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Musik

Trance Selbsthypnose-Cassetten

Ich hab’s, ich weiß endlich, wie ich mich fit halte: Joggen lernen mit Selbsthypnose-Cassetten! »Ich will besser Joggen« heißt’s im Titel. In der »Trance-Reihe« wird praktisch jeder Traum Wirklichkeit: Art.Nr.01 Stop Smoking! (Ron, wie sieht’s aus?) – Art.Nr.04 Nie mehr schüchtern! – Art.Nr.20 Schluss mit dem Haarausfall! – Art.Nr.25 ich werde ein Topverkäufer! (die Kassi geht an mich) – Art.Nr.33 (jetzt kommt’s:) ich werde ein besserer Tennisspieler! – Art.Nr.43 komm du bist schön! Auf dem Cover steht: »Wenn ihr Geist ständig durch das Anhören der Hypnosecassetten mit ihren Wunschvorstellungen konfrontiert wird, kann er mit der richtigen Motivierung Ihnen dazu verhelfen, das zu verwirklichen was Sie sich immer gewünscht haben […] Die Entscheidung für ein besseres Leben liegt nun bei Ihnen« Trance Selbsthypnose-Cassetten – Der Weg ihr Leben zu verbessern! 1985 haben sich die Leute mit Quatsch wie diesem die Zeit vertrieben. Wird heute nicht anders sein. Flohmarktkauf.

Sufjan Stevens

Sufjan Stevens - Michigan In Freundeskreisen gelte ich als einer, der seiner Begeisterung nicht gerade den expressivsten Ausdruck verleiht. Tendenziell bleiben die Arme verschränkt und vielleicht lasse ich mich gerade noch zu einem „gar nicht mal so schlecht“ hinreißen.

Aber manchmal kommt es dann doch vor, da kann sogar ich alte Mäkelbacke kein Haar mehr in der Suppe finden und muss rückhaltlos eingestehen: das ist ja wohl ohne jede Einschränkung einfach nur fantastisch und gut. Letztes Beispiel: Sufjan Stevens.
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Plattenaugust

Dass Tarantino der Panflöte zu unangemessener Popularität verhalf, werde ich ihm so schnell nicht verzeihen. Die Reminiszenz an den rumänischen Panflötenspieler Zamfir ist beileibe kein Glücksgriff des Splatter-Regisseurs gewesen. Anders verhält es sich mit den übrigen Snippets in Kill Bill. Wie so oft verhalf Tarantino unbeachteten Underground-Subbotniks und in Vergessenheit geratenen Chansoniers zu unerwartetem Weltruhm. Das japanische Garage- und Rockabilly-Trio The 5.6.7.8’s hat seinen Erfolg allerdings Tarantinos »Braut« (Uma Thurman) zu verdanken. Ihr Massaker an den Mitgliedern der Deadly Viper Assassination Squad in einem Tokioter Restaurant bekommt durch die Gastrolle der Band die Dimension eines Schlachtfests. Selten war Blut so schön. Ihre Best-Of-Compilation »Bomb The Rocks – Early Days Singles!« enthält neben dem Hit des Films »Woo Hoo« 26 weitere Stomper, die das Laienspiel der Damen zu einem herrlichen Vergnügen machen. Die CD sollte man in zwei Teilen genießen, schließlich ist eine Spielzeit von 73 Minuten alles andere als Rock’n’Roll.

Von Spar - 11.04.2004
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Das richtige Zeitgefühl haben Von Spar auf ihrem Debüt gehabt. In 36 Minuten rennen die fünf Kampfhähne zehn Mal über den Platz, heben dabei den Mittelkreis aus und verteilen Handzettel im Publikum. Ganz unmissverständlich lautet ihre Mission Rebellion, durch charmante Posen angerissen, findet diese allerdings nicht an der Front statt. Man rauft sich auf dem Ascheplatz, neben sich das Flüchtige ihrer kryptischen Liedzeilen, aufgezogen auf den Betttüchern ihrer durchgelegenen Futonmatratzen. Ich nenn‘ das mal kolossal, wie Von Spar ihre Gitarren zu den Parolen springen lassen. Eigentlich bewegt man sich mit »Die uneingeschränkte Freiheit der privaten Initiative« im Zentrum der Post-No-Wave-Ära, allenthalben Dance Music, frech und glamourös, nur verhält es sich eigentlich doch ganz anders: Hier ein Schuss Indierock (unglaublich, wie Frank Spilker, Die Sterne, den Refrain der Single »Ist das noch populär« verdichtet), dort ein wenig Punk und fast immer NDW (ja, Peter Hein, Fehlfarben, singt in »Schockwellen auf’s Parkett«). Nur ganz nebenbei schleicht sich bei Von Spar die Befürchtung ein, der einnehmenden Kraft ihrer Symbole und Zeichen hätten sie nichts hinzuzufügen. Also, ja nicht schlappmachen!

The 5.6.7.8’s — »Bomb the Rocks« (Sweet Nothing/Cargo) • Von Spar — »Die uneingeschränkte Freiheit der privaten Initiative« (L’Age D’Or) • Foto: Miriam Lindthaler – petite pomme

Albumcoverdesign

»Sound & Projektion – Albumcoverdesign« titelt die Groove in ihrer August/September-Ausgabe. Ein Sonderteil widmet sich der Gestaltung von Schallplatten- und CD-Covern. Adrian Shaugnessy, englischer Autor und ehemaliger Kreativdirektor der Designfirma Intro, gibt dort einen Überblick über aktuelle Designarbeiten.

Songs to the Siren

Leider ist sie ins Wasser gefallen, die Auferstehungsfeier des Kofferradios. Die Wiese war nass, sintflutartige Regenfälle, Weltuntergangsstimmmung. Die Silhouette der Stadt, ihre Licht- und Schattenspiele, die Hochhäuser im Black-Metal-Kostüm – all das hatte die Anmut einer Tim-Burton-Verfilmung. Die Lage war alles andere als laid back. Die Polizei war an diesem Abend trotzdem unterwegs, zumindest erklangen ihre Sirenen überall im Raum. Amerikansiche Polizeisirenen, diese funky Dinger, die man aus den TV-Serien kennt. Eine Stunde lang, von sieben bis acht Uhr. Das Energiezentrum des auf- und absteigenden Tons fand sich allerdings nicht im Frequenzbereich der Polizei. Die Sirenen waren das Soundmotiv zum Wiesenfest, gesendet aus der Trockenzelle eines regionalen Radio-Confærenciers — Fortsetzung folgt.

Playlist vom 12.08.2004 – Radio X – Thema: Songs to the Siren…
01. KRS One – Sound of da police (Jive)
02. Dizzee Rascal – Sittin‘ here (XL Recodings)
03. Ice Cube – Fuck Tha Police (Virgin)
04. Body Count – Body Count’s in the house (Sire Records/Warner)
05. Prefuse 73 – Altoid Addiction [interlude] (Warp)
06 The James Taylor Quartett – Theme from Starsky & Hutch
07. Kimya Dawson – Everything’s alright (Rough Trade)
08. Relaxed Muscle – Muscle Music (Rough Trade)
09. Dempsey – ODB on the run (Output Recordings)
10. Poison Idea – The badge (Vinyl Solution/American Leather Records)
11. Tim Buckley – Song to sirens (Rhin/Mesa/Bluemoon Records)
12. NWA feat. Ice Cube – Fuck Tha Police (Virgin)

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beigeGT – »Cue« (L’Age D’Or)

Auf dem Siegertreppchen stehen dieser Tage beigeGT mit ihrem nicht mehr ganz so neuen Album »Cue« (L’Age D’Or). Klar, wer ankündigt, den offiziellen Song (»Heat«) der deutschen Handballer für die Olympiade in Athen beisteuern zu wollen, diesen dann auch tatsächlich beim DHB abliefert, hat sofort gewonnen. Und wer den Engländern beim Hymnen schreiben das Wasser reichen kann, gehört ohnehin in die Hall of Fame. Unlängst traf ich mich mit der Band in der wüsten Baulandschaft des Wiesbadener Schlachthofs zum Interview, was sich als äußerst schwieriges Unterfangen erwies. Vier irische Kampfhähne, alle um die zwölf Jahre, wurden nämlich auf uns und das nachfolgende Foto-Shooting aufmerksam. Fortan gab’s selten blöde Störmanöver, die ihresgleichen suchen (das Bild legt Zeugnis davon ab, zum vergrößern anklicken!). Die Knirpse haben das verdammt gut gemacht, obschon sich jeder von uns insgeheim fragte, was aus dieser Welt bloß werden soll?

Foto: Miriam Lindthaler

Und die Musik? Nun ja, feinster Pop, wild, rau und atemlos, was das Regensburger Quintett da auf seinem zweiten Longplayer abliefert. beigeGT machen Indierock, tanzbaren Indierock, mal mit speckigem Metal-Riff, mal mit kleinteiliger Elektronik, die in die Musik einfließt. »Cue« hat den Schwung eines Hüftwurfs, dynamisch und elegant, immer schön aus spitzem Winkel, keine Auszeit, kaum gelbe Karten. Zu Recht Medaillenaspirant! Zum Olympia-Start wird nun »Heat« als Single ausgekoppelt und ein Musikvideo, in dem unsere Handballer zu sehen sind, veröffentlicht. Warum trotzdem Mariah Carey bei der Eröffnungszeremonie in Athen die Hymne singen darf, ist und bleibt mir ein Rätsel. beigeGT sind live zur Zeit die Nummer eins, in diesem Sinne, schöne Olympiade!

beigeGT – »Cue« (L’Age D’Or) – Foto: Miriam Lindthaler – petite pomme