Plattendezember
Nachts, halb zwei, zuhause. Der Monitor gibt blasses Licht. Läuft jetzt Andrew Peklers Nocturnes, False Dawns & Breakdowns (~scape), hat man das Passende: konzentriert und nachlässig zugleich. Nachtaufnahmen, die sich wie Dias ineinander- oder von der Seite her reinschieben. Jazzahnungen, großstädtisch. Dumpfes Schlagzeug, fast schon schlafen die Sounds. Das Ganze ist nach Cuts & Clicks-Manier zusammengefügt, in inszenierter Zufälligkeit. Die Ausschnitte sind dabei nicht zentralperspektivisch gewählt, sondern bewusst nach links und rechts verzogen, alles bleibt Andeutung und wird dadurch erst organisch. Bei Slowly Minute geht es auf Tomorrow World (Bubble Core) gar nicht mal unähnlich zu, nur lichter. Das plänkelt, plätschert und tropft und Geisterstimmen wispern leise. An dem Bachgeriesel könnte man viel Zeit verbringen (weshalb die Platte wahrscheinlich auch so lang geraten ist). Insofern haut der Projektname hin, Zeit zerdehnt sich und wird aufgehoben. Vielleicht fehlt auf 70 Minuten ein wenig die Dramaturgie, andererseits eignet sich das gut zum Reinverlieren. Schlag auf, wo Du willst, gleich kannst Du weiter tagträumen. Mit anderen Worten: es handelt sich dabei um ein wohl dosiertes, süßes Gift. Die Mysterymen dagegen haben sich mit Everything but an Answer (Disko B) folgendes Ziel gesetzt: Hits und Hits! Dafür gab man ihnen ungefähr zwei Analog-Synthesizer, und Singstimmen durften sie auch nur verwenden, wenn die durch einen Vocoder oder ähnliches gezogen wurden. Ja und, was machts! Ihnen gelingt nämlich das Kunststück, aus solch engen Vorgaben extrem eingängige Songs zu stricken, die vielleicht von ähnlicher Klangfarbe sind, im Ergebnis aber eine erstaunliche Variationsbreite aufweisen. Meine Favoriten zum Beispiel heißen „Is it real?“, das fast klassisch new-waveartig und leicht angedüstert daherkommt, während das lässigere „It feels nice“ geradezu mittwippzwingend ist. Könnten die legitimen Daft Punk-Erben sein.

Songs wie »Tune man« sind eigentlich Grund genug, über eine komplette Albumveröffentlichung nachzudenken. Dabei dreht es sich lediglich um die B-Seite der ersten Kissogram-Single »Forsaken people come to me«. In dem Song wackeln hüpfende Beats um orientalisch-europäischen Singsang, der seine Hörer ganz unbeschwert mit der Fremde vertraut macht. Ein Wunder, dass man auf dem Album »The secret life of Captain Ferber« vergeblich danach sucht. Dafür findet man dort 12 andere Songs, die alle möglichen Genres in Schieflage bringen – oder sie einfach nur sauber durchdeklinieren. Oft sind das dann Hits (zwei, drei Mal wird’s auch albern), die Jonas Poppe und Sebastian Dassæ aus ihrem Rechner und ihren Instrumenten kitzeln. Das nennt man dann wohl Rock’n’Roll-Disko. Oder besser: Disko-Rock’n’Roll!

Das Spiel um musikalische Trends und Hypes ist eigentlich eine lernbare Angelegenheit. Sie fegen gewöhnlich mit hoher Geschwindigkeit über die Menschheit hinweg, um nachfolgend als laues, meist sogar angenehmes Lüftchen zu verpuffen. Und im Resultat wird aus der Modeerscheinung fast immer ein Fall für die Geschichtswissenschaft. Manche mag das nerven, ich dagegen bin inzwischen renitent gegen die regelmäßige Wiederkehr dieses Hergangs. Mit Erscheinen der 3CD-Box Death From Above Compilation #2 erreicht ein solcher Trend soeben seinen vorläufigen Höhepunkt. Der Song »losing my edge« (LCD Soundsystem) aus dem Jahr 2002 war der Beginn eines hysterischen Streifzugs durch die Kreuzungsgeschichte von Punk und Dance. In dessen Fahrwasser bewegen sich dieser Tage Bands wie Radio 4, The Rapture, !!! und A.R.E. Weapons, die mit ihrem New Indie Groove das Destillat einer ohnehin wenig bekannten Strömung aus den späten 70ern und frühen 80ern um Bands wie Gang of Four oder P.I.L. neuerlich bearbeiten. Einen ehrbaren Eindruck hinterlassen dabei die Herren James Murphy (LCD Soundsystem) und Tim Goldsworthy, die Anfang 2000 das Label