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plattenkritik

Wimbledonsieger

Jamie T ist der Mann der Stunde. Mein Mann der Stunde. Hat schon seine Gründe, warum der 20-jährige derzeit in aller Munde ist. Der Londoner schreibt einfach brillante Songs! »If you got the money« etwa aktiviert die Lust auf Sex, das Immunsystem wird gestärkt und deine psychische Stabilität steigt ins Unermessliche. Was will man mehr? Ein Mal am Tag einen Song mit dieser Kraft hören, und der verdammte Virus, den Deutschland in diesen Tagen ergriffen hat, könnte dich kreuzweise. Erzähl das mal deiner Krankenkasse. »If You Got the Money« hat ähnlich viele Endorphine in mir ausgeschüttet wie einst die Arctic Monkeys mit »Choo Choo« und »I bet you look good on the dancefloor«. Zumindest dieser Vergleich greift. Ein bisschen AM steckt möglicherweise wirklich in Jamie T, Mike Skinner ist dabei, auch die legendären The Clash sind rauszuhören. Die vielen Vergleiche, die in der Musikpresse umhergeistern, sind nicht unbedingt aus der Luft gegriffen, der Musik schadet das allerdings wenig. Jamie T ist ein Bastard von Musiker, dem der Frühling gehört, ja, dem das Jahr gehört — und die Zukunft. In diesem Augenblick jedoch hat er das beste Album veröffentlicht, das er jemals veröffentlichen wird. Hut ab!

Jamie T @ MySpace
Jamie T – If You Got the Money [Video]
Jamie T – Sheila [Video]

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Console & Swan Lake

Was soll man mit einem Ambient-Album wie »Mono« (Disko B) während einer Fußball-WM genau anfangen? Und überhaupt: Was hat dieses Album in diesem Sommer zu suchen gehabt? Veröffentlicht wurde dieses eindeutig spätherbstliche Stimmungstief nämlich am 22. Juni. Hätte Ron nicht aufgepasst, die Musik wäre wohl verloren gegangen in den Wirren dieser heilvollen Feierei. Nun gut, das Schöne an der Bloggerei ist ja, dass man den Trends nicht unbedingt voraus sein muss. Folglich sei an dieser Stelle das letzte Console-Album noch einmal wärmstens empfohlen, allerdings nur denjenigen unter euch, die sich nichts sehnlicher herbeiwünschen als ein riesen Pfund Entspannung. Abschalten ist hier angesagt. Absoluter Höhepunkt auf der CD ist Miriam Osterrieders großartige Stimme, die deshalb auch in den Kreis der Besten gewählt werden soll, denen man hierzulande zuhören kann. Starker Tobak! Außerdem sind zwei der elf Tracks wirklich bezaubernde Coverversionen, und zwar »By This River« von Brian Eno und »Starpower« von Sonic Youth. Reinhören!

Console starring Miriam Osterrieder – »Magnolia« (Video by Luis Briceno)
Console MySpace Page

Ähnlich gut gefällt mir »Beats Moans« (JagJaguwar), das Debüt-Album der Band Swan Lake aus Kanada, allerdings schlägt die Musik erst nach dem zehnten Mal Hören richtig ein, was ja eigentlich ein Qualitätsmerkmal ist. Danach wollt ihr nichts anderes mehr, eine Zeit lang zumindest. Swan Lake ist ein Seitenprojekt von Daniel Bejar (Destroyer, New Pornographers), Spencer Krug (Wolf Parade, Sunset Rubdown) und Carey Mercer (Frog Eyes), schräg und absonderlich, oft ausgefeilt tragisch, ausdrucksstark, melodisch bis in die Zehenspitzen und hier so gut wie unbekannt. Keine Ahnung, warum Musik wie diese nicht mehr Freunde findet. Ihr wollt’s hören? Gut.

Swan Lake – All fires
Swan Lake – The freedom
Swan Lake MySpace Page

Sendung vom 31.11.06 – 19-20 Uhr – Radio X
01. Coco Freeman & Franz Ferdinand – The Dark of the Matinee (Polystar/Universal)
02. Console — To catch a beat (Disko B)
03. Console — By this river (Disko B)
04. Jan Jelinek — Concert for Television (Scape)
05. Swan Lake — The freedom (Jagjaguwar)
06. Swan Lake — A venue called Rybella (Jagjaguwar)
09. Grizzly Bear — On a neck, on a spit (Warp)
10. Mercury Rev — Clamor (V2)
11. Urlaub In Polen — Beatrice (Tomlab)
12. Post Industrial Boys — Shmazi (max.Ernst)

Sergej Auto – We are giants (saasfee*)

Nicht immer landen die Playlists meiner Radio X Sendungen auch auf dieser Seite, Stress u.ä. verhindern diese Komplettversorgung hin und wieder. Eine Playlist liegt mir aber noch am Herzen, die sich auf eine Show im August bezieht. Schwerpunkt: Sergej Auto mit seinem Album »We are giants«, mit ein wenig gutem Willen sein bisher bestes, das mich durch den August brachte und letztlich doch unterzugehen droht. Die Kette der Missgeschicke begann mit dem Release-Date dieser CD, die zur WM veröffentlicht wurde und deshalb keinen Menschen ernsthaft interessieren konnte und endet nun mit diesen Zeilen, die in die Weihnachtszeit fallen, der Zeit der Sampler und Best-Of-CDs. Keine guten Voraussetzungen für einen Chartseinstieg, aber ein Rettungsversuch. Das Album knattert an allen Ecken und Enden, liegt mit seinen Sounds genau da, wo man dieser Tage liegen sollte und hat mit »Your City« und »Giants« sogar zwei große Hits zu bieten. Der Synthesizer fiepst, pfeift und surrt ordentlich, vieles vom Rest klingt nach Instrument, kommt aber aus dem Laptop. In den 80er hat man auf diese Art und Weise wohl die Zukunft vertont, heute ist die Zukunft gestern. Die Tracks von Sergej Auto geben sich zum größten Teil extrem lässig, darum taugt »We are giants« nur bedingt zum Tanzen, auch wenn die Beats ordentlich drücken. Sehr abwechslungsreiches Elektro- und Synthiepop-Album, irgendwo zwischen Cassius, Two Lone Swordsmen und Chicks On Speed. Habe ich was vergessen? [zum saasfee* Shop]

Sendung vom 17.08.06 – 19-20 Uhr – Radio X – zum Livestream
01. Peter Bjorn and John – Young Folks (Beyond The Wizard’s Sleeve Remix)
02. I’m From Barcelona — Treehouse (EMI)
03. I’m From Barcelona — The Painter (EMI)
04. The Rapture – The Sound (Vertigo/Universal)
05. Cassius — Toop Toop (EMI)
06. Swimmingpool – Carbono (Combination Records)
07. Sergej Auto — Big City Freak Out (saasfee*)
08. Sergej Auto — Your City (saasfee*)
09. ESG – Keep On Moving (Soul Jazz)
10. Junior Boys — Like a child (Domino)

Hermelin

Ich höre gerade die neue Isolæe-12-Inch, stelle fest, dass es weiterhin nichts, aber auch gar nichts zu beanstanden gibt an seinem bisherigen Lebenswerk, behaupte außerdem, dass Rajko Müller stets in der Lage sein wird, sich neu zu erfinden, und frage mich, ob es schon mal ein Video von ihm gab (weil das hier ja gerade so Thema ist). Und wen treffe ich? Oliver Husain. Hab‘ damals gar nicht mitbekommen, dass er die Regie für »Beau mot plage« übernommen hat. Nicht sein bester Clip, aber seht selbst. Erst auf »alle zeigen« klicken und dann auf »Isolæe – Beau mot plage« (kann denen mal jemand die 2.0 erklären?) Für den Fall der Fälle der YouTube Direktlink. Die Husain/Klöfkorn Music Videos gibt’s hier. Unbedingt komplett anschauen, es lohnt sich! Und die Hermelin-Maxi bitte umgehend im Playhouse Label Shop kaufen.

Isis — In The Absence Of Truth (Ipecac Recordings)

Bestachen — abgesehen von der letzten Remix-CD — die Soundwälle der drei ersten Veröffentlichungen von Isis vor allem durch Minimalismus und sehnlichst erhofftem Brachialgesang, kommt In The Absence Of Truth wesentlich psychedelischer und mit mehr Melodie daher. Dementsprechend war ich nach der Erstrezeption auch ein wenig enttäuscht, wie immer, wenn vertrautes Geschätztes, in diesem Fall die Endlosschleifen, nicht ganz eingelöst wird. Mittlerweile bin ich da aber anderer Ansicht. Das neue Album ist das beste! Stellvertretend sei hier der der schöne Opener »Wrists of kings« genannt: Gewohnt schnell schwebt man im Nirvana, nach drei Minuten setzt relaxter Gesang ein, der sich dann erst gegen Ende – nach sieben Minuten – in Brachialität verwandelt. Wie immer bei Isis erscheint trotz der Düsternis alles recht cool und einfach, jeder Ton hat seinen unabweisbaren Platz. Und zwar auch dann, wenn die Songstruktur komplexer und der Rhythmus abwechslungsreicher gestaltet wird. »Tool«-Vergleiche, deren letztes Album anzuhören mir fast peinlich war, sind hier im Übrigen völlig unangebracht. Dementsprechend spielt Isis auch eher in Montreux (2005) als bei »Rock am Ring«.

Let’s talk about horses

Weiß der Geier, warum sich das Pferd gerade größter Beliebtheit erfreut. Vielleicht liegt es auch einfach nur an meiner verblendeten Wahrnehmung, dass ich in letzter Zeit unentwegt über Pferdefüße stolpere. Als ich kürzlich in Bochum mit dem Spruch »Der eine sattelt sein Pferd — der Andere verspeist es« konfrontiert wurde, war klar, dass mein Auge für solcherlei Beobachtungen geschärft ist. Pferde, soweit das Auge reicht (ich habe sogar mal einen Film darüber gemacht). Dass dieses Jahr das 1. Internationale Pferdefilm-Festival auf dem Islandpferdegestüt Staudenhof ausgetragen wurde, zeigt einmal mehr, wie beliebt die Einhufer in diesem Land sind. Nicht nur auf Zelluloid. Die aktuelle Werbekampagne von Adidas zeigt Missy Elliot an der Seite eines schwarzen Hengstes (und Goldfrapp sangen einst »Ride a white horse«). Es scheint momentan also ein gesteigertes Interesse an Pferdemusik zu geben (das entsprechende Stichwort behauptet sich in unserer Suchphrasenliste auf einem achtbaren 32. Platz).

Das bekannteste und beste Pferdealbum hat allerdings schon ein paar Jahre auf dem Buckel. Es heißt »Horses« und kommt von Patti Smith. Die beste Begleitband aller Zeiten heißt »Crazy Horse« und das traurigste Lied, das überhaupt jemals geschrieben wurde, kommt von Palace Brothers. Es heißt – yap – »Horses«. Will Oldham klingt so unglaublich verstimmt, dass selbst eine Engländerin auf Anfrage keine genaue Übersetzung hinbekommen hat. Soweit der Blick in die Vergangenheit. Zurück in die Gegenwart, denn in dieser trägt gerade jede zehnte Band ein Tier im Namen. Das momentan heißeste Pferd im Stall ist ein Kleinpferd und hört auf den Namen New Young Pony Club. Hier schon seit Wochen gefeatured, sind die fünf Engländer gerade mit ihrem Song »Ice Cream« in die aktuelle Intel-Werbekampagne eingestiegen. Dem Durchbruch steht demnach nichts mehr im Wege. Nicht minder interessant sind Pony Up aus Kanada. Ihr Song »The truth about cats and dogs (is that they die)« gehört zu den Indierock-Hymnen des Jahres. Einer meiner persönlichen Lieblingstracks der letzten Monate stammt von Lindstrom & Prins Thomas und heißt »Horseback«. Unglaubliche achteinhalb Minuten, die nach einer durchzechten Nacht um sechs Uhr morgens eine geradezu grandiose Atmosphäre schaffen können. Hit! Hit! Hit! Vorher muss allerdings »Gothic Girl« von International Pony gelaufen sein – zur Primetime versteht sich. Der Soundtrack zur einbrechenden Kälte kommt von Smog und heißt »I break horses«. Direkt danach laufen Xiu Xiu mit Sad Pony Guerilla Girl und »Single« von Pony Club um Sänger und Komponist Mark Cullen. »I am Single and it’s raining» heißt es da. Klingt banal, ist es auch, Banalität von ihrer schönsten Seite. Und um nicht völlig in Trübsal zu versinken, gibt’s für die gute Laune als Rausschmeisser Musik vom Produzenzenduo Fuckpony: »It’s only music«. In diesem Sinne… Hüa ho!


International Pony – Gothic Girl

Eine Sendung, die es so nie gab und so vielleicht auch nie geben wird.
01. International Pony – Gothic Girl [YouTube Direktlink]
02. New Young Pony Club – Ice cream [YouTube Direktlink]
03. Pony Up — The truth about cats and dogs (is that they die) [YouTube Direktlink]
04. Poni Hoax – Budapest [MySpace]
05. Fuckpony — It’s only music
06. Pony Club – Single [MySpace]
07. My Little Pony – Kill the Rock [YouTube Direktlink]
08. The Ponys – Double Vision [MySpace]
09. Fuckaponydelic – Switch the lights

01. Like a StuntmanLet’s talk about horses
02. Palace Brothers — Horses
03. John Vanderslice – Pale Horses
04. Lindstrom & Prins Thomas — Horseback
05. Devendra Banhart — Horseheadedfleshwizard
06. Smog — I break horses [YouTube Direktlink]
07. Studio Braun – Pferdekauf
08. Lucky Jim – All The Kings Horses [MySpace]
09. Wonderland Avenue – White Horse [MySpace]
10. Seelenluft – Horse with no name
11. The Fall – Coach and Horses

01. Annette Peacock – Pony
02. Caro – My little Pony
03. Fugazi – Birthday Pony
04. Kasey Chambers – Pony
05. Teenager – Pony [MySpace]
06. Xiu Xiu – Sad Pony Guerilla Girl
07. Infinite Livez – Pononee Girl

01. Band Of HorsesBass Song
02. Nine Horses – Wonderful World
03. They Shoot Horses Don’t They — Emptyhead
04. Horse Feathers – Finch On Sunday
05. A Man Called Horse – In the light of day

Schallgeber

Die 483.540 MySpace-Clicks [MySpace], die es bislang für den Song »Atlantis to Interzone« gab, dürfte die Klaxons in eine gute Ausgangssituation gebracht haben hinsichtlich der anstehenden Albumveröffentlichung. Ich kann eigentlich kaum glauben, dass das Interesse an den Engländern wirklich so groß ist. Ob die beiden Machtdose-Plays die Band entscheidend pushen, bleibt abzuwarten. Nette Songs, insbesondere der Metronomy Remix, aber nicht der Hammer. Müssen andere für mich hören.

Anders verhält es sich da mit Bonobo. Simon Green hat mit »Days to come« das eingelöst, was viele von ihm erwartet haben – ein über weite Strecken wahnsinnig entspanntes Album, das neben viel Wärme vor allem eins bereit hält: Einen geräumigen Groove, der in seinen besten Momenten von der Sängerin Bajka geradezu wundervoll überstrahlt wird. Seine Bühne heißt NuJazz, eine Überlebensform, die Acid Jazz Mitte der 90er Jahre hervorgebracht hat. Beides war einmal, wurde an den Rand der Gesellschaft gedrängt. Wahrscheinlich hatten die Menschen einfach die Schnauze voll davon. Simon Green liefert mit »Days to come« demnach keinen Vorgeschmack auf die Zukunft. Vielmehr erinnert sein Sound an die alten Helden der Zunft, an das Cinematic Orchestra oder auch an die hervorragenden Jaga Jazzist, an das frühe Jahrtausend also. Gut ein halbes Jahrzehnt nach dem großen Boom kein verkehrter Zeitpunkt, um ein wenig in Erinnerung zu schwelgen, bei einem Glas Tee.

Anschauen müsst ihr euch unbedingt das aktuelle Video der belgischen Band Goose. Ursprünglich als AC/DC-Coverband gegründet, zeigen die beiden Musiker, dass Seifenkistenrennen selbst im gesetzten Alter ihren Sinn nicht verlieren. Steve Glashier hat Regie geführt.

Bleibt noch der Hinweis auf Pony Up!, die mit ihrem Song »The truth about cats and dogs (is that they die)« einen lupenreinen Indierock-Hit komponiert haben. Das Video zeigt die vier Kanadierinnen bei einem dramatischen Rettungsversuch, der den Tod eines Hundes allerdings nicht zu verhindern weiß. Sehenswert!

Sendung vom 19.10.06 – 19-20 Uhr – Radio X – zum Livestream
01. VMW — You’re so dumb (Coalition) [MySpace]
02. Klaxons — Magick [MySpace]
03. Klaxons — Atlantis to Interzone (Metronomy RMX)
04. Namosh — Cold Cream (Bungalow)
05. Klanguage — Never Over (Discograph/Rise) [MySpace]
06. Goose — Black Gloves (Skint)
07. Avida — Il grillo e la formica (Cræme Organization)
08. Shimura Curves — Noyfriend (MySpace)
09. Pony Up! — The truth about cats and dogs (is that they die) (Dim Mak Records)
10. Bonobo — If you stayed over (feat. Fink) (Ninja Tune)
11. Bonobo — Days to come (feat. Bajka) (Ninja Tune)