Gregor
Flaneur – Der Kongress
Der Flaneur protestiert. Gegen Eile und Effizienz. Gegen Arbeit und kapitalistische Verwertungslogik. Gegen Zeitökonomie. Er steht für Müßiggang, Nicht-Verwertbarkeit, Entzug und Risiko. Für Sich-Zeit-nehmen, Ziellosigkeit und für den Blick auf das Schöne. Der Flaneur ist eine Sehnsuchtsfigur. Und die Sehnsucht nach ihm befördert uns in ein Feld zwischen Beschleunigung und Entschleunigung, Gehen und Verweilen, Müssen und Nicht-Müssen, distanziertem Beobachten und teilnehmendem Denken und Handeln. Genau in diesem Zwischenraum begeben sich an zwei Tagen Künstler und Theoretiker auf die Suche nach dem Flaneur und den Taktiken seiner Alltagspraxis. Wo? Auf dem Willy-Brandt-Platz und im urbanen Labyrinth Frankfurts (aus dem Pressetext).
IT`S OK TO HANG AROUND – PICKNICK UND INSELGESPRÄCHE
Dr. Ellen Bareis (Soziologin) erforscht Shoppingmalls als Orte zwischen Nutzung und Kontrolle. Prof. Dr. Frithjof Bergmann (Philosoph, New Work Project) fordert die Freiheit für die Dinge, die man wirklich, wirklich will. Der Flaneur als Tempel in der Zeit beschäftigt Prof. Dr. Hans-Thies Lehmann (Theaterwissenschaftler) und Claudia Plöchinger (Kuratorin). Daniel Häni und Enno Schmidt (Initiative Grundeinkommen Schweiz) und Susanne Wiest (Petition für bedingungsloses Grundeinkommen) überprüfen die Möglichkeiten der Flanerie nach der Einführung des bedingungslosen Grundeinkommens. Dr. Dagmar Reichert (Kulturgeographin) geht mit ihren Gästen den gemeinsamen Versuch eines Flaniervortrags ein und Anke Zechner und Serjoscha Wiemer (Medienwissenschaftler) sehen Potential in der Leere von Langeweile und Zerstreuung.
FM 92,9
Klaus Walter (Autor / DJ) und Armin Chodzinski (Künstler / Publizist) begleiten ihre Gäste mit einer Radiospur zum und durch den Kongress, bestehend aus Musik, Expertentalk und Call-In für die Kongressteilnehmer. Experten auf der Radiospur sind Prof. Dr. Martin Seel (Philosoph) mit seiner Phänomenologie des Lassens und Prof. Dr. Benno Werlen (Geograph) zum Verhältnis von Handlung und Raum. Zu hören über per Pfand erhältliche und mitgebrachte Taschenradios auf 92,9 – exklusiv auf dem Kongressareal.
Und vieles mehr. Das detaillierte Programm mit Zeitplan gibt’s unter FLANEUR – DER KONGRESS
Freitag 5. Juni – Beginn: 16.00 Uhr | Samstag 6. Juni – Beginn: 14 Uhr im SCHAUSPIELFRANKFURT
Rafts
Ausgangspunkt für die Serie »Raft« des Briten Andy Parker sind unhandliche, überflüssige und ausgemusterte Gegenstände aus dem Keller, gemeinhin auch Sperrmüll genannt. Sessel, Mikrowelle, Matratzen, Tische und Schränke – all das bildet die Vorlage für seine technisch ein wenig dahingeschlampten Skulpturen, die er mit Klebeband, Schnüren, Farbe und Karton erschafft. Soweit so langweilig. Spannend wird die Geschichte in dem Moment, in dem er seine Skulptur zu Wasser lässt und den Kräften der Natur aussetzt. Genau darin nämlich liegt das Geheimnis dieser Arbeit. Ahoi Matrosen.
Urban Camouflage
Der subversive Ausdruck, den Militärmode über viele Jahrzehnte hinweg hatte, ist weitgehend verloren gegangen. Das Gros ihrer Träger, die sie zitiert, tut dies heute aus ästhetischem Selbstzweck. Bomberjacken, Militärhosen und Armeehemden sind spätestens seitdem der Mainstream die Trends von Punk, New Wave und anderen Jugendkulturen aufgegriffen hat, auch Teil der Modewelt geworden. Das alles ist ein alter Hut. Neu hingegen ist die hocheffiziente Tarnungsstrategie von Urban Camouflage, die mit ihrer Auslegung von Uniformität eine völlig neue Warenhaus-Ästhetik erschaffen haben. Die Künstler hinter diesem Projekt gehen der Frage nach, wie man sich in öffentlichem, gewerblich genutzten Raum unauffällig oder gar unbemerkt bewegen kann. Orte, die in der Regel vollkommen unaufregend sind, nicht zu übertreffen sogar in dieser und vielerlei Hinsicht. Experiment geglückt, wie ich meine. Stil und Haltung im Gleichgewicht.

Fotogalerie #1
The reactions were different. As before mentioned, we didn’t ask for a permission. Most employees reacted humorously, but we had some trouble with the managment as well and had to quit some actions earlier than we wanted to. The reactions of customers were also very different. Some were interested and tried to touch the costume, others reacted irritated and stayed in some distance. There were also customers who ignored us completely, it seemed like if they just didn’t want to get irritated by us.

Fotogalerie #2

Fotogalerie #3
(via)
Freeze!
Immer noch unschlagbar: Freeze! von Valentin Beinroth und Florian Jenett. War mal Teil meiner Diplomarbeit zum Thema »Kunst am Rande der Legalität«, die ich 2003 geschrieben habe. Jenett und Beinroth haben neulich ihre Homepage gepimpt und endlich gescheite Bilder ins Netz gestellt. Der Text, den ich damals dazu geschrieben habe, wirkt hier ein wenig aus dem Zusammenhang gerissen. Momentan geht’s in diesem Land um ganz andere Dinge, Datenschutz, Finanzmarktkrise, Frühlingsgefühle etc. Trotzdem lesen.
»Als besorgniserregend empfanden einige Frankfurter die brillante Aktion zweier Künstler (»Freeze«), die durch das Mitführen von Waffen eine »Störung der öffentlichen Ordnung« verursachten – nur waren die mitgeführten Schießeisen aus Eis. Zuvor wurden etwa 80 Pistolen-Attrappen mit Hilfe einer Silikonform erstellt und im Stadtkern Frankfurts verteilt. Die durchschlagende Wirkung – die Pistolen sahen täuschend echt aus – brachte nach kurzer Zeit die örtliche Polizei auf den Plan, die kurzerhand die gefrorenen Plagiate in Beschlag nahm.
Waren es in den 30er Jahren die Surrealisten, die unter vorgehaltener Waffe Passanten auf der Straße zu erschießen drohten, gilt heute das Gesetz der Diskretion. Mit sicherem Gespür für affektische Verhaltensweisen versahen die Künstler den Stadtraum quasi unbemerkt mit ihren Pistolen, um im Anschluss ihre Wirkung zu beobachten. Die Aktion hatte hohen Symbolcharakter, ist doch das Bedürfnis nach Sicherheit alles bestimmendes Thema derzeitiger Politik. Von einer messbaren Radikalisierung unserer Gesellschaft weit entfernt, ist das allgemeine Sicherheitsstreben in Form des sich überall entfalteten Sicherheitspersonals omnipräsent. Die insensiblen Überwachungsmethoden schaffen in unseren Städten ein Klima der Kontrolle und Repression. Zudem schüren sie Angst vor Verbrechen. Denn hinter einem großen Sicherheitsaufwand müsste man eigentlich eine Bedrohung für die innere Sicherheit vermuten. Insofern ist aus der Sicht der Mehrheitsgesellschaft die öffentliche Sicherheit weiter zu verbessern. Einer Minderheit bleibt es so denn vorenthalten, auf die Gefahren zu verweisen, die die Bekämpfung der Gefahren mit sich bringt.
Das humorvoll inszenierte Bedrohungsszenario der Pistolenfälscher war ein konsequenter künstlerischer Beitrag zum aktuellen Sicherheitsdiskurs. Das Strafverfahren gegen sie wurde schließlich eingestellt. Dem vernehmen der Künstler nach hatte die Aktion, so die Presse, ohnehin keine Bedeutung.« Ende der Besprechung.
Jenetts getunter Toyota WÜ-ZP-200 ist übrigens auch nicht zu verachten. Mit großem Proll-Spoiler an Front und Heck, damit der Wagen auch bei 200 Sachen auf die Straße drückt.






