Zum Inhalt springen

Musik

Die besten Alben 2022 – Plätze 9

Gregors Nr. 9:
Pink Shabab – Never Stopped Loving You
(Karaoke Kalk)

Schwimmen, Spazierengehen, Schräubchen drehen ­– Joseph Carvell alias Pink Shabab machte, was man als Musiker eben machen muss, wenn man das Haus nicht mehr verlassen darf: Er fuhr nach Südfrankreich und produzierte ein lovely Coronaalbum. Ja und nein, irgendwie schon wieder lange her und trotzdem hängt es einem mächtig nach, dieses Schwarze Loch der Pandemie. Der Referenz-Sticker auf dem Cover: »Die 80er sind zurück!« 80ies-Nostalgie findet sich allerdings nur in der Epidermis, was darunter liegt, greift viel weiter. »Never Stopped Loving You« ist ein bunt bemaltes Vogelhaus geworden, Federn flattern, allein die Vögel singen, zwitschern, tirilieren. Ein wohliger Sound mit den richtigen Keyboardanschlägen und Abstechern in die weitere Umgebung von Dance- und House, exotisch und angenehm eigenartig dazu.


Rolands Nr. 9:
Moon Panda – What on Earth
(Fierce Panda)

Das dänisch-amerikanische Duo Moon Panda liefert hier einen klassischen Slow-Burner: einerseits, was das Tempo der Songs selbst, andererseits, was ihre zunehmende Schönheit beim wiederholten Hören betrifft. Das ist kurzfristig und auf’s Einzelne gesehen erstmal wenig spektakulär, aufs Ganze und Dauer allerdings umso verfänglicher. Wohl abgehangene Lieder zum steigernden Wohlfühlen also. Ließ sich etwa gut anwenden an Herbsttagen, als die typisch mittelprächtige Melancholie einsetzte, es einem zwar sad, aber auch nicht zu sad ging – wie so’ne warme Tasse Tee.

Die besten Alben 2022 – Plätze 10

Hier kommen also unsere Albumcharts! Diesmal wollen wir jeden Platz einzeln raushauen – und Ihr wisst, gibt immer zwei Alben je Platz, los geht’s:


Gregors Nr. 10:
The Düsseldorf Düsterboys – Duo Duo
(Staatsakt.)

Musik in schwierigen Zeiten. The Düsseldorf Düsterboys bilden das Gegengift. In den Texten deutet sich das zwar kaum an, vielmehr ist es das Liebliche, ihre naive, sentimentale Poesie, die in ihrer Essenz das Gute gebietet und das Böse verbietet. Irgendwo zirpen Grillen, hie und da hört man eine Stecknadel fallen, dann diese typischen Beach-Boys-Düsterboys-Glücksmomente, ein bisschen Kirchenschola, Deutsch-Americana, Barden-Pop. Triftet musikalisch weit auseinander, richtig, klingt aber zusammengeschmolzen wie tausend Kerzen. Peter Rubel und Pedro Goncalves Crescenti sind seit diesem Jahr fester Bestandteil meiner Plattensammlung. Schwer denkbar, dass sie demnächst schon wieder bei Discogs landen.


Rolands Nr. 10:
Sonnyjim & The Purist – White Girl Wasted
(Daupe!)

Hat klanglich einiges gemeinsam mit der ebenfalls in diesem Jahr erschienen Platte von Danger Mouse: unter anderem findet sich auf beiden ein Track mit einem Rap-Part des 2020 verstorbenen MF Doom. Beide sind in jeder Hinsicht gleich dope, diese hier lediglich ’n Ticken unterhaltsamer für mich – es drehen die Beats und Rhymes zugedröhnt frei, wie ich HipHop-Laie es am liebsten mag.

Die besten Tracks 2022

Möge der Jahresrückblick beginnen! Dieses Mal anders herum, wir fangen also mit den Einzelstücken an – die Albenplatzierungen im Countdown folgen kurz darauf.

Wie letztes Jahr haben Gregor und ich uns jeweils auf 15 Lieblingsstücke des Jahres geeinigt und in einer Videoschalte dann einander vorgestellt/-spielt. Lieblingsstücke heißt übrigens nicht zwingend, dass sie auch dieses Jahr erschienen sind. Wir waren diesmal soundmäßig durchaus näher beieinander als üblich, einmal sogar mit Band-Doppelung.

Wie immer gibt es das Ganze als wohlabgestimmte Mixliste, wie immer gefällt sie uns selbst natürlich außerordentlich, wir hoffen, Euch auch.

Bei Spotify:

Machtdose – Die besten Tracks 2022 (bei Spotify)

Bei YouTube:

Machtdose – Die besten Tracks 2022 (YouTube-Playlist, Menü rechts oben)

Die besten Tracks 2021

Nachdem wir mit den Alben durch sind, jetzt noch unsere 30 Favoriten-Tracks. Die haben wir uns in einem Zoom-Meeting per Songpingpong zugeworfen und vorgestellt, war eine Riesenfreude. Als Ergebnis das Ganze nun in Form einer Mix-Playlist, bei der wir dann noch ziemlich an der Reihenfolge tüftelten (bekanntlich nicht trivial!).


Insgesamt eine erfreulich vielsprachige und -stimmige Mischung, meinen wir, und hat uns selbst die Weihnachtstage sehr versüßt.


Einmal dargebracht als Spotify-Playlist:

https://open.spotify.com/playlist/0uf0hXLOt7IsTaDWBIgSdY?si=c4b89c456d634abb

Für Nicht-Spotify-Nutzende als Youtube-Playlist (also gleich audiovisuelles Vergnügen dabei):

https://www.youtube.com/playlist?list=PLB650NNYgbTIlOJRdxaOdQE-UcEnynZMM

Die besten Alben 2021 – Plätze 2 und 1

Rolands No. 2:
Leon Vynehall – Rare, Forever
(Ninja Tune / Rough Trade)

Auteur-Techno, lauter kleine Erzählungen, jede meist ganz anders als die vorige und somit eine Überraschung nach der nächsten – obschon genrespezifisch ausreichend Stampf und Monotonie vorhanden. Produktionswerte top notch, manchmal will man einfach einem bestimmten Schlagwerk nachhorchen, weil es für sich allein schon spektakulär genug klingt.


Gregors No. 2:
Squid – Bright Green Field
(Warp)

Liebe zum Detail, Anspielungen und Querverweise – das ist die Musik von Squid. Nein, eigentlich habe ich nicht die musikhistorische Kompetenz, um über „Bright Green Field“ zu schreiben. Das sollte sich unbedingt mal jemand vom Fach genauer anschauen, so schlau und studiert ist das alles, irre! In einem Moment kurz und simpel, im nächsten komplex und schnell, riesige, dröhnende Synthesizer, matschig und stampfend, tanzbar, jazzige Saxophonlinien, Spoken-Word-Einlagen, explodierender Post-Punk, Ambient, Krautrock – einfach alles ist nur einmal auf „Bright Green Field“. Höchste Präzision findet sich also nicht nur in Schweizer Uhren. Makellos!


Rolands No. 1:
Fred Again.. – Actual Life (April 14 – December 2020)
(Atlantic)

Fred again.. ist ein rasend erfolgreicher Produzent, für zig Top 10-Platzierungen in den UK-Charts verantwortlich. Jetzt hat er die für mich – mit Abstand! – bedeutendste Platte des Jahres gemacht, aus Lockdown und Pandemie geboren. Ein Arbeits-Tagebuch, bei dem meist Youtubeschnipsel als Sampels zum Ausgang genommen wurden, um daraus den nächsten Track zu entwickeln. Es kommt ein Banger nach dem anderen, von vereinzelten James Blake-artigen Einlagen und Ruheinseln unterbrochen. Die Samples bestehen aus Signature-Sprüchen, die nach und nach nach alle wieder auftauchen, das Isoliert-Gedankenkarrussell nachbildend, dass doch wohl jede:r gerade kennt? Wer könnte etwa nicht zu Aussagen relaten wie „I’m so tired of being strong“? Das liest vielleicht nicht besonders dolle, aber mit der Musik dazu hat das jedenfalls mich auch emotional sehr abgeholt und mitgenommen. So wird ein Spoken-Word-Vortrag über Depression („I am a party / inside of my head / inside of my home“) zur Trotzgeste gegen den ganzen Außenkrams, wie eh fast schon verzweifelt nach einem positiven Ausgang gesucht wird: „We’re going through“. Wird schon. Ich muss zwanzig Jahre zurückgehen, um etwas zu finden, das ähnlich als perfekte Heimpartyplatte für den Ego- und Emohaushalt funktionierte, nämlich bis zu „Since I left You“ von den Avalanches.


Gregors No. 1:
Mano Le Tough – At The Moment
(Pampa Records)

Mano Le Tough aus der Grafschaft Wicklow an der Ostküste Irlands. Als Siebenjähriger Talking Heads und Fine Young Cannibals aus dem UKW Sender mitgeschnitten, bevor er Tanzmusik im lokalen Piratenradio für sich entdeckte. Neben Dutzenden von Veröffentlichungen wurde Le Tough später dann zu einem gefragten DJ mit Headliner-Auftritten rund um den Globus. Mit Tanzmusik hat „At The Moment” allerdings nur gelegentlich zu tun. „Let’s make Noises“ hört man eine Kinderstimme in einem Stück sagen, schau’n mer mal, was sich auf der Festplatte so findet. Zeit zum Suchen war ja genug da in den letzten Monaten. It’s hard for me to make good music about everything being amazing. Anything I’ve done that had any kind of artistic merit has been through struggles I’ve had”. Gestruggelt hat ihn natürlich Corona.

Leider kein geeignetes Video gefunden, daher Verweis auf die Bandcamp-Page zum Nachhören:

Die besten Alben 2021 – Plätze 4 und 3

Rolands No. 4:
W. H. Lung – Vanities
(Melodic / Indigo)

Macht Ihr auch Strichlisten, wen Ihr als nächstes live erleben wollt, wenn der Scheiß erstmal rum ist? W. H. Lung sind bei mir ganz vorne bei. Vitalitätspop, reichlich 80er-Synthies, viel Druck. Haben mit „Pearl in the Palm“ die Tanzperle 2021 hingelegt und wären mit einigem Recht die diesjährigen Tanzbodenkönige geworden, hätte es Tanzböden gegeben dieses Jahr. Macht fast nix, alternativ könnt Ihr mit dem Album zuhause Eure Teppiche durchshuffeln.


Gregors No. 4:
International Music – Ententraum
(Staatsakt)

In einer gerechten Welt wären International Music nicht aus Essen und man müsste nicht immerzu erklären, das die Düsseldorf Düsterboys keine Jungs aus ihrer Nachbarschaft sind. Ist sie aber nicht. „Ententraum“ ist auch nicht in Entenhausen entstanden und die Band besteht nicht aus Tick, Trick und Track, auch wenn die drei jungen Enten den drei jungen Hühnern von International Music ein Stück weit ähneln. Überall und jederzeit Schabernack, Quatsch und Strebertum. Selbst das schlaue Buch, das auf wirklich alles eine Antwort hat, werden International Music im Regal stehen haben. Anders kann ich mir nicht erklären, woher International Music das ganze Wissen für eine derart auf den Punkt gebrachte Perfektion haben.


Rolands No. 3:
The Weather Station – Ignorance
(Membran / Major Babies)

Waren die erste Musiksensation des Jahres. Beim Ersthören fielen mir gleich Bauklötze aus den Ohren, denn ich habe es kaum für möglich gehalten, dass jemand nochmal die besten Talk Talk-Momente einfangen / heranzitieren könnte („Robber“). Und alles so fein ausbalanciert und gravitätisch elegant! Darf man eigentlich nur bestangezogen hören, weil jeder Schluff hier nicht angemessen ist.


Gregors No. 3:
Curtis Harding – If Words Were Flowers
(Anti-)

Der rätselhafte Fluss der Zeit. Die Zeit, sie existiert einfach. Das weiß auch Curtis Harding, der mit seinem 70er-Jahre-Soul in der Vergangenheit festsitzt, den Gegenwartssound aber kennt, versteht und kleine Mengen davon in seine Musik mischt. Die gute Nachricht: Man mag den Sound für gestrig halten, Soul hat aber immer und immer wieder zeitlos schöne Songs hervorgebracht. Die Single „Hopeful“ wird einer davon werden. Ist nicht morgen Heiligabend, das Fest der Liebe? Liebe gibt’s reichlich auf dem Album. Harding hat es so umschrieben: It’s me giving my flowers to the world, to anybody who needs to hear what these songs have to say right now”.