Platten im November
Zwei der wohl tollsten Kreativmeister grade haben sich also zusammengetan: Das alte Eisengesicht MF Doom, der (zusammen mit Madlib) im letzten Jahr das sich ständig selbst überbietende „Madvillainy“ rausbrachte und DJ Dangermouse, der ungefähr zeitgleich den Mashup-Bastard „Grey Album“ (Jay-Z meets the Beatles) ins Netz schickte und eine Riesenaufregung erzeugte, einmal wegen der daraus entstehenden Musikindustrie-Hysterien, nicht zuletzt aber auch, weil das Ergebnis tatsächlich aufregend frisch und neu klang.
Gute Voraussetzungen also. Oder schlechte. Weil man zuviel erwarten könnte von Danger Doom: The Mouse and The Mask (Warp / Rough Trade). Die Wahrheit liegt, mal wieder, dazwischen. Humor ist Trumph, eine Comicwelt-Zitiererei der albernen Sorte, die Produktion ist insgesamt straighter und slicker als bei sonstigen MF Doom-Produktionen, die ich kenne, wodurch es schön geradeaus und lässig vorwärts geht, gleichzeitig aber das einem nicht ganz so genialisch vorkommt. Trotzdem bisher für mich das beste Hihopalbum dieses Jahr.
Eher eine Enttäuschung hingegen ist das mit ziemlichen Bohey angekündigte Burt Bacharach-Album At This Time (Ariola / Sony BMG). Und die Vorabinformationen hatten da auch genügend Neugierde erzeugt: Das erste Studio-Album seit fast dreißig Jahren, und diesmal wolle Bacharach ein explizit politisches Album machen, erstmals eigene Texte schreiben und außerdem hat Dr. Dre ihm einige Beats geschenkt. Also, das Texten hätte er sich meiner Meinung nach auch sparen können. Ständiges „Warum nur ist die Welt so grausam“-Fragen mag ja schon als politisches Statement gelten, mir aber ist so eine naive „Why?“-Attitüde dafür dann doch ein bisschen zu dünne. Und auch musikalisch gibts nicht viel wirklich schönes, bleibt meist bloßes Selbstzitat von früherem. Nicht alles ganz schlecht, wirklich gut aber auch nicht.
Wenden wir uns deshalb anderen älteren Herrschaften zu, die einen, glaub ich fast, einfach nicht enttäuschen können. Die Rede ist von unser aller Dauerliebschaft The Fall. Da braucht man sich wirklich einfach Jahre bis fast Jahrzehnte nicht drum kümmern, hört dann mal wieder aus verschiedenen Ecken, das neue Album Fall Heads Roll (Sanctuary / Rough Trade) sei aber jetzt mal wieder besonders schön geraten, hört sich das an, und: haben sie einen wieder. Nur mal zum Beispiel der Siebenminutenhammer „Blindness“, der auf dem immergleichen Monsterbasslauf entlangrumpelt, Mark E. Smith nölt sich einen, wie immer halt und wie immer großartigst. Da fällt mir übrigens grad ein: eines der Dinge, die ich durch The Fall gelernt habe: der Zauber der Monotonie. Denkt man nicht sofort dran, aber dadurch haben die mir z. B. so Sachen wie Techno durchaus nahegebracht.

Treue Fans der Gruppe werden mir wahrscheinlich nicht zustimmen, aber Sigur Rós haben mit Takk (EMI) ihr bisher bestes Album gemacht. (Kann man sich übrigens
Kaum ist der Frühling da, sprießen schon die allerschönsten Alben hervor. Den Anfang macht
Doppelleben (Kompakt) heißt Justus Köhnckes drittes Album, was wohl allerlei Interpretationen zulässt. Am Augenfälligsten vielleicht: hier Schlager, da Tanzen. So in etwa geht es zu auf der Platte. Zwar ist das eine recht einfache Dualität, die wohl bewusst in die Irre führen soll, trotzdem geht es mir schon so: ich mag den Discoköhncke deutlich lieber als den aus Schnulzendorf. Texte wie „Weiche Zäune“ machen mir jedenfalls eher eine weiche Birne, weil sie Einfachheit und Direktheit simulieren und doch nur angestrengt wirken. Da sind so (zum Glück gesangslose) Clubwackler wie „Timecode“ und „Elan“ wesentlich lässiger. Zum Gesang zieht es seit neuestem auch Apparat (der allerdings singen lässt, nämlich Raz O’Hara). Auf seiner Silizium EP (Shitkatapult) kann man, wie das öfter vorkommt bei solcherart Minialben, einen Zwischenschritt beobachten. Diesmal eine Bewegung hin zu Band und Gitarre. Was vielleicht ein bisschen überrascht, da Apparat gern in die Abteilung „Frickler“ gebucht wird. Zugleich ist er aber sowieso einer der großartigsten Melodiker der letzten Jahre und da passts schon. Herausgekommen sind fein gesponnene melancholische Songs, grob aus Richtung Notwist. Wohin das noch führt, darauf wird man jedenfalls gespannt sein dürfen. – Die Vokabel „durchgeknallt“ wird sehr leichtfertig gebraucht. Tatsächlich aber fällt mir zu Out of Breach [Manchester’s Revenge] (Output Recordings) von Mu kaum eine treffendere ein. Japano-Diva-Can-Bretter. Auf Deinem Kopf ein Specht, der Dir dauernd ins Auge hackt. Und trotzdem musst Du tanzen zu dem Takt. So ungefähr. Das wirklich erstaunliche daran ist, dass man ganze Meere aus Zahnarztbohrerschmerzen und die allerschönsten Beatoasen zugleich durchquert. Welch perfide Sadomasotechnik, sehr effektvoll. Das Lachen kann man sich dabei auch kaum verkneifen. Vielleicht das musikalisch forcierteste aus den letzten Monaten. Ach, hört doch selbst.
Endlich mal wieder ein Album, das bereits im Januar in meinen Jahrescharts landet (ja, in den 05er-Charts). Die Auszeichnung empfängt das LCD Soundsystem aka James Murphy aus dem Staate New York. Murphy, Inbegriff eines charmant schmierigen Antistars mit feuchten Schweißringen unter den Armen, galoppiert momentan ohnehin als trendsetzender Titelheld durch den internationalen Blätterwald – und das nicht ohne Grund. Als Produzent und Alleskönner hat der begnadete Techniker gerade das Dance-Punk-Album der Stunde veröffentlicht. Zudem betreibt er mit seinem kongenialen Freund und Partner Tim Goldsworthy (Ex-UNKLE) das Label
Nachts, halb zwei, zuhause. Der Monitor gibt blasses Licht. Läuft jetzt Andrew Peklers