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Musik

Jahresbilanz 2004

Jeder macht es, alle wollen es, keiner glaubt, dass es tatsächlich irgendwas aussagt. Hier sind sie, die Machtdose-Jahrescharts in Album und Single. Ich hatte diesmal die Muse, meine zu kommentieren, während Gregor traditionsgemäß die Liste als solche sprechen lässt. Außerdem habe ich mich ganz gegen meine Gewohnheit zu Platzierungen durchgerungen, obwohl das ein eher gewaltsamer Akt ist.
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19 Hits

Wenn man diese Songs der Reihe nach spielen würde, sagen wir mal bei voller Lautstärke, dann müsste man, wenn es nach mir ginge, ziemlich berauscht sein. Nachfolgend findet ihr eine Auswahl der besten Lieder des Jahres 2004. Der Poll folgt.

Sendung vom Sonntag, 12.12.2004 – 12-14 Uhr – Radio X – Frankfurt
01. Le Tigre – Seconds (Universal/Chicks On Speed Records)
02. TV On The Radio – Bomb yourself (4AD/Touch & Go)
03. Tortoise – It’s all around you (Thrill Jockey)
04. Daedelus – Something bells (Plug Research)
05. März – Blaue Fäden (Karaoke Kalk)
06. Poto & Cabengo – Life in San Diego (Karaoke Kalk)
07. Poto & Cabengo – The wanderers‘ song (Karaoke Kalk)
08. Slowly Minute – I will go somewhere? (Bubble Core Records)
09. Black Leotard Front – Casual Friday (DFA Records)
10. !!! – Hello? Is this thing on? (Warp)
11. Mediengruppe Telekommander – Trend (Mute/Enduro)
12. Von Spar – Ist das noch populär (‚L’Age D’or)
13. Mediengruppe TK – Bis zum Erbrechen schreien [Von Spar] (Mute)
14. Das Bierbeben – No Future No Past (Shitkatapult)
15. Mysterymen – Waiting (Disko B)
16. McEnroe – Dumb it down (Vertical Form)
17. Alias – Watching water (Anticon)
18. Restiform Bodies – 3rd feel Judy Garland (subversiv*rec)
19. Chronomad – Masmoudi (Alien Transistor)

Project C-90

Sowas ähnliches hatten wir erst vor kurzem, trotzdem: Project C-90 listet alle denkbaren je produzierten Leercassetten, diesmal nicht nur die Hüllen, sondern auch die Cassetten selbst.

Plattendezember

plattendezemberNachts, halb zwei, zuhause. Der Monitor gibt blasses Licht. Läuft jetzt Andrew Peklers Nocturnes, False Dawns & Breakdowns (~scape), hat man das Passende: konzentriert und nachlässig zugleich. Nachtaufnahmen, die sich wie Dias ineinander- oder von der Seite her reinschieben. Jazzahnungen, großstädtisch. Dumpfes Schlagzeug, fast schon schlafen die Sounds. Das Ganze ist nach Cuts & Clicks-Manier zusammengefügt, in inszenierter Zufälligkeit. Die Ausschnitte sind dabei nicht zentralperspektivisch gewählt, sondern bewusst nach links und rechts verzogen, alles bleibt Andeutung und wird dadurch erst organisch. Bei Slowly Minute geht es auf Tomorrow World (Bubble Core) gar nicht mal unähnlich zu, nur lichter. Das plänkelt, plätschert und tropft und Geisterstimmen wispern leise. An dem Bachgeriesel könnte man viel Zeit verbringen (weshalb die Platte wahrscheinlich auch so lang geraten ist). Insofern haut der Projektname hin, Zeit zerdehnt sich und wird aufgehoben. Vielleicht fehlt auf 70 Minuten ein wenig die Dramaturgie, andererseits eignet sich das gut zum Reinverlieren. Schlag auf, wo Du willst, gleich kannst Du weiter tagträumen. Mit anderen Worten: es handelt sich dabei um ein wohl dosiertes, süßes Gift. Die Mysterymen dagegen haben sich mit Everything but an Answer (Disko B) folgendes Ziel gesetzt: Hits und Hits! Dafür gab man ihnen ungefähr zwei Analog-Synthesizer, und Singstimmen durften sie auch nur verwenden, wenn die durch einen Vocoder oder ähnliches gezogen wurden. Ja und, was machts! Ihnen gelingt nämlich das Kunststück, aus solch engen Vorgaben extrem eingängige Songs zu stricken, die vielleicht von ähnlicher Klangfarbe sind, im Ergebnis aber eine erstaunliche Variationsbreite aufweisen. Meine Favoriten zum Beispiel heißen „Is it real?“, das fast klassisch new-waveartig und leicht angedüstert daherkommt, während das lässigere „It feels nice“ geradezu mittwippzwingend ist. Könnten die legitimen Daft Punk-Erben sein.

Kissogram – »The secret life of Captain Ferber«

Songs wie »Tune man« sind eigentlich Grund genug, über eine komplette Albumveröffentlichung nachzudenken. Dabei dreht es sich lediglich um die B-Seite der ersten Kissogram-Single »Forsaken people come to me«. In dem Song wackeln hüpfende Beats um orientalisch-europäischen Singsang, der seine Hörer ganz unbeschwert mit der Fremde vertraut macht. Ein Wunder, dass man auf dem Album »The secret life of Captain Ferber« vergeblich danach sucht. Dafür findet man dort 12 andere Songs, die alle möglichen Genres in Schieflage bringen – oder sie einfach nur sauber durchdeklinieren. Oft sind das dann Hits (zwei, drei Mal wird’s auch albern), die Jonas Poppe und Sebastian Dassæ aus ihrem Rechner und ihren Instrumenten kitzeln. Das nennt man dann wohl Rock’n’Roll-Disko. Oder besser: Disko-Rock’n’Roll!

Kissogram – »The secret life of Captain Ferber« (Louisville Records)

Sendung vom 25.11.2004 – Radio X
01. Le Tigre – After dark [Morel’s Pink Noise Vocal Mix] (Universal)
02. The Rapture – Alabama Sunshine (DFA Records)
03. LCD Soundsystem – Yeah [Crass Version] (DFA Records)
04. Rhythm King and her Friends – Fifteen (V.A. Team Kitty-Yo)
05. Raz Ohara – Hymn [Hardman Rmx] (V.A. Team Kitty-Yo)
06. Kissogram – Falling Star (Louisville Records)
07. Mysterymen – Waiting (DiskoB)
08. Wuzi Khan – Lost in whatever (Meteosound)
09. D Meteo & Tom Thiel – Miami (Meteosound)
10. Restiform Bodies – Sippy cup (Anticon)
11. Andrew Pekler – Arches (~scape)

8-Track Heaven

Habe in meinem Leben ja schon viele Formate überstanden: VHS, LP, LD, MC, Beta2000, Hi8, Super8, Normal8, um hier mal nur einige zu nennen. Das 8-Track System ist allerdings unbeachtet an mir vorbeigezogen. Hängt u.a. damit zusammen, dass sich dieses Format in Deutschland nie durchgesetzt hat. 8-Track-Bänder sind auf Endlosspulen gewickelte Magnetbänder aus den 70er-Jahren, die acht getrennt voneinander laufende Spuren beschreiben können. Aber was erzähle ich euch. Es gibt Menschen, die sich damit deutlich besser auskennen. Man findet sie im 8-Track Heaven. Die Abspieler sehen übrigens ganz wunderbar aus, sowohl für’s Auto, als auch als 8-Track-Komponente für die Stereoanlage.

8-Track-Component
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Unter den 8-Track-Bändern gab’s sogar Bootlegs. Und James Last schneidet, was die Menge anbelangt, wie immer gar nicht schlecht ab.

Plattennovember

Das Spiel um musikalische Trends und Hypes ist eigentlich eine lernbare Angelegenheit. Sie fegen gewöhnlich mit hoher Geschwindigkeit über die Menschheit hinweg, um nachfolgend als laues, meist sogar angenehmes Lüftchen zu verpuffen. Und im Resultat wird aus der Modeerscheinung fast immer ein Fall für die Geschichtswissenschaft. Manche mag das nerven, ich dagegen bin inzwischen renitent gegen die regelmäßige Wiederkehr dieses Hergangs. Mit Erscheinen der 3CD-Box Death From Above Compilation #2 erreicht ein solcher Trend soeben seinen vorläufigen Höhepunkt. Der Song »losing my edge« (LCD Soundsystem) aus dem Jahr 2002 war der Beginn eines hysterischen Streifzugs durch die Kreuzungsgeschichte von Punk und Dance. In dessen Fahrwasser bewegen sich dieser Tage Bands wie Radio 4, The Rapture, !!! und A.R.E. Weapons, die mit ihrem New Indie Groove das Destillat einer ohnehin wenig bekannten Strömung aus den späten 70ern und frühen 80ern um Bands wie Gang of Four oder P.I.L. neuerlich bearbeiten. Einen ehrbaren Eindruck hinterlassen dabei die Herren James Murphy (LCD Soundsystem) und Tim Goldsworthy, die Anfang 2000 das Label DFA Records aus der Taufe hoben, um ihre Version von punkiger Tanzmusik, vereinheitlicht unter dem Begriff Death Disco, in bester DIY-Tradition zu veröffentlichen (die Elephantenhochzeit mit EMI wird daran wohl kaum etwas ändern). Da DFA Records bisher mehr als Vinyl-Only-Label in Erscheinung getreten ist, bietet sich nun die passende Gelegenheit, den Acts des Labels auf einen Schlag zu begegnen. Neuen wie Alten. This compilation grooves, funkily, and rocks, ruggedly — zuhause und im Club!

Ins Wohnzimmer gehört auch irgendwie das fabelhafte Album Five Years In The Factory des kanadischen Rappers McEnroe. Mal abgesehen von der überragenden Single »Party People« sowie dem eminemgleichen »Dump it down«, haben wir es auf seinem zweiten Longplayer vorwiegend mit entspannten Downbeats zu tun, die zu gepflegtem Headbangen einladen. Textlich gibt sich McEnroe gerne aufsässig, verschmäht die Amis, wann immer er kann, pflegt die Liebe zum Underground, unterhält so ganz nebenbei ein Label namens Peanuts & Corn, macht also alles genau so, wie man es mag und gewohnt ist. Zudem sind seine Skillz eher fett. Im Unterschied zu vielen seiner Left-Wing-Kollegen, die den Big Players des Business gerne mit billigen LoFi-Produktionen trotzen, hat sich der 26-jährige eine Technik draufgeschafft, die eigentlich dick einschlagen müsste. Und trotzdem werde ich das Gefühl nicht los, dass er die Kellerbar seines Vancouver Viertels nie verlassen wird. Daran wird diese Empfehlung wohl auch nichts ändern. Tipp!

V.A. — DFA Compilation #2 (DFA/EMI)
McEnroe — 5 years in the factory (Vertical Form)