein Netz der Töne über den Wipfeln der Bäume
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Und das ist er… (most of the tunes can be found at last.fm – Wälder)

1. Fleet Foxes – Blue Ridge Mountains
Welcome back Hippietum. Die Abräumer des Jahres bedienen sich in ihrem schönsten Lied eines gängigen Topos jener Ideologie und besingen den Rückzug ins Gehölz – auch wenn drüber Winter sich legt (Im zitternden Wald / wo der Hund liegt mit Schüttelfrost / hat unser guter Großvater / ein hölzernes Nest gebaut) (ron)

2. Amorphous Androgynous – Go tell it to the trees egghead
Go tell it to the trees egghead (sinng. »Hau’ ab und erzähl’s den Bäumen, du Eierkopf«) weckt falsche Assoziationen. Amorphous Androgynous komponieren ein akustisches Naturereignis aus Kitsch, Glück und Sommerlaune. Unsere Waldtiere, das Eichhörnchen, der Fuchs, das Reh, der Marder und die vielen bunten Vögelchen vergnügen sich in der Lichtung draußen am Weiher. Ein gut geschnittenes Potpourri aus elektronischer Instrumentalmusik und analogen Zupf- und Nebengeräuschen. (greg)

3. Deep Elem – Lost In The Woods
Das Duo aus dem mittelenglischen Tiefland sieht vor lauter Häusern den Wald nicht mehr. »Woods« als Metapher für eine kranke Zivilisation, für das Immergleiche unserer alltäglichen Umgebung, dem Dickicht der Stadt? Wie heißt es am Ende schön: »And when I get myself a gun / and when i get myself a gun / I’m gonna shoot down all I’ve done / and sit and watch the blood red sun.« Mit den üblichen Zutaten aus Folk und Bluegrass zurück zur Natur. (greg)

4. I’m from Barcelona – Treehouse
I have built a treehouse / I have built a treehouse / Nobody can see us / it’s a you and me house. Der Wunschtraum aller Kinder ist ein Baumhaus-Traumhaus, ein Ort des Rückzugs en miniature, in dem viel Platz ist für gutgelaunte Popsongs. Für die Leute in der Fabrik sind das Luftschlangen und Konfettikram. Geht stempeln, Leute! Nebenbei gesagt: Die Kinderlieder-Compilation ist so was von überfällig – das schreit zum Himmel. Zuletzt mit Wiegenlieder Nikotwo an dem Thema gesessen. Das war, Roland, 1995 und C90? (greg)

5. Kaki King & The Mountain Goats – Black Pear Tree
Die Bergziege John Darnielle begann in diesem Jahr die Zusammenarbeit mit der Gitarristin Kaki King, die hier sehr schön einen von Darnielles Texten singt, in dem es autobiographisch um eine recht düstere Nacht gehen soll, in der jener in einem schwedischen Krankenhaus liegend glaubt, der Krebs habe ihn nun erwischt. Dann fällt einem so was wie »Schwarze Birnen« schon mal ein. (ron)

6. Huss – Für immer im Wald
Im Sommer 2006 ließ unser alter Weggefährte Huss mit 14 erstaunlichen Liedern, die auf allerlei Instrumenten in Eigenregie für Trikont eingespielt wurden, aufhorchen. »Für immer im Wald« kommt sehr lakonisch daher und handelt lediglich von jemandem, der vom Wanderweg abkommt und es einfach schön findet ins dunkle Grün weiterzugehen und da auch für immer seine Wurzeln aufschlagen wird. Verträumt oder abgedreht? Ganz wie es beliebt. (seb)

7. PeterLicht – Gerader Weg
Bekanntlich sind auf den »Lieder[n] vom Ende des Kapitalismus« einige für die Ewigkeit geschrieben. Als meinen Favoriten möchte ich aber nach über zwei Jahren einen eher unbeachteten Song empfehlen, der – ohne dass es zufällig wirkt – textlich unerhört verschlungen ist. Hier wimmelt es nur so von assoziationserweckenden Bildern. Am Beginn, der die Aufnahme in den Sampler verantwortet, heißt es: »Wo ich mich eigentlich befinde, ist in der Rinde dessen, was mich eigentlich umgibt […]«. Wie in Folge nun der aufklärerische Gegenrefrain zur Postmoderne (17x »Es gibt einen graden Weg«) entwickelt wird, ist wahrhaft schwindelerregend und so manchen Hördurchgang wert! (seb)

8. Milenasong – Figs Tree
So körperlich und gebrechlich. Madame Milena aka Milenasong ist auf der Suche, wir vermuten nach einem Neuanfang (»sky at dawn is clear«), denn da, wo etwas endet, muss auch ein Anfang sein (»this is where you come in / change my way farewell / with the love you bring«). Am End’ drehen sich ihre Strophen vielleicht um »das Gleichnis vom unfruchtbaren Feigenbaum« (Lk 13,6 ff)? Möglich wär’s. Zu persönlich, um alles zu verstehen, aber womöglich das passende Lied zur Krisenzeit, wenn es denn etwas bekannter wär’. (greg)

9. The White Birch – Strom-Broken Tree
Die White Birch spielen Lieder, so zart und gespinstig, als solle nicht ein Halm nirgends gekrümmt werden. Dies eher Tastende, man könnte auch sagen: Demütige soll nicht zuletzt sich speisen aus der sie umgebenden norwegischen Einöde – und das leuchtet beim Hören auch sofort ein (wie etwa auch Sigur Rós die isländische Landschaft als wichtigen Einfluss geltend machen). (ron)

10. Voice of the Seven Woods – Silver Morning Branches
Und noch mal Naturlyrik: silberne Zweige, die in den Himmel des Morgengrauens ragen, die Sonne breitet ihr Licht usw. Nichts wird so schnell gezogen wie ein Nick Drake-Vergleich, trotzdem dass jemand ziemlich genauso singt ist doch eher selten. Wunderschön aber auch. Rick Tomlinson hat sein Projekt Voice of the Seven Woods durch zahlreiche selbst hergestellte CD-R vorangebracht, dann kam aber doch der Plattenvertrag und nicht wenig positive Resonanz, wie man hört, gibt er aber den Waldnamen bald auf und macht wohl unter seinem bürgerlichen weiter. (ron)

11. Wooden – Apparat
Selbst jetzt im Rückblick ist für mich kaum fassbar, wie gut die ersten drei Alben von Apparat sind (danach wurde es auf hohem Niveau doch schwächer). 2003 war das Dritte »Duplex« mein Album des Jahres und dieser Track einer der Höhepunkte. Und wirkt auch noch heute: was sich da klanglich auftut, vermisse ich in dieser Dimension gerade, besonders im Elektronischen. (ron)

12. Michaela Melián – Föhrenwald
Von ihrem Album »Los Angeles« entliehen, trägt Föhrenwald nach »Wooden« in beachtlichem Maße zur Beruhigung/Besänftigung dieses Mixes bei. Die Tagesgeschehnisse geraten allmählich in Vergessenheit, Kraft entweicht. Fünf Minuten sind eine lange Zeit, besonders unter Wasser und ohne Luft. Es klingt vor allem anders als es der Name ahnen lässt: Föhrenwald war eine von Nationalsozialisten erbaute Musterwohnsiedlung, für Zwangsarbeiter einer Munitionsfabrik gedacht, die nach dem Zweiten Weltkrieg als exterritoriale Siedlung für Menschen jüdischer Abstammung diente (vgl. auch ihr Hörspiel dazu). (greg)

13. Bohren & der Club of Gore – Welk
Welke erkennt man an erschlafften, nach unten hängende Blättern, weit überwiegend durch fehlende Wasserverfügbarkeit bedingt. »Welk« fehlt noch viel mehr als das. Leben? Fehlanzeiger. Bohren & der Club of Gore sind die Gottkaiser des Wüstenplaneten. Sand, Staub und glühende Temperaturen um 450 °C sind hier State of the Art. (greg)

14. Get Well Soon – Help To Prevent Forest-Fires
Konstantin Gropper ist mit seinem Debütalbum »Rest Now Weary Head You Will Get Well Soon« ein in Deutschland nicht für möglich gehaltener Aufstieg in den internationalen Pop-Olymp gelungen, den man so bisher nur von The Notwist kannte. Der wünderschöne Song »Help to prevent forest fires« handelt von einer Frau, die ihren Typen verlässt und nach Kanada reist/zieht (»you hide under maple leaves«). Während der Verlassene das nicht so dolle findet und die Flucht als Selbstmord interpretiert, beginnt für sie die Suche nach dem eigenen Ich. So oder so ähnlich. »Go and save this country«, Kanadas Waldbrände wüten! (greg)

15. Lost in the Trees – Tall Trees
Hänsel und Gretel verliefen sich im Wald / es war so finster und auch so bitterkalt / Sie kamen an ein Häuschen von Pfefferkuchen fein: Wer mag der Herr wohl von diesem Häuschen sein? Ari Picker heißt er, Singer/Songwriter und Kopf etlicher Hänsels und Gretels. Die Entertainment Weekly schreibt: »A sublime blending of Prokofiev’s Peter and the Wolf with a dash of Vivladi and the vocal stylings of a suaver Ben Gibbard from Death Cab«. Für das Vivaldihafte ist die Berklee School of Music verantwortlich, der folkige Rest kommt von Picker selbst. (greg)

16. Der Apfelmann – Blumfeld
Zum Schluss war das passagenweise Clownige bei Blumfeld nicht jedes Deutenwollers Sache – und man könnte da jetzt vielleicht nachträglich auch so’ne Verweigerungsgeste daraus ablesen, wäre das nicht zugleich genauso deutlerisch. Also: ernten wir einfach die Früchte und nehmen wie’s ist, ein schön leckerer Apfelkuchennachtisch. (ron)

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