Die besten Alben 2014 – Plätze 10 – 8
Um das musikalische Wow! des Jahres 2014 gebührend zu feiern, gibt es hier wieder den allseits beliebten Poll der Machtdose. Stammleser Sebastian und ich geben im Countdown unsere 10 Lieblingsalben preis. Wie immer also. Zur Einstimmung: Olli Schulz – »Als Musik noch richtig groß war«.
Nachts in einem New-Orleans-Jazz-Club. Es ist heiß und verraucht, eine maximalpigmentierte Schönheit, die jeden Blick hinter die Kulissen der Weiblichkeit freilegt, singt mit rhythmisch ungewöhnlicher und treibender Begleitung, was sich als eine Synthese des Weiblichen und Männlichen offenbart und total verrückt respektive ungehemmt erscheint. Aber aufgepasst: Der Rhythmus ist nicht die Basis, sondern gleichberechtigtes Instrument. – Es ist schon ein Skandal, dass dieses Duo erst mit dieser Veröffentlichung, deren Titel Programm ist, meine Beachtung findet. Daher ist diese Nennung auch als Tribut an das Gesamtwerk aufzufassen!
Rotziges Prologepöbel braucht kein Glaubwürdigkeitsgutachten. Alles eine Frage der Schwingungsfrequenz. Jason Williamson rappnölt gegen alles, was zwei Beine hat: Noel Gallagher, die Queen, David Cameron und alle anderen auf der Insel – zusammengeschnürt im Midland-Slang als klingender Beweis eines nur erdachten Klassenkampfs. Man filmt sich im Doppeldeckerbuss, denkt sich Überwachungskameras dazu und ein bisschen Novembergrau. Das aggressive Magengrummeln der Sleaford Mods hat England daran erinnert, dass Weltkrisen oft vom Klang des Aufbegehrens begleitet wurden. »Be true to yourself and you will never fall« (‚Pass the Mic‘) heißt im Umkehrschluss auch immer: »be true to others«.
Bei Mutter und Daughter – »Vater« ist ja keine Band, sondern ein legendärer Song von Die Erde – hatte ich keine Probleme, aber als ich das erste Mal von Sohn las, hörte ich nur rein, weil mir der Name so derartig blöd erschien. Im Gegensatz zu James Blake – den ich im Übrigen kürzlich mal wieder live gesehen habe und erneut von der Stimmung und Musikalität, die er auf Konzerten verbreitet, tief beeindruckt war (das wollte ich mal loswerden) – erweisen sich die »Tremors« als weniger zitternd, also gepflegter, professioneller, schlichtweg poppiger, insgesamt als ein Wehmut verbreitender Rausch, der bei allen durchaus vorhandenen Stimmsamples und elektronischen Verfremdungen niemals befremdlich erscheint. Um mit »Machtdose« zu sprechen: Das perfekte »Mischungsverhältnis von Gefühl und Verstand«. Dem ist ganz und gar nichts mehr hinzufügen!
Pöbelvisagen Teil 2. The Amazing Snakeheads. Die Schlange als Symbol für Schlauheit, Bosheit und Hinterlist. »Amphetamine Ballads« eröffnet mit einem Gong. Zunächst laufen die Finger die Bassseiten ab, dann die Explosion. Laut, leise, laut, leise. Leise. The Birthday Party haben in den frühen 1980er Jahren ähnlich gerumpelt. Blues wurde von Nick Cave und dessen ehemaligen Schulkameraden bis an den Rand der Machbarkeit erweitert und dann begraben. Heute kommt der Schmutz zwar immer noch aus der Gosse, in Glasgow war nur lange kein Müllmann mehr unterwegs. Die Snakeheads machen Zitatrock wie Tarantino Filme macht. Der böse Blick ist Schauspiel, das Whiskyglas mit Tee gefüllt und die Bar schließt bereits um eins. Die Zeiten ändern sich. Und trotzdem: Slipper aus Schlangenlederimitat sind zwar eine billige Methode sich Respekt zu verschaffen, aber eine verdammt gute.
Wie sich meine Notwist-Rezeption ähnelt! Schon wie bei “The devil, you & me” nach dem ersten Durchgängen wohlwollend zugestimmt, dann aber ist ein halbes Jahr nichts passiert, will heißen, Notwist aufs Abstellglas des nicht mehr Hippen gestellt. Nach sechs Monaten wieder zu Gemüte geführt und als unabdingbar wahrgenommen: Ein rosaplüschiger Duracell-Hase schleicht sich nachts aus dem Kinderzimmer auf die Straße herüber zum Recyclinghof und springt in den Elektrocontainer, um dort Freunde für seine Band zu finden. Jede Nacht lassen sich ein paar verschrottete Geräte erweichen, eine Ode an ihre Vergänglichkeit aus dem letzten Loch pfeifend aus sich herauszuquetschen. In glücklichen Nächten findet er auch einmal eine alte E-Gitarre und dann merkt man, dass er eigentlich ein Punk sein möchte. Wäre da nicht die sanfte Stimme, die aus jedem Song eine Hymne macht!
»Wegbereiter in jeder Hinsicht« war das Fazit aus 2012. Platz 1 die Konsequenz. alt-J ist etwas Außergewöhnliches gelungen. Sie haben dieses Jahr ihr zweites Album veröffentlicht, während das erste noch munter vor sich hin rotiert. 2019 wird »An Awesome Wave« als das beste Album in das Jahrzehnt eingehen. Dazu bedarf es keiner hellseherischen Fähigkeiten. Die Songs lassen sich einfach nicht totspielen. Folglich hat »This Is All Yours« erst mal keinen Fuß in die Tür bekommen. Trotz der Kraft des Zweitlings und trotz der Überdosis an Ideen und trotz seiner penetranten Eingängigkeit. alt-J machen Kopfmusik. Kompositionskunst, ohne die Leichtigkeit der Inszenierung zu gefährden. Da kann ihnen im Moment keiner das Wasser reichen. Nein, übertroffen wird das Debütalbum nicht. Fragt mich aber noch mal in zwei Monaten. Die Platzierung für 2014 wäre sicherlich eine bessere…