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plattenkritik

Justice – Cross

Indierock war gestern, dieser Tage bin ich auf Popmusik. Motto: »This is the summer of POP Experience«. Bestenfalls die Battles (MySpace) mit ihrem präzisen und bisweilen auditiven Verarbeitungsraster mögen da an Gitarre erinnern. File under Helium-Mathrock. Eine gepitchte Mickey-Maus-Stimme trifft auf die Erbengemeinschaft der Mathrockmeister Shellack oder auch auf Helmet, der ehemaligen Band des Schlagzeugers John Stanier. Mit »Atlas« hat das Quartett sogar einen veritablen Hit, der die Gemüter in Euphorie versetzen dürfte. Bei einer Spielzeit von über sieben Minuten bleibt jedenfalls genug Zeit, den Kopf vom Hals zu nehmen. Soll das Gehirn jung halten! Warp hat mit diesem Signing mal wieder gezeigt, dass man ihnen das Besondere überlassen kann, den Welterneuerern, wenn gar -erfindern.

Die Battles sind klasse, die Helden der Stunde sind allerdings andere. Sie heißen Justice (MySpace) und kommen aus Paris. »Justice?« Wirst du demnächst die Frau beim Bäcker fragen können, und sie wird sagen: »Klar, die DJ- und Produzenten-Weirdos aus Frankreich«. Justice sind auf dem Sprung in die Weltspitze, werden demnächst von Versace und Mercedes gebucht, dürfen in Dubai auflegen und zukünftig DJ-Seminare geben. Kurzum: Die Welt hat zwei neue DJ-Stars. War ja auch mal an der Zeit. Das Hauptaugenmerk liegt dieser Tage jedoch auf dem anstehenden Album-Release und nicht etwa auf ihren berüchtigten DJ-Sets. »â€ « (»Cross«) wird demnächst das Land fluten, Keller unter Wasser setzen und das Technische Hilfswerk auf den Plan rufen. Wieder mal so ein Bouncer-Album, das Bäume verbiegt. Gaspard Augæ und Xavier de Rosnay sind Hüpfburgenbauer, die dir einen Tritt in den Arsch verpassen. Übergewicht gilt hier nicht, die Beats sind zwar fett, aber gut zu verdauen. »â€ « ist so französisch wie French House, lebt jedoch von den Produktionsmoden und -methoden der Gegenwart. Max Dax nennt ihren Stil in der aktuellen Spex »durchgeknallte Hooligan-Elektronika«, der Begriff »Neo-Daft-Punk« macht andernorts die Runde. Alles zittert, bratzt und bangt auf P.A.R.T.Y. wie ein Glockenhund auf Ecstasy. Bewegungslahm war gestern. Ihr werdet nicht umhin kommen, euch in nächster Zeit mit diesem Duett zu beschäftigen, es sei den, ihr lebt in einer anderen Welt, einer schlechteren.Weiterlesen »Justice – Cross

Von Südenfed – Tromatic Reflexxions

Konnte ja keiner mit rechnen, dass Mark. E. Smiths musikalischer Höhepunkt in dieses Jahrtausend fällt, er selbst wahrscheinlich am wenigsten. Nach »Country On The Click« (2003), »Fall Heads Roll« (2005), »Reformation Post TLC« (2007) und dem gerade erarbeiteten Geniestreich »Tromatic Reflexxions« gibt es beste Gründe, den Fall Fall neu zu behandeln. Alles tolle, gereifte Alben, die vor 31 Jahren, als sich die One-Man-Band in Manchester gründete, zwar nicht komplett anders geklungen hätten, aber doch eben anders. »Tromatic Reflexxions« ist aber nicht nur das Ergebnis eines brummigen Einzelgängers, der soziale Bindungen scheut, vielmehr hat sich Smith mit den Besten zusammengetan, die für sein Nebenprojekt Neuschöpfung in Frage kamen: Mouse On Mars, die wahrscheinlich auch den ersten Schritt machten. Das Ergebnis heißt Von Südenfed, in dem angeblich das UK-Hustenmittel Sudafed auf Jan St. Werners Heimat trifft, auf Süddeutschland nämlich. Guter Name. Großartiger Name sogar. Teamarbeit inbegriffen. Die aktuelle Single »Fledermaus can’t get it« besteht aus ordentlich Druck und Energie, ein Clubbouncer, der killermäßig brummt und wummert. Erinnert mich an das LCD Soundsystem, von dem Mark E. Smith offenbar nicht besonders angetan ist

»What a rip-off!“ he spits. „I’m very insulted. I went into my local shop a few weeks ago, where I go for groceries. There’s an Irish bloke in there, very nice, and he was playing this [„Losing My Edge“]. I said, ‚This sounds exactly like me,are you trying to take the piss?‘ At which point, the bloke’s getting a bit paranoid, because obivously he’s no idea who I am. He says, ‚It’s just a record I like, that’s all.‘ I mean, this bloke [James Murphy], I’ve met him, he doesn’t even talk like that, he’s New York, New Jersey, or whatever. Just a New York arsehole. And it’s the same rhythm as I was using with Mouse On Mars, the same one we laid down…« [Mark E. Smith. Wire, 05/07]

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Grinderman

On Air verspreche ich gerne und oft, dass die im Radio vorgestellten Titel und ihre Interpreten auf dieser Seite landen, in einer Sendung von Mitte März etwa, die dann korrekt gelistet und mit einigen hilfreichen Hinweisen verlinkt etwas über meinen Geschmack und meine aktuellen Hörgewohnheiten aussagen sollen. Landen tut hier dann manchmal gar nix, was auch nicht weiter stört, bestenfalls mich aber, der gerne den Gründlichen rauskehrt. Ich sag‘ mal, dass es an der Zeit liegt, die ich oft nicht habe oder nicht zu haben glaube. Man kann sowieso nicht behaupten, der 2.0 fehle es an Listen. Wenn ihr diese nicht bekommt, schaut euch eben eine andere an. Groß genug ist er ja, der »Ozean der Gleichzeitigkeit«. Rewind. Gehen wir von dem Fall aus, dass euch das Internet nicht überfordert und dass euch etwas an meinen Empfehlungen liegt. 15. März 2007. In dieser Machtdose ging es um eine Band, deren Mitglieder in ihren Texten den vielen Pussys nachtrauern, die sie in ihrer Jugend zu Gesicht bekommen haben. Grinderman heißt das Quartett, drei Bartgesichter dabei, zwei mit Vollbart, einer mit bedeckter Oberlippe, einst mein Doppelgänger und mit neuem Look wieder dicht dran an mir, was so nicht stimmt, so aber stimmen könnte, wenn mein Haar nicht irgendwann den Geist aufgegeben hätte. Nick Cave, zusammen mit Warren Ellis (Dirty Three), Martyn Casey und Jim Sclavunos (beide The Bad Seeds) die gerade wohl griesgrämig dreinblickendste Band des Planeten, debütierten im März mit ihrem gleichnamigen Album (die Weltpresse berichtete). Der oben gemachten Aussage folgend mag ich das Album ganz gerne. Nach dem Hören der elf Lieder möchte man Birthday Party aus der Plattenkiste kramen und Vergleiche ziehen. »Modern produziert« wird man mich denken hören, und »clever weitergedacht, den Bluespunk der frühen Tage«. Schön Wah-Wah, viel Pedal drin und außerdem soooo knurrig gespielt, dass einem Angst und Bange wird. Wie heißt es so schön auf der Labelseite: »Grinderman sind alles andere als Weicheier«. Oh weia, aufpassen. Den Rest der Geschichte erfragen sie bitte in der Suchmaschine ihrer Wahl. Oder schauen sie sich gleich das Grinderman Portrait auf BBC an.
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Steingarten

Herrlich, was da Stefan Betke alias Pole auf seinem neuen Album zurecht gezimmert hat. Weniger Dub, kein HipHop und sein defekter Waldorf-Pole-Filter ist endgültig Geschichte. Jetzt knackst zwar nichts mehr, dafür brodelt und bruzelt es gehörig zu Funk und Groove im Zeichen des Minimalismus. Und auf dem Cover ist das Märchenschloss Neuschwanstein zu sehen. Das muss man sich erst mal trauen. Schaut nur, wie gut das aussieht! Da kann uns die März-Kälte mal kreuzweise…


Pole – Steingarten

LCD Soundsystem – Sound of Silver

Sieben Tage Bettruhe — das hilft, die gesellschaftliche Realität etwas besser einzuordnen. Viel Fernsehen und ein gesteigertes Interesse an den Randnotizen des bundesrepublikanischen Alltags, von der Frankfurter Rundschau verbreitet, vermittelten mir ein eigenartiges Bild deutscher Behaglichkeit. Fieber hatte ich keins, kann aber doch mit meiner Krankheit zusammenhängen, dass 50.000 Besucher anlässlich der Neueröffnung des Ikea-Marktes in Nieder-Eschbach einen spontanen Aufschrei der Empörung verursachten und meinen angeschlagenen Zustand direkt um weitere drei Tage verlängerten. »Die Stimmung war gut« hieß es in dem Artikel, es gab Begrüßungsgutscheine und – ich vermute mal — Hot Dog und Billys in ausreichender Menge. Eröffnungs-Einkaufspartys sind beliebt, keine Frage. Ähnlich überrascht war ich dann auch von der Tatsache, dass die 80.000 Karten für das Spiel Dortmund gegen Nürnberg bereits im Vorfeld vergriffen waren. Dortmund – Nürnberg! Was geht’n da, fragt man sich? Ich nenn‘ das mal Gleichgültigkeit in seiner reinsten Form, die da eine ganze Nation ergriffen hat. Alles Hallodris, wenn ihr mich fragt. Aber das ist ja nichts Neues. So viel zu den Zahlen der Woche. Just Jack ist kein Hallodri, der englische Tugendbold und Traum aller Schwiegermütter hat nämlich die bisher eingängigste Single des Jahres veröffentlicht, seltsamerweise weiß nur noch niemand etwas davon, zumindest lese und höre ich nichts von ihm. Ein Gradmesser für die Richtigkeit meiner Behauptung ist die Wirkung dieses Songs auf mein Gemüt, und das ist allzeit in bester Stimmung, wenn »Starz in their eyes« aus meinen Boxen tönt. Ob bei Just Jack mehr drin ist, kann ich zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht sagen. Klassisches postdigitales »Single-only Phänomen«, bisher jedenfalls.
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Kaufmann

Kaufmann is a Frankfurt based old school Indierock Band (New Wave rudiments are also sometimes considered). After their first release on the latest »Federal Republic Of« online compilation now their first MySpace Release is out. The special charme of their well hung songwriting lies in the way they combine old sounds with lyric poetry. Frequently they sing about the rite of passage in reflecting the youth’s experiences. After some soft headbanging they make your booty shaking – soft and proper. Listen now!

Kaufmann anytime in the early 90’s

Rocko Schamoni & Little Machine

Betrachtet man die vielen Rezensionen, die in der seriösen Tagespresse zur neuen Scheibe von Rocko Schamoni (& Little Machine) erschienen sind, fällt auf, dass ihr Sachgehalt vornehmlich mit Bezug zum Autor selbst und der Tatsache, dass es seine letzte Platte sein soll, und mit Verweis auf Abstraktes, z.B. mit Assoziation zu Adornos Negativer Dialektik, besprochen wird. Von der Musik selbst ist kaum die Rede, was wohl daran liegt, dass sie nur den unauffälligen und lediglich passend erscheinenden Hintergrund zum Gesang herstellt: Hamburg sei hier nämlich Memphis, Tennesse; bisweilen mit Ohrwurmqualitäten, kann man noch hinzufügen. Wie steht es nun aber konkret um die Texte? Zum einen gibt es solche, die mit Wesentlichem, die Liebe Betreffendes, aufwarten. Ähnlich wie in »Dorfpunks« wird mit diesem Thema fast schon befremdlich ernst umgegangen, manches klingt gar kitschig: »Liebe heißt abzugeben«, »Liebe kennt keine Grenzen«, »Die Liebe kam und hat uns eingefangen, denn wir sind die Ehe eingegangen« heißt es in diversen Liedern. Das Gegenteil des Vorgetragenen schwingt hier nicht dialektisch mit. Dann gibt es Lieder, die Lebensweisheiten verkünden, die genauso richtig wie auch selbstverständlich sind, beispielsweise in »Weiter« (»Die Zeit ist gnadenlos / Das Chaos ist virtuos / Gott ist ein Fabrikat, das keine Wirkung hat […]«), »Muster« (»Ein richtiges Leben / ich kann es nicht finden / Ein richtiges Leben / in einer falschen Welt […]«) oder in »Zu dumm um frei zu sein« (»Der Lohn, den ihr kriegt, hat symbolischen Wert […]«). Ironie schwingt nur selten mit, manchmal bei der Art des (z.T. weiblichen) Backgroundgesangs und in wenigen Textpassagen (z.B. »Liebe heißt abzugeben […] drum legt die Leinen los«). Selbst, wenn man ganze Songs autobiographisch auffassen kann, wie das recht witzige »Jugendliche« (»Ihr seid Jugendliche / Wer soll euch vor euch beschützen? / Wir bestimmt nicht / Wir haben schon genug Ärger mit den Rentnern […]. Seid ihr Punks, oder was? […] Ihr seid wahrscheinlich Verbrecher.«) oder »Tiere in der Großstadt« (»Wir waren fremd für euch in unserer Weise, man konnte von uns profitieren, doch unsere Art zu leben, schien euch verdächtig […]«) bedeutet das Gesungene nichts anderes als sich selbst. Rocko Schamonie ist also wesentlich weniger verschroben als beispielsweise Blumfeld oder PeterLicht. Ähnlich wie er in »Dorfpunks« oder Heinz Strunk in »Fleisch ist mein Gemüse« wird nämlich bloß der Mensch – sozusagen pop-existenzialistisch – in seiner Geworfenheit und damit partiellen Ausweglosigkeit dargestellt. Der Ernst erscheint recht befremdlich und ob es eine tolle, recht unauffällige, stilvolle Scheibe für 30- bis 40-jährige ist oder nur eine »Sternstunde der Belanglosigkeit«, die sich kaum von Udo Jürgens unterscheidet, kann ich auch nach mehrmaligem Hören nicht ganz beantworten.

Rocko Schamoni & Little Machine – dito (Trikont)