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Die heiligen drei Könige

Rocko Schamoni – Der schwere Duft von Anarchie (Virgin)
King Khan & His Shrines – Three hairs and you’re mine (Voodoo Rhythm)
Gonzales – Presidental Suite (Kitty-Yo/EFA)

Am Anfang war das Feuer…

King Rocko, King Khan, King Gonzo – selten, dass sich Musiker diese Rubrik teilen müssen. Könige teilen nicht, Könige besitzen. Leide ich an Hochmut, wenn ich ihre derart herausfordere? Ein Konvent göttlicher Besserwisser, darauf hat die Welt gewartet. Bei soviel tonangebender Aristokratie bricht die dogmatisch geführte Underground-Demokratie namens Machtdose in alle Einzelteile. Drei Herren, die auszogen, um ihre Rotzmäuligkeit, ihren überbordenden Schmalz, ihre tolldreiste Siegermentalität und ihre coole Coolness in die Welt der Ahnungslosen zu tragen, so don’t get a minderwertigkeits complex!


Kein Zweifel, alle drei haben tolle Alben gemacht. Viel wichtiger aber: Alle drei inszenieren sich sensationell. Die dicken Credits gibt’s also nicht zuletzt wegen ihrer alles überstrahlenden Showpotenz. Goldzahn-Rocko (linker Schneidezahn) bringt die Menschen zum Lachen, Gonzales (rosafarbener Maßanzug) zum Staunen und King Khan (Tarzanartiger Look) zum Tanzen. Alles todsichere Sympathiebringer. Wie wichtig ist da noch die Musik? Gonzales: »Man wird ja nicht nach Musik beurteilt, sondern nach Beliebtheit.« Ein bisschen Recht hat er schon damit.

Auf ihren Konzerten sind die ersten acht Reihen für die Ladies, die sich schon bei der kleinsten Andeutung ihrer Liebeslust hingeben würden, obwohl Ficken bei den drei Herren eine untergeordnete Rolle zu spielen scheint. In ihren Texten sucht man vergebens nach etwaigen Konnotationen. Ehrliche Familienväter könnte man meinen. King Khan setzt dabei mit seinem Jungle of Love die klarsten Akzente, Gonzales vermischt Liebesschmerz und Lebenserfahrung, bei Schamoni dominiert ganz unverhohlen linke Polemik.

Fernab der Showbühne haben wir es nicht gerade mit Quacksalbern zu tun. Es gibt ein Leben auf und eins hinter der Bühne. Im Interview präsentieren sich mir reflektierte Menschen. Ich stelle eine Frage und bekomme eine Antwort. Ein Auszug gefällig? Schamoni: »Es gibt keine Peinlichkeiten für mich. Ich steuere voller Lust und Freude Peinlichkeiten an und überschreite auch gerne mal Grenzen, so dass es den Leuten auch innerlich peinlich wird. Ich weiß genau, wo ich Peinlichkeiten finden kann und wie man sie perfekt ansteuert, um sie dann haarscharf zu umschiffen« spricht er und schönt seine aus Amerika importierte Rokoko-Perücke. Während Glamour-Typen wie Tom Jones nur ihre Fassade zur Schau stellen, gibt’s bei den Kings bärenstarke Textzeilen zu erkunden, wenn Gonzales beispielsweise »I use magic, not logic« singt.

Risikobiografien sind in diesem Kosmos Standard, Musik machen das erklärte Ziel. Sich dabei aber gegen den Mob stellen, das macht Sinn. Wer die Gehaltsklasse dieser Musiker kennt, hat mit dem lakonisch gesungenen »Geld ist eine Droge« Schamonis keine Interpretationsschwierigkeiten. Die Hauptkohle kommt übers Touren. So wird das Leben auf der Bühne Routine. Wer da auf Entertainment setzt, macht nichts falsch. The Show must go on!

Am Ende steht Musik…

Der König der Löwen, nicht nur wegen seiner zirka 30 Zentimeter langen Brustnarbe, die ihm angeblich ein Tiger zugefügt hat, ist eindeutig King Khan (nicht zu verwechseln mit King Kahn!). Der Kasselkanadier schlägt mit seiner Rhythmussektion den Soul der Stunde – wild, beherzt, catchy! Der goldene Stier geht an The Entertainist Chilly Gonzales. Nach bestandener Gehörumschulung (schräge Harmonien, schwerer Zugang, schrille Sounds) ist sein Mix aus ShitHop und Synthiepop der treibende Impuls bei jeder (Kultur-)Revolte und mit den political platform shoes auf dem Parkett wird jede Gegenwehr niedergetanzt. Die Tigerpantherkatze gibt’s für Rocko Schamoni, nicht zuletzt, weil Geld immer noch stinkt und Rocko diesen antikapitalistischen Auswurf in fröhliche Melodien zu packen versteht. Sein mutiger Spagat zwischen Udo Lindenberg, Big Band-Kompositionen, Schlager, Disco und spaßigen Anarcho-Erzählungen ist, äh, eigenwillig aber charmant. Wer Schamoni allerdings in Höchstform haben will, checkt Showtime, sein letztes Album, das auf dem Münchner Indie-Label Trikont veröffentlicht wurde.

Höchstform gibt’s auch seit über einem Jahrzehnt auf der Bühne. Bei 130 Zungenschlägen/pm kann die Konkurrenz einpacken. Neulich beim Konzert hat er seinen Bandkollegen für die Zugabe mit den folgenden Worten auf die Bühne gebeten: »Sie haben ihn schon gesehen und werden sich gedacht haben: Mein lieber Scholli, was ist das für ein interessantes Schlachtschiff. Er arbeitet in der nähe von Hamburg in einem kleinen Freizeitpark als lebendes Luftkissenboot und hat sich einen Rasenmäher unter’n Bauch geschnallt, wo er immer so den Rasenmäher anmacht und dann den Rasen mäht, indem er sich über den Boden robbt. Auf ihm dürfen Kinder dann reiten und er kaut dabei Erdnüsse. Da ist es natürlich eine willkommene Abwechslung, wenn er mal in so einer Rockband auf Tournee geht. Er ist unser Traum aus Fleisch. Hier ist für sie…« Diese Typen amüsieren uns zu Tode!

Ein Gedanke zu „Die heiligen drei Könige“

  1. gude gregor,
    anbei auch ein gruß an deine kollegen.
    sehr schön geschrieben.leider gilt hier für mich, daß ich diesen kommentar eher wegen des grußes, als wegen der musik schreibe.jedoch ist mir gonzo’s und rocko’s album, zwar nur auszugsweise bekannt und daher nur minder objektiv(wobei es ja bei geschmacksfragen kaum objektivität gibt). für meinen geschmack, jedenfalls, ist chilli gonzales der favorit.durch deinen text und erzählungen von livekonzerten des king kahns gilt:des album hör isch mir e mo o.

    alla gude
    clemens

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