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jahresrückblick

Die besten Alben 2011 – Plätze 2


Gregors No. 2:

Cut Copy – Zonoscope
(Modular Recordings / Rough Trade, VÖ: 11.02.2011)

Bin ich denn der einzige Mensch in diesem Land mit einer Cut-Copy-Feder im Hut und Bauchschmuck aus Glasperlen? Liegt es vielleicht daran, dass Australien mehr als eine Autostunde von Frankfurt entfernt liegt? Nein, Cut Copy ist nichts für uns Deutsche (in Australien war »Zonoscope« übrigens sieben Wochen auf Platz 1 der Albumcharts). Eigenartigerweise verbinde ich kaum ein Alltagserlebnis mit meiner 2, bestenfalls den gescheiterten Versuch, »Take Me Over« auf einer mäßig besuchten Tanzveranstaltung zu etablieren. Außerdem ist »Hanging Onto Every Heartbeat« auf Superfly, dem Pulshalbierer für Menschen mit Bluthochdruck. Ich: »groß!». Meine Umwelt schweigt zu dem Thema. Aber egal. Die Lehre, die ich aus all dem ziehe: Ab ins Land der Flaschenbäume, vielleicht nach Tasmanien?


Sebastians No. 2:

Mogwai – Hardcore will never die, but you will
(PIAS / Rough Trade, VÖ: 11.02.2011)

Dass Mogwai noch einmal in einem meiner Jahrespolls auftaucht, hätte ich nicht für möglich gehalten, erschienen sie mir doch als typischen Band, die man abgehakt hat. Eher zufällig führte ich mir dann – aufgrund unerbittlicher Musikzukommenlasser, vielleicht auch wegen des schlagkräftigen Titels – die neue Scheibe zu Gemüte und musste feststellen: Postrock will never die! Zehn starke Nummern, nie war Mogwai (samt Live-Act) so gut! Diese Platte steht außerhalb jeder musikalischen Trends und wird auch noch in zwanzig Jahren mein Gehör finden!


Rolands No. 2:

Feist – Metals
(Polydor / Universal, VÖ: 30.09.2011)

Feist war für mich bisher: okay. Wahnsinnig erfolgreich und ist einem häufig, in zig Kontexten begegnet – blieb trotzdem vollkommen unnervig. Musik für alle sozusagen. Aber Musik, die nahe dem eigenen Herzen wohnte? Das nun nicht. Hat sich geändert, kompletto. Mit anderen Worten: was für ein Album! oder auch: was für ein Album! Wie hat sie das nur gemacht? Wahnsinnig gut produziert, klar. Vielleicht wesentlicher: hier ist eine Nüchternheit oder Konzentriertheit eingezogen, die jedes Wenn und Aber beiseite legt. Unverstellter, direktester geht kaum. Haltbarkeitsdatum: lang. Sehr lang.

Die besten Alben 2011 – Plätze 3


Gregors No. 3:

Moon Duo – Mazes
(Souterrain Transmissions / Rough Trade, VÖ: 01.04.2011)

Der völlig überzogene Trend zum Musik beschreiben, das Flächen-Wärme-Space-Gelaber passt ja wohl kaum zum Moon Duo. »Mazes« ging Anfang des Jahres über den Tresen, dann mit nach Paris genommen, meinem neuen Berlin, dort im Opel Rekord hoch und runter gehört, sagen wir auf der Rue Oberkampf, während neben mir die Straßenmäuse für kurze Zeit die Fassung verlieren. Okay, ich saß in einem Astra (ich glaube immer noch, dass ich einen fahre, bin mir aber nicht ganz sicher), aber immerhin: der Boxensound stimmt ja heutzutage, obwohl das Moon Duo doch beträchtlich eiert und scheppert. Muss ich noch erwähnen, dass meine Arme meterweit aus dem Fenster hingen?


Sebastians No. 3:

Ja, Panik – DMD KIU LIDT
(Staatsakt / Rough Trade, VÖ: 15.04.2011)

Selten ging eine Band trotz fortwährend guter Besprechungen in meinem Lieblingsmusikmagazin so an mir vorbei wie Ja, Panik. Da bedurfte es schon eines Überhits wie „Nevermind“, um meine Aufmerksamkeit zu wecken. Doch auch dann brauchte es noch einmal ein halbes Jahr. Zu sperrig und textlastig war´s mir auf Anhieb! Als der Funke dann übergesprungen ist, wurde mir aber schlagartig deutlich: Ja, Panik sind mit ganzer Seele DIE Poeten der Großstadtanonymität, die in ihrem monomanischen Kreisen um die Hörigkeit des Menschen in allen Facetten trotz aller Referenzen auch das ganz große Gefühl bedienen können. Und das dazugehörige Austroenglisch ist sehr passend …


Rolands No. 3:

Hauschka – Salon Des Amateurs
(Fatcat / Rough Trade, VÖ: 29.04.2011)

Auch so’n Trend: elektronische Musik mit „akustischen“ Instrumenten nachbauen. Macht seit geraumer Zeit ja bereits Hauschka, „der mit dem präparierten Klavier“ und ist ja auch ein logischer Schritt mit so einem getweakten Instrument. Bei dem Album jetzt nochmal ganz explizit, indem er also ausdrücklich die typischen Bauformen diverser „elektronischer“ Genres gebraucht und sone Art „Akoustik-Techno“ bei rauskommt. Kann man prätentiös oder abgeschmackt finden. Im schlimmsten Falle bei so Transformationen kann ja Gestelztes wie sagen wir mal Rondo Veneziano rauskommen, oder es werden irgendwelche Wertigkeiten behauptet (Akustik beats böse Maschinen oder so), aber hier spricht tatsächlich nur musikalische Offenheit, und deshalb funktioniert das auch. Natürlich ist das „schön“ – für einige vielleicht zu glatt teilweise. Mir gefällt es sehr.

Die besten Alben 2011 – Plätze 4


Gregors No. 4:

Hauschka – Salon Des Amateurs
(Fatcat / Rough Trade, VÖ: 29.04.2011)

Hauschka hier, Hauschka da. Wäre Volker Bertelmann überhaupt hier Dauergast, wenn »Musik 1« nicht mein Leben verändert hätte, jener nicht ganz unwichtige Erst-Sampler aus der Reihe »Musik«? (siehe dazu auch einen meiner ersten Blogeinträge aus dem Jahr 2002 (ist mir aber ein bisschen peinlich)). Ohne ihn kein Reich, kein Glass, kein Satie, kein Fitkin, kein Seddon oder zumindest später. Man wünscht sich ja von ganzem Herzen, dass Hauschka im gleichen Atemzug genannt wird und dass endlich mal Schluss ist mit seinem Underground-Status. Fat Cat, Berghain, Joey Burns und John Convertino von Calexico und Múm-Drummer Samuli Kosminen sind hier dichter dran als die Steinway Hall in New York. Fans der Hochkultur sollten nicht länger zögern, musikalischer Minimalismus ist très chic (andere wiederum sehen in »Salon Des Amateurs« Hauschkas Dance Album!).


Sebastians No. 4:

PeterLicht – Das Ende der Beschwerde
(Motor / Edel, VÖ: 28.10.2011)

Wurden die jetzt schon legendären „Lieder vom Ende des Kapitalismus“ einst prognostisch getextet, so müsste dies – schaut man auf den Titel – für das „Ende der Beschwerde“ mindestens genauso gelten. Doch wenn man die Lieder näher betrachtet, fällt auf, dass es immer die beiden selben Themen sind: Das vermeintlich Private, dass doch sooo öffentlich ist und die klassisch romantische Sehnsucht der Grenzüberschreitung. Und weil beides sehr wichtig ist und PeterLicht es erneut geschafft hat, dem derartig ohrwurmige Elektropopmelodien unterzulegen, dass mindestens vier Hits rausspringen (und der Rest ebenfalls sehr geistreich ist), bekenne ich mich auch im Jahre 2011 zum Lichtismus.


Rolands No. 4:

Laura Marling – A Creature I Don’t Know
(Cooperative / Universal, VÖ: 23.09.2011)

Laura Marling, der ich bereits vor einiger Zeit verfallen bin, hat nun ihr drittes Album herausgebracht – und eigentlich sollte ich ja drüber weg sein, wie jung sie ist. Aber dann hört man das und ist doch wieder erstaunt, weil: wie ist das nochmal souveräner geworden (als vorher schon). Stimmlich gibts eh niemanden, der da grad heranreicht, und dass sie mir sogar ihre jetzigen Country-Anleihen schmackhaft macht, will in meinem Fall ja auch einiges heißen. Hach.

http://www.youtube.com/watch?v=WXoyjETSby0

Die besten Alben 2011 – Plätze 7 bis 5


Gregors No. 7:

Wild Beasts – Smother
(Domino / GodToGo, VÖ: 06.05.2011)

Das wildeste noch lebende Tier im englischen Kendal ist möglicherweise das Lincolnschaf. Ob schwarz oder weiß ist hier egal. Lammfromm ist dann auch die Musik der Wild Beasts, die sich dort fanden, würdevoll geschwungen und ethisch korrekt. Hier hat niemand Bock auf Stress, am wenigsten Falsettsänger Hayden Thorp, der am Hofe von Queen Elisabeth I. wohl sein Tagelohn als Barde verdingen würde. Die Selbstsicherheit, mit der die Wild Beasts jedes Mal aufs Neue in meinen Charts landen, ist beispiellos. Es sind wohl die Melodiechen.


Sebastians No. 7:

Ghost of Tom Joad – Black Music
(Richard Mohlmann / Universal, VÖ: 5.02.2011)

Meine Retro-Platte des Jahres kommt dieses Jahr von Ghost of Tom Joad, denn da weiß man, was man hat: 31 Minuten, leicht nachvollziehbare Texte, zugängliche melancholische Melodien und das ganze mit einem Augenzwinkern serviert! Näher und besser kann man am 80er-Wave kaum dran sein!


Rolands No. 7:

Dominik Eulberg – Dioarama
(Traum / Rough Trade, VÖ: 06.05.2011)

Das einzig vordergründig elektronische Album in meiner diesjährigen Liste. Ich bin genauso überrascht wie Ihr. Was wohl daran liegt, dass ich z. B. auf den diesjährigen Post-Dubstep-Zug nicht aufgesprungen bin (und ein paar andere habens knapp nicht reingeschafft). Egal, übrig blieb dieses hier. Und da fällt mir auch gleich eines der seltsamsten Vorurteile ein, die ich elektronischer Musik immer noch entgegenbringe: dass die nämlich im Gegensatz zu sog. „akustischer“ Neuartiges abzuliefern habe. Mal abgesehen davon, dass es sich hierbei eh um längst gegessene Oppositionen handelt, ist ein solcher imaginierter Innovationsdruck genau besehen auch Käse. Sonderlich avanciert kommt mir Eulbergs Platte jedenfalls nicht vor, ist aber trotzdem prima. Man kriegt ein sehr hörbares, durchaus abwechslungsreiches, trotzdem irgendwie „klassisches“ Techno-Album. (Fast hätte ich noch „ehrlich“ hingeschrieben, hihi)

http://www.youtube.com/watch?v=IeZGHWP1T2A

Gregors No. 6:

Ada – Meine Zarten Pfoten
(Pampa / Rough Trade, VÖ: 10.06.2011)

Bratenfett und dichter Qualm – viel besser hätte der Erstkontakt mit Ada nicht ausfallen können. Ihr Ibiza-Klopper »The Red Shoes« stand im Kochbuch einer namhaften Frankfurter Legende (selten vor drei als Nachspeise unters gierende Volk geworfen). Der Sprung von der Insel auf die Bergweide wurde nun mit »Meine Zarten Pfoten« vollzogen. Bunt, rund und abwechslungsreich ist es geworden, inklusive Lucious-Jackson-Cover »Faith«.

http://www.youtube.com/watch?v=t-_TkOYPX4I

Sebastians No. 6:

Jamie Woon – Mirrorwriting
(Polydor / Universal, VÖ: 27.05.2011)

Das ist – glaube ich – das erste Mal, dass ich etwas offenbar Souliges in meinem Poll aufnehme! Dachte ich, nachdem ich „Spirits“ einmal im Radio gehört habe, dass Jamie Woon Stadien bespielt, war ich doch einigermaßen angenehm überrascht, als er auf dem Melt die kleinste Bühne beschallte und ungewöhnlich unprätentiös dahersang. Daher ist es mir auch bis heute möglich, ihm seine Wehmut, offenbart in einer wunderbaren Mischung aus glasklarer Elektronik und wärmster Stimme, voll abzunehmen.


Rolands No. 6:

Jonas David – Keep The Times
(Bandcamp, VÖ: 06.06.2011)

Kommt ja immer mal wieder vor, dass man auf jemanden stößt und sich dann aufrichtig darüber wundert, warum derjenige eigentlich nicht schon längst viel erfolgreicher ist, als er ist. So bei Jonas David. Ich verstehe also nicht, warum, wenn angeblich so viele z. B. Fleet Foxes hören (deren diesjähriges Album ich übrigens eher zum Abgewöhnen fand), warum also diese Vielen nicht auch noch gleich diese großartige Platte mitnehmen und abfeiern können, die eigentlich auf ganz ähnliche Dinge setzt (Mehrspur-Fistelchor etc.), aber dafür wesentlich reduzierter daherkommt und damit meiner Meinung nach auch deutlich besser fährt. Du hattest mich jedenfalls bereits mit dem Glockenspiel, Jonas.


Gregors No. 5:

Walls – Coracle
(Kompakt / Rough Trade, VÖ: 23.09.2011)

Die Chemie der Elemente, in diesem Fall Early House, Big Chill, Krautrock und das Universum himself. Hier werden keine Wände gebaut, hier geht’s um Raum und Zeit. Die hat man plötzlich wieder, wenn man »Coracle« hört. Das Produzentenduo Sam Willis (Allez-Allez) und Alessio Natalizia (Banjo Or Freakout) gehört ins Handbuch der Drogisten.


Sebastians No. 5:

James Blake – James Blake
(Polydor / Universal, VÖ: 04.02.2011)

Zur Konsensplatte des Jahres, die vor allem durch ihre gespenstige Zerbrechlichkeit besticht, möchte ich zwei Sätze verlieren: Wenn ein Song sich mir je als Ursonggerippe anvertraute, dann ist es wohl „Lindesfarne I“. Und: Selten blieben mir bei einer Platte so konsequent nur die ersten sechs Titel in Erinnerung, während von den Songs 7-11 noch immer keiner meinem musikalischen Gedächtnis einverleibt ist.(Daher „nur“ Platz 5!)


Rolands No. 5:

Son Lux – We Are Rising
(Anticon / Indigo, VÖ: 09.09.2011)

So könnte Sufjan Stevens klingen, wenn er nicht bescheuert geworden wäre, könnte man fast schreiben, wäre aber natürlich schrecklich ungerecht. Ein überreiches Album, „voll bis zur letzten Spur“ wie Gregor in seiner Kurzvorstellung schrieb. Ähnlich wie bei Stevens weiß man manchmal nicht, wohin mit der ganzen Überfülle, die ja leicht ins Überflüssige kippen kann, aber die Gefahr wurde hier gebannt. Auf jeden Fall gibt es zahllose Überraschungen, Stimmungs- und Tempowechsel, Arrangementswunder & -schönheiten. Das reicht dann auch für einige Male Durchhören und Weiterentdecken.

Die besten Alben 2011 – Plätze 10 bis 8

Machtdose-Leser:innen! Es ist wieder soweit. Wir präsentieren unsere Lieblingsalben aus diesem Jahr. Wie es die Tradition nun schon länger will, mit den jeweiligen Platzierungen der Machtdose-Assoziierten Gregor, Roland und unserem treuen Gastautor Seb. Los geht es mit den Plätzen 10 bis 8.


Gregors No. 10:

Nicolas Jaar – Space Is Only Noise
(Circus Company / Rough Trade, VÖ: 04.02.2011)

Ein warmer, gefühlvoller Innenraum ist das, ein »Space«, der uns vor überharten Witterungseinflüssen schützt. Tastenmusiker Jaar hatte wohl schon häufiger mit Geräuschkeksen zu tun und bekommt trotzdem keine Probleme mit dem Gewicht. Selbst der Vocoder darf hier ran, ohne zu nerven. Schöne 10, die gespenstig viele Background-Einsätze hatte. Im Akademiker-Jargon als »anspruchsvolle elektronische Musik« bezeichnet.


Death Cab for Cutie - Codes and keys

Sebastians No. 10:

Death Cab For Cutie – Codes and Keys
(Atlantic / Warner, VÖ: 27.05.2011)

Dass ich mir die neue Death Cab For Cutie überhaupt angehört habe, ist schon recht erstaunlich, doch etwaiger Kommerz hin, Zielgruppenmusik her, Fakt ist, dass die elf Titel (inklusive so mancher schöner Hymne) ein unerhört stimmiges Indie-Pop-Bild ergeben.


Rolands No.10:

I Break Horses – Hearts
(Cooperative Music / Universal, VÖ: 28.10.2011)

Beginnt superknalleristisch mit zwei Songs, die ineinander übergehen. Bliebe es bei dieser Qualität, wer weiß, wo das Album in meiner Liste noch gestanden hätte. Der Rest ist auch nicht übel, man muss aber wissen: das ist eine Genreplatte. Shoegaze ist was man bekommt. Hat sich ja als Nische in den letzten Jahren wieder neu etabliert und habe ich eine Schwäche für. Im Unterschied zu den meisten Vertretern durchschreiten I Break Horses aber auch das komplette Genre und nehmen alles, was es hergibt: von den Krachwänden, die sich hübsch aufeinanderstapeln, zu leicht eiernden Soundschleifen bis rüber zum traumverhangenen Frauenhallgesang.


Gregors No. 9:

Washed Out – Within And Without
(Sub Pop/Weird World, VÖ: 08.07.2011)

Hellstehende Melancholie und hektargroße Synthieflächen – der Schlafzimmermusiker Ernest Greene hat bewiesen, dass heutzutage eine elektrische Zahnbürste reicht, um ein Album einzuspielen. An den schnellsten Stellen reitet Washed Out ein Pferdchen, sonst geht’s eher Barfuß den Strand entlang. »Amor Fati« ist übrigens meine heimliche Single des Jahres und auch peinlichstes Lieblingslied. Das Pathos schlägt sogar den Zauberstab von Harry Potter. An sein zwölfjähriges Kind zu übergeben, wer auf künstlerische Früherziehung wert legt oder verhindern möchte, dass es mal mit Geld arbeitet.


Bon Iver - Bon Iver

Sebastians No. 9:

Bon Iver – Bon Iver
(4AD / Beggars / Indigo, VÖ: 17.06.2011)

Erschien mir das Debütalbum Bon Ivers zunächst zu eremitisch, so dass ich mich erst einmal von einem grandiosen Haldern-Live-Act (mit Band) überzeugen lassen musste, lag der Nachfolger bei mir gleich auf Dauerschleife. Er erweist sich als ein einziger großartig-flirrend-psychedelischer Erguss, der zwar strukturierte Songs zu bieten hat, von denen man am Ende (außer „Beth/Rest“) jedoch kaum noch einen unterscheiden kann, denn es gilt: Das Gesamte zählt! Perfekt produziert und dennoch zerbrechlich!


Rolands No. 9:

tUnE-YaRdS – w h o k i l l
(4AD / Beggars Group / Indigo, VÖ: 15.04.2011)

Musik, die von vorn beginnt. Sich dabei um keine Vorgaben schert, sondern nach allem grapscht, wie und wo es halt rumliegt, ab in den Mund damit, Matschen, Panschen & Manschen. Wie bei 4jährigen, die auf umgekippte Waschpulvertrommeln einkloppen – passend dazu eine (geschlechtlich indifferente) Stimme, die mit kindlich-trotzigem Schmackes auftritt. Am Ende liegt das Zimmer wüst da und bleibt unaufgeräumt. Da sollten wir aber mal nicht so strenge sein!


Gregors No. 8:

Metronomy – The English Riviera
(Because Music / Warner Music, VÖ: 15.04.2011)

Die Nummer 1 nur auf Platz 8? Nur Blake hat dieses Jahr mehr Wind ins Fähnlein geblasen bekommen. In einer anderen Zeit hätte John Peel seinen Segen erteilt, heute sagt man pauschal: »critically acclaimed«, also von der Kritik geliebt und an den Charts vorbei. Ein Blogbuster (gibt’s das Wort schon?) im Schloss Lifestyle. Wer sich nach »The English Riviera« keine Designer-Brille zulegt, läuft halt ohne rum.


Sebastians No. 8:

David Lynch – Crazy Clown Time
(Sunday Best / PIAS / Rough Trade, VÖ: 04.11.2011)

Der Held meiner Jugend erschuf eine Platte und fast alles klingt darauf so, wie man es sich erhofft hat: Unheimlich (schön) und einzigartig verschroben. Die nahezu 70 Minuten ziehen sich wie eine zähe Masse durch die Gehörgänge und am Ende weiß man nicht, ob man wieder am Anfang ist oder bereits halluziniert. Für mich das beste David-Lynch-Produkt seit „Mulholland Drive“!


Rolands No. 8:

Yuck – Yuck
(Cooperative Music / Universal, VÖ: 22.04.2011)

Jedem Gitarrenfreund müsste hier eigentlich das Herz aufgehen. Da ist schon eine ganze Menge von einer ganzen Menge anderer Bands drin, die für das eigene Werden mit dem Sound elektrisch verstärkter Gitarren wichtig waren. Dinosaur jr., Pavement, Teenage Fan Club, Sonic Youth, Hüsker Dü – you name it. Schon erfreulich, wie hier die genau richtig justierten Verzerrerlagen angestimmt werden. Ich wusste nämlich höchstens nur halb, wie sehr mir dieser Sound zu fehlen begann. Dass hier kein langweiliges Retrogeeier rauskommt, liegt auch daran, dass Yuck noch einen ganzen Strauß herrlicher Melodeien fanden, die wirklich eingängig sind wie nix.

http://www.youtube.com/watch?v=yGU60-6A6Xg

Jahresrückblick 2010

Willkommen zur diesjährigen Kür. Unser Mate Gregor hats leider nicht mehr mit den Alben geschafft, bevor er in den Weihnachtsurlab entschwand, deswegen gibts von ihm nur Kurze, heißt dass ich und unser Dauerpoller Seb hier als einzige am Start sind für die Alben. Macht ja nix, Gregor liefert dann im neuen Jahr nach.

Das Musikjahr war ein Supermusikjahr wie vielleicht zuletzt das Supermusikjahr 2005. Einerseits viele Rückkehrer und Folgealben von Künstlern, die man eh mag – mit wenigen Abreißern nach unten. Das merkt man auch meiner Top 10, in der ich 11 Alben unterbringen musste und davon die meisten aus der ersten Jahreshälfte stammten, ich bin nämlich eigentlich noch längst mit dem Jahr nicht durch. Auch mit den Platzierungen hab ich mir eher schwer getan diesmal, eigentlich liegen mindestens die ersten sechs Plätze sehr, sehr nah beieinander.

Und hey, nicht vergessen: selber Eure Listen abgeben in den Kommentaren.
[Roland]

Alben

10.

Belle And Sebastian – Belle and Sebastian write about love (Swim Rough Trade / Beggars / Indigo, VÖ: 08.10.2010) Belle and Sebastian klingt auf diesem Album so wie immer und das ist gut so. Denn auch 2010 benötigte eine Guitar-Pop-Scheibe, die jeden Tag spätsommerlich erscheinen lassen kann. Stagnierend wurde wohl selten weniger falsch gemacht! [Seb]

Tokyo Police Club – Champ ( Pias UK / Memphis Industries / Rough Trade VÖ: 16.07.2010) Wäre ich Teenager heute, wäre das meine Band der Zeit, zum dauernden Konzerthinfahrn und Mithopsen und Spaßhaben.“ schrieb ich in der 2008er Hitliste zum ersten Album. Und exakt und ohne Bruch schließt hier das zweite an, warum auch ändern, ist ja n super Konzept. Hätt ich Kinder im Ausgeh-Alter, würd ich mir für die Tokyo Police Club hörende Freunde und Sexualpartner wünschen. & nochn Club: New Young Pony Club – The Optimist (Pias Integral / Rough Trade VÖ: 16.04.2010) (eigentümliche Namensmagie, siehe auch meine Track Top10). Ebenso unterhaltend & pädagogisch wertvoll wie der obere, aber andere Referenzen, das hier ist so zackiges, 80erbasiertes Elektro-Gewackle. Kann man auch prima Parties mit schmeißen. Im Vergleich zum oberen Club sind die vielleicht nochn bisschen mehr auf Hirn aus. [Roland]

9.

Massive Attack – Heligoland (Virgin / EMI, VÖ: 05.02.2010) Massiv Attack! Nie hätte ich gedacht, dass ich – als staatlich geprüfter Trip-Hop-Nicht-Beachter – von denen mal eine Scheibe in meine Top-Ten nehme. Aber diese hier erschien mir – trotz des großen Aufgebots an Musiker/-innen – so derartig unambitioniert, so einfach-düster und leicht rezipierbar, dass ich sie vom ersten Ton an ins Herz geschlossen habe. Nie empfand ich nervös-hypnotisierende Grooves so angenehm unangenehm, und das gerade im heißesten Sommer, als ich die Platte besonders oft gehört habe. [Seb]

The National – High Violet (4AD / Beggars / Indigo, VÖ: 07.05.2010) The National sind eine Wucht, die ja eigentlich schon längst in Populärsphären von sagen wir mal Coldplay angekommen sein müssten, jedenfalls wird hier durchaus stadientauglich mit dickem Klöppel auf große Pauken gehaun und ordentlich in die Tasten gewalzt. Wahrscheinlich hält nur der Groll und die dauerpräsente Altersmüdigkeit sie davon ab. Was natürlich auch ein Glück ist. Ihr bestes Album bisher, meine ich. [Roland]

8.

Hundreds – Hundreds (Sinnbus / Rough Trade, VÖ: 30.04.2010) Welch angenehmes Elektro-Album! Poppig und psychedelisch zugleich, dazu dezenter Frauengesang. Alles bleibt in der Schwebe, mal traurig, mal hoffnungsvoll, dazwischen zwei Instrumentalstücke, die das gesamte Album wie aus einem Guss erscheinen lassen. Nie war mir musikalisches Understatement so sympathisch! [Seb]

Midlake – The Courage of Others (Bella Union / Cooperative / Universal VÖ: 29.01.2010) Schmetterlingsflügel in Nahaufnahme. Das ist die Kur für Aufmerksamkeits-Defizitäre und Hyperaktivisten – wenn sie nicht doch endgültig drüber wahnsinnig werden. Deshalb: nur in Dosen zu gebrauchen. Aber dann! [Roland]

7.

Gonjasufi – A sufi and a killer (Warp / Rough Trade, VÖ: 12.03.2010) Also diese Veröffentlichung ist ja wohl mal wirklich eine der ungewöhnlichsten in diesem Jahr: Wie soll man die Musik beschreiben? Eine Mischung aus Elektro, Hip-Hop, Sufi und Indie. Sozusagen ein islamischer Beck? Dazu noch der kaputte analoge Sound und der weit entfernt wirkende Gesang … Jedenfalls ist „A sufi and a killer“ trotz seiner Postmodernität ein unerhört gefühlsintensives Album, das mit jeder Sekunde klarmacht, dass es dem Autoren ums Ganze geht. [Seb]

Caribou – Swim (City Slang / Universal, VÖ: 16.04.2010) Die Stimme ist teilweise so nah an Øye, dass es fast schon unheimlich ist. Sonst alles mit einer lässigen Souveränität gestrickt, Pop und Tanzflur in lockeren Maschen, der ganze Pullover recht bunt & teilweise reichlich euphorieauslösend. [Roland]


6.

Caribou – Swim (City Slang / Universal, VÖ: 16.04.2010) Ich steh eigentlich nicht so auf perfekte Musik, aber Swim macht da eine Ausnahme: Zum einen, weil die Songs so angenehm unterschiedlich sind (auch gegenüber „Andorra“), zum anderen weil die Platte von zwei derartig genialen Liedern umrahmt ist, dass die dazwischen wie von selbst an Größe gewinnen. Das hat zur Folge, dass sie mich konsequent seit ihrer Veröffentlichung hörend begleitet hat (und jetzt auch bei mir überm Schreibtisch hängt).[Seb]

Tunng – And Then We Saw Land (Full Time Hobby/ Pias / Rough Trade VÖ: 26.03.2010) Ich habe die vorigen Tunng-Veröffentlichungen eher so halbinteressiert wahrgenommen, zu deutlich stand das Konzept Folk und Elektronik irgendwie zusammenzubringen im Vordergrund, und beides stand eigentlich nur so nebeneinander. Das Verkopfte dabei ist jetzt einer geradezu sensationellen Melodiösität und Leichtigkeit gewichen. [Roland]


5.

The National – High Violet (4AD / Beggars / Indigo, VÖ: 07.05.2010) Ehrlich gesagt: Nach den ersten Durchgängen hätte ich nie gedacht, dass ich zu dieser Veröffentlichung einen Zugang finde. Ganz anders als bei der „Boxer“, die mir auf Anhieb gefiel und in so manchem Forum als sperrig bezeichnet wurde. Woran lag´s? Mir erschienen die Songs blutlos, der Beat zu monoton und das Gitarrengefrickel einseitig. Nach gefühlten zwanzig Durchgängen trat aber das ein, was ich beispielsweise von Interpol (vor allem „Antics“) kannte. Jeder einzelne Song hatte auf einmal schon allein durch die Existenz des ersten Tons eine exquisite Gewalt über mich … Und obwohl ich „The National“ schon mehrmals vorher live gesehen hatte, wurde mir erst dieses Jahr auf dem Haldern (trotz zum Teil miserablen Sounds) bewusst: Vielleicht die beste Band der Welt. [Seb]

Broken Social Scene – Forgiveness Rock Record (City Slang / Universal VÖ:30.04.2010) Nach fünf Jahren sind die 17 Hippies aus Toronto also zurück und was soll ich sagen: besser denn je. Während Arcade Fire ihren Sound ordentlich begradigten und für mich deshalb eher langweiliger wurden, sprießt bei Broken Social Scene weiterhin alles in alle Richtungen. [Roland]


4.

Tocotronic – Schall und Wahn (Rock-O-Tronic / Vertigo / Universal, VÖ: 22.01.2010) Um es offen heraus zu sagen: Diese Mischung aus diesmal zum Teil dinosauresken Gitarrenwällen und grandios intuitiven Texten, die einmal mehr belegen, dass privates Sein nicht existiert, machte mich kurz nach der Veröffentlichung süchtig. Kein Frage: Mit der nunmehr neunten (!) überzeugenden Studioveröffentlichung haben Tocotronic ein Denkmal verdient. [Seb]

Four Tet – There Is Love in You (Domino VÖ: 29.01.2010) Ach, Four Tet, ach. Die musikalische Intelligenz bei gleichzeitiger Tanzversorge, das kommt so selten vor wie die Albumreleases von Four Tet selbst. Mehr gibts darüber eigentlich auch nicht zu sagen, muss man halt sich selbst anhören. [Roland]


3.

Bear in Heaven – Best rest forth mouth (Hometapes / Plancha / Eastern Developments, VÖ: 20.10.2010) Das verpassteste Konzert ever: Auf dem Haldern nach Villagers das heiße Zelt verlassen und die faszinierenden Rhythmen bloß von draußen gehört. Ärgerlicher- und inkonsqequenterweise bin ich nicht wieder reingegangen, habe aber gleich am nächsten Tag auf I-Tunes die Songs gekauft. Mit viel Hall, angenehm dünner Stimme, elektronisch-psychedelischen Klängen und treibenden Beats erzeugt diese Scheibe durchgehend die unfassbar düster-schönste Atmosphäre, sozusagen die „Ultimative Satisaction“ von „Lovesick teeangers“. Und wenn auch Progrock bisweilen lauert – Caribou und Beachhouse zusammen hätten´s kaum besser
machen können. [Seb]

Beach House – Teen Dream (Sub Pop / Bella Union / Cooperative / Universal, VÖ: 26.02.2010). Luzides Träumen. Das alles macht einen angenehm dämmrig & besoffen, du wirst getragen und torkelst weiter, im vollen Vertrauen, eiert sich eh schon alles wieder ein. [Roland]


2.

Midlake – The courage of the others (Bella Union / Cooperative / Universal VÖ: 29.01.2010) Dieses Album liebte ich vom ersten Durchgang an, und zwar fand dieser passendst beim Joggen im tief eingefrorenen Rheingauwald statt. Die Stimmung erscheint nämlich durchgehend winterlich, als sei gerade die Ernte erfroren und man würde dankbar erkennen, dass die Vorräte der Natur trotzdem reichen, wie ich mal gelesen habe. Und obwohl fast auf jedem Lied eine Flöte zu hören und durchaus an gebatikte Hosen zu denken ist: Courage können andere (Bands) haben, ich bleibe bei Midlake! [Seb]

Wild Nothing – Gemini (Captured Tracks VÖ: 25.05.2010 (nur US bisher) ) Jungscher Typ in zweierlei Hinsicht a) Jung, Typ b) spiel mit ebensolchen Arche-Dingern aus unserer Jugend. Also Echogitarren und Harmonien à la Jazz Butcher, Church, Cure, Smiths und wer da noch alles zugehört. Erstaunlicherweise aber ohne jede Retro-Romantik oder Nostalgie. Das muss man erstmal hinkriegen. [Roland]


1.

Beach House – Teen Dream (Sub Pop / Bella Union / Cooperative / Universal, VÖ: 26.02.2010). Heute weiß ich, dass ich mir genau dieses Album schon immer gewünscht habe, aber nie zu hoffen wagte, dass so etwas möglich ist: Ein 53-minütiger halluzinogener Trip sondergleichen, zuckersüß und tiefschwarz zugleich. Kein Song ist hervorzuheben, da ein einziges Highlight von der ersten bis zur letzten Sekunde. Nie war Pop so erfüllend! [Seb]

Pantha Du Prince – Black Noise (Rough Trade / Beggars Group / Indigo VÖ: 05.02.2010) Das erste bewusst wahrgenommene Album des Jahres ist auch das erste geblieben. Wahrscheinlich, weil jetzt alles wieder in Weiß liegt und es damit wieder in die Player zurückkehrte, denn dazu passt das nun mal perfekt als reinstes Eisregengeglitzer. Das einzige, was mich wundert ist, warum es nicht mehr solcher Alben gibt, aber vielleicht ja doch schwerer hinzubekommen als man denkt. [Roland]

Tracks

Gregors

  1. Everything Everything – MY KZ, UR BF
  2. Pantha du Prince – Stick to My Side
  3. I Am Kloot – Radiation
  4. International Feel – The Coptic Sun
  5. Jimmy Edgar – Hot, Raw, Sex
  6. Tocotronic – Im Zweifel für den Zweifel
  7. Drums Of Death – Science & Reason
  8. Matthew Dear – Honey
  9. Massive Attack – Babel
  10. Scissor Sisters – Running Out
  11. Psychobuildings – No Man’s Land
  12. Aloe Blacc – Take Me Back
  13. Cee-Lo – Fuck You
  14. Tensnake – Coma Cat
  15. Eric Copeland – Fun Dink Death
  16. Tokyo Police Club Wait Up (Boots Of Danger)
  17. Tornado Wallace – Tornado Never Dies
  18. Begin – Optical Holiday Part 2
  19. Flying Lotus – Do The Astral Plane
  20. Hurts – Wonderful Life

Sebs

  1. The National – Conversation 16
  2. Tocotronic – Eure Liebe tötet mich
  3. Caribou – Jamelia
  4. Tunng – With Whiskey
  5. Tocotronic – Schall und Wahn
  6. Foals – Spanish Sahara
  7. Midlake – Rulers ruling all things
  8. Bear in Heaven – Ultimative Satisfaction
  9. Hans Unstern – Endlos Endlos
  10. Bear in Heaven – Defeaning Love
  11. Hans Unstern – Paris
  12. Oceansize – It’s my tail and I’ll chase it if I want to
  13. Menomena – Five little rooms
  14. Caribou – Odessa
  15. Admiral Fallow – These barren years
  16. Roky Erickson With Okkervil River – Good bye sweet dreams
  17. Deerhunter – Helicopter
  18. Interpol – Lights
  19. The Tallest Man on Earth – The wild hunt
  20. Shout out louds – 1999

Rolands

  1. Two Door Cinema Club – Something Good Can Work (The Twelves Remix)
  2. The Books – A Cold Freezin‘ Night
  3. Caribou – Odessa
  4. Laura Marling – Alpha Shallows
  5. Owen Pallett – Lewis Takes his Shirt Off
  6. Junip – Without You
  7. The National – Bloodbuzz Ohio
  8. Stars – Dead Hearts
  9. Joy Orbison – So Derobe
  10. Ratatat – Grape Juice City

Live-Acts

Sebs

  1. Beach House, Schorndorf – Manufaktur
  2. Midlake, Melt-Festival
  3. The Tallest Man On Earth, Haldern-Pop-Festival
  4. The National (zweiter Teil), Haldern-Pop-Festival
  5. Black Rebel Motorcycle Cluib, Stutgart – Longhorn
  6. Massiv Attack, Melt-Festival
  7. The Raveonettes, Schorndorf – Manufaktur
  8. Portugal. The Man, Haldern-Pop-Festival
  9. Savoy Grand, Stuttgart – Laboratorium
  10. Foals, Melt-Festival

Die besten Alben der 2000er part III

Je näher die Veröffentlichung meiner 20 liebsten Alben der vergangenen zehn Jahre rückte, umso nervöser wurde ich. Ist schließlich erst mein zweiter Poll, der ein ganzes Jahrzehnt erfasst und in dieser konzentrierten Form an die Öffentlichkeit gebracht wird. Und der erste im World Wide Web mit all seinen Möglichkeiten, aber auch all seinen Tücken. Erst gestern habe ich mich endgültig auf eine Zusammenstellung festgelegt, in der es ja im Wesentlichen um die Top Ten gehen soll. Den anderen 1000 Bands sei an dieser Stelle gedankt, die mir eine unterhaltsame Zeit beschert haben. Für die Heiligsprechung hat es leider nicht gereicht. Nicht hier. Der Kommentar, euer Kommentar, soll allerdings für ausgleichende Gerechtigkeit sorgen und jene erwähnen, die in unserem Geschmacksfilter hängengeblieben sind. Uns geht es nämlich vor allem um eins: um Inspiration.

GREGORS Best of 2000er

LCD Soundsystem - Sound of Silver 1. LCD Soundsystem – Sound Of Silver [DFA/Labels/EMI] (VÖ: 16.03.2007)

Von Bourdieu über Disko bis hin zur Etymologie des Wortes »schwanzcool« – wie auch immer man es dreht: An James Murphys Musikmachenschaften kommt eigentlich keiner vorbei, ich schon gar nicht. 2003 war das Soundsystem mit der »Losing my Edge«-EP in meiner Top Ten, 2005 dann Platz 2 in meinen Jahrescharts mit der gleichnamigen LP, der Sprung auf Platz 1 schließlich im Jahre 2007 mit dem Meilenstein »Sound of Silver«. Und damit wäre noch kein Wort über »45:33« verloren. Das reicht für die Wahl zum besten Music Act des Jahrzehnts. Ein Geniekult, der außer Acht lässt, wer ihn inszeniert. Meine Worte 2005:

James Murphy, der Anti-Hipster schlechthin, trägt nicht ohne Grund Schweiß unter den Achseln. […] Druck und Bass, Hit um Hit – ich war nah dran, auszuticken. »Losing my edge« hat seinerzeit die Tür weit aufgestoßen, nun sind alle drin und tanzen auf Gitarren. Zitathölle.

PeterLicht – Lieder vom Ende des Kapitalismus 2. PeterLicht – Lieder vom Ende des Kapitalismus [Motor/Warner] (VÖ: 28.04.2006)

Ich habe in den letzten fünf Jahren etwa 350 Interviews mit Musikern geführt und mich u.a. dafür interessiert, ob sie von einer besonderen Mission getrieben werden. Mit einem klaren Ergebnis. Noch keine Handvoll bürgt sich die Last auf, den Zustand der Welt zu beklagen. Aus Scheu, aus Angst, weil es schnell peinlich wird und in den drei, vier Strophen, die du hast, zu plakativ. Oder, und das ist die Mehrzahl, du machst Musik, um den Schwachsinn zu vergessen, der dich umgibt, aus Spaß also. Folglich ist politisches und gesellschaftliches Engagement für die Mehrzahl der Musiker kein Schreibimpuls. Bleibt jene Minderheit, die diesen schwierigen Balanceakt zu meistern versucht, weil: Superschwergewicht. Das macht die Welt nicht besser, bringt aber Weltmeister hervor und hält jene zusammen, die womöglich Gleiches oder ähnlich denken. Szene, Gegner, Gegenkultur. Nenn es, wie du willst. Es gibt nicht viele, die unserer Welt kritisch gegenüberstehen und sich in die Popkultur flüchten. PeterLicht sorgt dafür, dass sie ein Dach über dem Kopf haben.

Arctic Monkeys - - Whatever People Say I Am, That's What I'm Not 3. Arctic Monkeys – – Whatever People Say I Am, That’s What I’m Not [Domino/Rough Trade] (VÖ: 20.01.2006)

Die Arctic Monkeys läuten 2005 den Untergang des Longplayers ein. Das »i« wir en vogue, 2.0 erlebt seinen Durchbruch. Ich kenn’ die Arctic Monkeys aus der Hamburger Kogge dank eines VJs namens Wasted, der an einem perfekten Kneipenabend mit seinem Laptop Musikclips an die Wand projizierte. Es muss schon mit Magie zu tun haben, wenn ein Lied derart viel Durchschlagskraft besitzt, dass man sich umgehend nach dem Namen erkundigt und am nächsten Tag alles daran setzt, um an diese Musik zu kommen. Das Glück rann mir förmlich aus den Poren, als ich das erste Mal »I Bet You Look Good On The Dancefloor« hörte. Für kurze Zeit war die Machtdose das Fanforum für die noch unbekannten AM.

The Strokes - Is This It 4. The Strokes – Is This It [RCA/BMG] (VÖ: 27.08.2001)

Als sich die Band Tortoise Mitte der 90er-Jahre auf die Suche nach einem neuen musikalischen Gestaltungsprinzip begab, machte ich mich mit ihnen auf die Reise und erklärte wie viele andere auch Rockmusik für erledigt, tot und begraben. Ganz verlassen habe ich sie natürlich nie, schließlich bin ich mit ihr groß geworden (das Zeug ist in meiner DNA verankert). Und genau darum liebe ich die Strokes, die mit ihrem »The« im Namen den womöglich dümmsten Hype der Musikgeschichte herbeiführten, die große Zeit der The-Bands. Die Strokes stehen für jene nach gesellschaftlicher Relevanz drängende Rockmusik, die es für mich seit den frühen 90er-Jahren nicht mehr gab. Ihre Auferstehung ist legendär.

Apparat - Duplex 5. Apparat – Duplex [Shitkatapult] (VÖ:03.09.2003)

Apparat gehört zu den Acts, die hier von Anfang an Support bekommen haben. Eine auf fandeutsch verfasste Plattenkritik zu »Duplex«, das genüssliche Abfeiern von »Walls« und dann »Orchestra of Bubbles«, die Stil- und Genre-Fusion zwischen Sascha Ring und Ellen Alien mit dem wunderschönen »Way Out«. Dieses Jahr dann mit Modeselektor zusammen »Moderat« veröffentlicht, um sich aus den Fesseln des eigenen Sounds zu befreien. Fünf Jahre sind vergangen, seit ich »Duplex« das letzte Mal gehört habe. Um Platz 5 beteuern zu können dann diese Woche gleich vier Plays. »Duplex gehört hierher, weil: stilbildend, autoritativ, unverkennbar. Und allem voran: weil so wunderbar.
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